waren mit ihrem langjährigen unerbittlichenKampf für die Rechte der <strong>in</strong>digenen Völker e<strong>in</strong>großes Vorbild. Die Verb<strong>in</strong>dung zu dem Kampf <strong>in</strong>Chiapas zeigte sich am deutlichsten nach demSieg <strong>in</strong> Atenco. Im September 2002 zogen dieBewohnerInnen die Konsequenz aus dem Zerwürfnismit ihrem Bürgermeister. Sie jagten ihndavon <strong>und</strong> erklärten sich nach dem Vorbild der<strong>in</strong>digenen Geme<strong>in</strong>den Chiapas zur „autonomenGeme<strong>in</strong>de“.Der entscheidende Faktor für die Unerbittlichkeitdes <strong>Widerstand</strong>es war aber wohl dieexistentielle Bedrohung für die Menschen vonAtenco: 70% des Bodens <strong>und</strong> fast 500 Häusersollten dem Flughafen weichen. Das wäre nichtnur für viele das Ende des Lebens als Bäuer<strong>in</strong>oder Bauer gewesen, sondern das Ende von SanSalvador Atenco überhaupt. In anderen Geme<strong>in</strong>den,wo es „nur“ um 5 oder 10% des Bodensg<strong>in</strong>g, gelang es der Regierung durch Aufstockungder Entschädigungssumme, den <strong>Widerstand</strong>zu brechen, <strong>in</strong> San Salvador Atenco erhieltsie auf solche Angebote nur die Antwort,man sei nicht käuflich. „¡Fox, entiende, Atencono se vende!“Der Erfolg ist <strong>in</strong> diesem Falle e<strong>in</strong>deutig derKonsequenz <strong>und</strong> der Radikalität zu verdanken,mit der die Betroffenen den <strong>Widerstand</strong> durchgehaltenhaben.QuellenGespräch mit Miguel Pickard, CIEPAC, SanCristóbal de las Casas, La Jornada, poonalLiteratur zum Thema<strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> Privatisierungzu beziehen über:<strong>Ökumenisches</strong> <strong>Büro</strong> für Frieden <strong>und</strong>Gerechtigkeit e.V.Pariser Straße 13, 81667 Münchenaußerdem:Die Webseite desInformationsbüros Nicaragua e.V.http://nica.wtal.de<strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong> | 51
Ke<strong>in</strong> Ende der GeschichteAnmerkungen zum sozialen <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong><strong>Zentralamerika</strong> <strong>und</strong> anderswo1Der US-amerikanischePolitikwissenschaftlerFrancis Fukuyama verfassteEnde der 80er Jahree<strong>in</strong>en vielbeachtetenArtikel mit dem Titel:„The End of History?“, <strong>in</strong>dem er die These vertritt,dass sich weltweit e<strong>in</strong>Ideologie- <strong>und</strong>Demokratiemodell nachUS-amerikanischemVorbild durchsetzen wird.Die <strong>Freihandel</strong>spolitik ist ke<strong>in</strong> politischer Bruch,sondern die Fortsetzung e<strong>in</strong>er (Wirtschafts-)Politik, die zuvor über Strukturanpassungsmaßnahmen<strong>und</strong> nicht selten militärisch durchgesetztwurde. E<strong>in</strong>e Besonderheit der <strong>Freihandel</strong>sabkommenist aber, dass mit ihnen e<strong>in</strong>sozialer, wirtschaftlicher <strong>und</strong> politischer StatusQuo auf supranationaler Ebene <strong>in</strong> Gesetzesformgegossen wird. Die Verträge schränken denHandlungsspielraum zukünftiger Regierungen,die e<strong>in</strong>e andere Politik verfolgen wollen, erhebliche<strong>in</strong>. Denn die Verträge stehen über dernationalen Gesetzgebung <strong>und</strong> s<strong>in</strong>d schwerwieder rückgängig zu machen, sobald die Abkommene<strong>in</strong>mal ratifiziert wurden.Es geht also darum, e<strong>in</strong> „Ende der Geschichte“1 e<strong>in</strong>zuläuten <strong>und</strong> den Kapitalismusneoliberaler Ausprägung zu zementieren. Aberdie Geschichte ist ke<strong>in</strong> Naturgesetz. Sie wirdvon Menschen gemacht, <strong>und</strong> deshalb wird siekaum jemals durch e<strong>in</strong>e Unterschrift untere<strong>in</strong>en Vertrag besiegelt werden können. DieZapatistas <strong>in</strong> Chiapas/Mexiko haben dies mitihrem Aufstand w<strong>und</strong>ervoll deutlich gemacht.Der Beg<strong>in</strong>n des Aufstandes fiel nicht zufälligzeitlich mit dem Inkrafttreten des Nordamerikanischen<strong>Freihandel</strong>sabkommens NAFTA zusammen.Subcomandante Marcos drückte es so aus:„ Jemand sagte: Gegen den Neoliberalismus zuse<strong>in</strong>, ist, wie gegen das Gesetz der Schwerkraftzu se<strong>in</strong>. Nun denn! Nieder mit dem Gesetz derSchwerkraft.“ Das zapatistische Vorbild warzweifellos e<strong>in</strong>e starke Initialzündung, h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> <strong>in</strong>das Spektrum, das allgeme<strong>in</strong> als „globalisierungskritischeBewegung“ gilt <strong>und</strong> den Slogander Zapatistas „E<strong>in</strong>e andere Welt ist möglich!“ <strong>in</strong>vielfältigen Abwandlungen übernommen hat.Die „negative“ BewegungBestimmte Strategien <strong>und</strong> Tendenzen – beispielsweise<strong>Freihandel</strong>sabkommen, Privatisierungen,die Rücknahme sozialer Sicherungssysteme<strong>und</strong> damit e<strong>in</strong>hergehend zunehmende Verarmung<strong>und</strong> die Prekarisierung der Lebensbed<strong>in</strong>gungen- werden <strong>in</strong>zwischen fast überall auf derWelt durchgesetzt. Ausgehend von unterschiedlichenBed<strong>in</strong>gungen, ist die Überausbeutung<strong>und</strong> tendenzielle Absenkung von Reallöhnenetwas, was als globales Phänomen spürbar wird.Die Ähnlichkeit dieser Entwicklung hatsicher ihren Teil dazu beigetragen, dass sich diesozialen Reaktionen <strong>und</strong> Widerstände mehraufe<strong>in</strong>ander beziehen, dass es e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>tensiverenAustausch gibt <strong>und</strong> die sozialen Kampagnenzunehmend <strong>in</strong>ternational koord<strong>in</strong>iert werden.Neben dem Weltsozialforum haben sich <strong>in</strong>Late<strong>in</strong>amerika e<strong>in</strong>e Reihe von Vernetzungsstrukturen– z.B. die Alianza Social Cont<strong>in</strong>entaloder das Foro Mesoamericano – entwickelt. DieseVernetzungsstrukturen richten sich explizitgegen das Gesamtamerikanische <strong>Freihandel</strong>sabkommenALCA <strong>und</strong> den Plan Puebla Panamá <strong>und</strong>f<strong>in</strong>den ihre Geme<strong>in</strong>samkeit <strong>in</strong> eben diesenHerrschaftsprojekten, bzw. dem <strong>Widerstand</strong>dagegen. PPP, ALCA, CAFTA, Privatisierungen<strong>und</strong> WTO liefern die geme<strong>in</strong>same Klammer, dennegativen Bezugspunkt, damit unterschiedlichsteGruppen <strong>und</strong> Organisationen <strong>in</strong> ihrer Ablehnung<strong>und</strong> Kritik dieser Projekte zusammenf<strong>in</strong>denkonnten.Die <strong>in</strong>ternationalen Vernetzungstreffenbieten e<strong>in</strong> Forum, neben den Strategien imKampf gegen neoliberale <strong>Freihandel</strong>s- <strong>und</strong>Infrastrukturpläne auch Alternativen zu diskutieren.Es gibt Unterforen, <strong>in</strong> denen Frauen,campes<strong>in</strong>os/as, GewerkschafterInnen aus verschiedenenLändern über ihre geme<strong>in</strong>same odersich zunehmend angleichende Problematikdiskutieren <strong>und</strong> es gelegentlich wagen, Vorschlägefür Arbeits- <strong>und</strong> Lebensformen jenseitskapitalistischer Verwertung zu erarbeiten.All diese Bewegungen, Organisationen <strong>und</strong>Gruppen, ob <strong>in</strong> Late<strong>in</strong>amerika oder anderswo,s<strong>in</strong>d nicht e<strong>in</strong>heitlich. In der globalisierungskritischenBewegung gibt es sogar e<strong>in</strong>en breitenKonsens darüber, dass gerade die Vielfalt <strong>und</strong>Unterschiedlichkeit der Gruppen <strong>und</strong> Menschen,die sich der Bewegung zugehörig fühlen, wichtig<strong>und</strong> bereichernd s<strong>in</strong>d. Die Diffusität dieserBewegung ist e<strong>in</strong> attraktiver Pluspunkt, da sie<strong>in</strong> ihrer Unbestimmtheit für Identifikationenoffen bleibt. Gleichzeitig liegt dar<strong>in</strong> auch e<strong>in</strong>eGefahr.52 | <strong>Freihandel</strong> <strong>und</strong> <strong>Widerstand</strong> <strong>in</strong> <strong>Zentralamerika</strong>