Freihandel und Widerstand in Zentralamerika - Ökumenisches Büro ...

2Siehe Artikel „Protestund Widerstand inEl Salvador auf Erfolgskurs?“in diesem Heft,Seite 42für Kleinbauernverbände.Andere NGOs, die sich mit sozialen undUmweltthemen befassen, sitzen eher am RundenTisch, wenn sie einen guten Draht zur Regierungsdelegationhaben. In Nicaragua habenrecht viele Organisationen zunächst auf einegute Kooperation mit der Delegation der CAFTA-Verhandlungen gesetzt. In El Salvador mit seinererzkonservativen Regierung hingegen war auchdie „Runde Tisch-Fraktion“ unter den NGOs sehrmarginalisiert. Zudem lässt sich aber inEl Salvador in den letzten Jahren auch einRückgang der Integrationsbereitschaft vielerNGOs ausmachen: Die Hoffnung, wirklich etwasgegen die neoliberalen Programme durchsetzenzu können, hat sich dort bereits weitgehenderschöpft.Von der Rechazo Total-Fraktion wird denanderen NGOs vorgeworfen, durch ihre Teilnahmean Runden Tischen die Freihandelsverhandlungengrundsätzlich zu legitimieren. Der Geistder Freihandelsabkommen, so ihre Argumentation,ist auf brutalste Weise neoliberal und ansich antidemokratisch. Es sei albern, dies durchUmwelt- oder Sozialstandards kaschieren zuwollen, findet beispielsweise die salvadorianischeUmwelt-NGO UNES (Federación UnidadEcológica Salvadoreña). Abgesehen davon stündendie wirklich entscheidenden Fragen(Investitionsschutz, Geistige Eigentumsrechte,ArbeiterInnenrechte u.s.w.) überhaupt nicht zurDebatte; verhandelt würde im Grunde nurdarüber, welches Produkt in welchen Warenkorbkommen soll, während alle anderen entscheidendenFragen von vornherein abgekartet sind.Viele Organisationen der „Rechazo Total-Fraktion“bezeichnen die Runden Tische auch alsGespräche im „Nebenzimmer“ (Cuarto al Lado),einige reden sogar von der „Dunkelkammer“(Cuarto Oscuro). Hintergrund ist, dass die „Zivilgesellschaft“an den eigentlichen Verhandlungengar nicht teilnehmen darf, sondern allenfallszwischendurch informiert und konsultiertwird. Die politischen Spielräume seien starkeingeengt, sofern überhaupt vorhanden.Ein weiterer Vorwurf der Rechazo-Fraktion:Wer sich an einen Runden Tisch setzt, akzeptieredamit bereits die Spielregeln der Macht undlasse sich auf eine bestimmte Form der Kommunikationund des Aushandelns von Entscheidungenein, die stets von Machtverhältnissengeprägt, untransparent und undemokratischsind.Tatsächlich zeigt uns die Erfahrung, dassletzten Endes alle kritischen zivilgesellschaftlichenSektoren so weit aus den wirklichenEntscheidungsräumen ausgegrenzt werden, dassman in Frage stellen muss, ob es die Mühe wertist, seine Zeit in Nebenräumen zu verbringen.Wirksamer scheinen uns die Widerstandsstrategien,die – ebenfalls aus der existentiellenBedrohung heraus – ein klares „Nein!“ formulierenund es parallel dazu schaffen, auch anderegesellschaftliche Gruppen von der Berechtigungdieses „Nein!“ zu überzeugen. Die Frage derWirksamkeit von Protest und Widerstand istunserer Meinung nach nicht damit zu beantworten,ob ein Protest von „Erfolg“ gekrönt ist indem Sinne, dass beispielsweise eine Regierungein geplantes Vorhaben aufgibt. Viel wichtigerist unter Umständen, dass in den Widerstandsaktionenselbst eine soziale Dynamik in Ganggesetzt wird, die weit über die (regierungs-)politischen Entscheidungen hinausgeht. Dennder praktizierte Widerstand wirkt nicht nur aufdie Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft.Er wirkt zugleich zurück in die Bewegungenund auf die Menschen selbst, auf dieWahrnehmung ihrer eigenen Kraft, auf ihreindividuelle und kollektive Politisierung, auf dassoziale Netz, auf die Solidarität mit denen, diein einer ähnlichen Lage sind.Wenn eine andere Welt möglich wird...Ricardo Monge (STISSS/El Salvador) 2 betont,dass der Streik im Gesundheitswesen für dieBewegung eine intensive und ganz wichtigeErfahrung war. Trotz der enormen Repressionund der psychischen und ökonomischen Belastung– allein erziehende Frauen haben sich amStreik beteiligt, ohne zu wissen, wie sie ihreFamilie durchbringen sollen –, gingen die Leutegestärkt und mit gewachsenem Selbstvertrauendaraus hervor. Die Erfahrung, Teil dieses Kampfesgewesen zu sein, hat ihren Kampfgeistgestärkt.Dass dieser Protest schließlich so erfolgreichwar, hing nach Einschätzung von RicardoMonge vor allem damit zusammen, dass diesalvadorianische Bevölkerung durch Privatisierungender Vergangenheit schon eine sehrgenaue Vorstellung hatte von dem, was auf siezukommen würde. Ähnlich wie in Nicaraguabeim Protest gegen die Privatisierung des Wasserswurde auch hier der Widerstand erst laut,als es an eine lebenswichtige Grundversorgungging und nachdem Telekommunikation, Elektrizitätund Bildungssektor bereits privatisiertworden waren.54 | Freihandel und Widerstand in Zentralamerika