Ragweed / Beifuß * Wirksam1 - Einfach - Sicher * Prä ... - Arzt + Kind
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Bewegungsstörungen in der pädiatrischen Praxis<br />
Dr. Michael FREILINGER<br />
Spezialbereich Neuropädiatrie<br />
Ltg.: Ao. Univ.-Prof. Dr. Rainer Seidl<br />
Klinische Abteilung für Pädiatrische Pulmologie,<br />
Allergologie und Endokrinologie<br />
Universitätsklinik für <strong>Kind</strong>er- und Jugendheilkunde<br />
Währinger Gürtel 18–20, 1090 Wien<br />
michael.freilinger@meduniwien.ac.at<br />
30<br />
Einleitung<br />
Der folgende Artikel versucht einen „vogelflug“<br />
über die Gruppe hyperkinetischer<br />
bewegungsstörungen und „developmental<br />
movement disorders“, die insbesondere aufgrund<br />
der diagnostischen besonderheiten<br />
des frühen <strong>Kind</strong>esalters und der differenzialdiagnostischen<br />
vielfalt eine Herausforderung<br />
an den „pädiatrischen blick“ darstellen. Die<br />
exakte klinische zuordnung der bewegungsstörung<br />
ist auch in therapeutischer Hinsicht<br />
ein wichtiger Punkt: Die meist fehlende kausale<br />
behandlungsmöglichkeit neuropädiatrischer<br />
erkrankungen mit sekundären hyperkinetischen<br />
bewegungsstörungen steigert<br />
die bedeutung symptomspezifischer im<br />
vergleich zu den erkrankungsspezifischen<br />
behandlungsoptionen.<br />
Dystonie<br />
Die Dystonie führt durch unwillkürliche,<br />
anhaltende oder intermittierende Muskelkontraktionen<br />
zu abnormen, repetitiven<br />
bewegungen und/oder Haltungen und tritt<br />
im <strong>Kind</strong>esalter im Gegensatz zum erwachsenenalter<br />
häufiger generalisiert als segmental<br />
oder fokal auf. Die beziehung und Unterscheidung<br />
zwischen Dystonie, Hypertonie und<br />
anderen hyperkinetischen zeichen mag in<br />
der klinischen Untersuchung schwierig sein,<br />
da die dystone Haltung gegen Widerstand<br />
mitunter aufrechterhalten wird oder dystone<br />
bewegungsmuster kurzdauernd und rasch<br />
auftreten und von choreatischen bewegungen<br />
oder Myoklonus schwer abgrenzbar sind.<br />
Das klinische bild dystoner Patienten wird<br />
oftmals von überschießenden bewegungen<br />
dominiert. Dieser sogenannte „Overflow“<br />
entsteht durch die enge beziehung zwischen<br />
intendierter und unwillkürlicher bewegung<br />
auch vom zielmuskel entfernter Muskelgruppen.<br />
ein zweites bekanntes Phänomen, die<br />
Kokontraktion, wird im <strong>Kind</strong>esalter seltener<br />
beobachtet, möglicherweise als Folge willkürlicher<br />
kompensatorischer bewegung.<br />
Die häufigste primäre Dystonie im <strong>Kind</strong>esalter<br />
wird durch Mutationen im DYt1-Gen<br />
verursacht und wird dominant mit inkompletter<br />
Penetranz (30%) vererbt. 50–60% der<br />
Dystonien (und 90% der primären Dystonien<br />
bei Aschkenazsim-Juden) beruhen auf DYt1-<br />
Genmutationen. Die im <strong>Kind</strong>esalter meist<br />
fokal beginnende Dystonie generalisiert<br />
meist rasch innerhalb von 5–10 Jahren und<br />
führt bei normaler Kognition zu einem hohen<br />
Grad an motorischen einschränkungen.<br />
Primäre paroxysmale Dystonien werden klinisch<br />
in kinesiogene (PKD, primäre kinesiogene<br />
Dystonie oder DYt10, choreoathetose)<br />
und nichtkinesiogene Formen (PNKD, DYt8)<br />
unterteilt. Dementsprechend kommt es bei<br />
ersterer Form wiederholt zu kurzen episoden<br />
mit dystonen oder choreoathetotischen<br />
bewegungsmustern, die durch plötzliche<br />
willkürliche bewegungen getriggert werden.<br />
Meist in der <strong>Kind</strong>heit beginnend spricht<br />
die Symptomatik sehr gut auf carbamazepin<br />
an, im erwachsenenalter kommt es meist zu<br />
einer spontanen besserung.<br />
An eine weitere Dystonie aus dem Kreis der<br />
Dystonie-plus-Syndrome, die DOPA-responsive<br />
Dystonie (DYt5) oder hereditäre progrediente<br />
Dystonie mit tagesschwankungen,<br />
sollte bei <strong>Kind</strong>ern mit über den tag hin<br />
zunehmender Dystonie, primär der unteren<br />
extremitäten, gedacht werden. Die oftmals<br />
mit spastischer, beinbetonter cP klassifizierten<br />
Patienten führen mit niedrigen Dosen<br />
l-DOPA ein normales leben und unterscheiden<br />
sich durch einen langsam progredienten<br />
verlauf und der dystonen bewegungsstörung<br />
von der spastischen cP. Generell wird<br />
bei allen <strong>Kind</strong>ern mit primärer Dystonie, aber<br />
auch sekundären bewegungsstörungen mit<br />
Dystonie als prominentem Symptom ein therapieversuch<br />
mit l-DOPA empfohlen.<br />
Die (sekundäre) Dystonie als Folge degenerativer,<br />
mehrheitlich metabolischer erkrankungen<br />
kann das leitsymptom darstellen<br />
oder im verlauf der erkrankung auftreten.<br />
Mitochondriale und autosomal rezessive<br />
erkrankungen sind hier in zusammenschau<br />
aller klinischen, laborchemischen und neuro-