Kormoran- und Fischbestand
Kormoran- und Fischbestand
Kormoran- und Fischbestand
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<strong>Kormoran</strong>e erschweren die wirtschaftliche Lage<br />
der Berufsfischer in einer Zeit, in der auch andere<br />
Faktoren die Fischerträge mindern. Durch ungewöhnlich<br />
niedrigen Wasserstand in jüngster Zeit<br />
fällt Schilf trocken. Hinzu kommt ein allgemeiner<br />
Schilfrückgang in den jüngsten Jahrzehnten, der<br />
anderen Einflussfaktoren zugeschrieben wird,<br />
wie Hochwasser im Frühjahr, Vogelfraß oder<br />
mechanischen Beeinträchtigungen durch Freizeitnutzung.<br />
Brachsen, eine Fischart, die besonders<br />
Holmer Lex<br />
Vorsitzender der Fischereigenossenschaft<br />
Chiemsee<br />
Der See birgt viele<br />
Geheimnisse<br />
Im Fischerhäuschen<br />
auf der Fraueninsel<br />
putzt Holmer Lex (78)<br />
Aale. Schwiegertochter<br />
Silvia bedient im<br />
kleinen Verkaufsraum<br />
Laufk<strong>und</strong>en: Semmeln<br />
mit Renkenfilets <strong>und</strong><br />
Meerrettich sind heute<br />
gefragt. Sohn Thomas<br />
Lex sorgt für Nachschub<br />
mit geräucherten<br />
Saiblingen. „Wir sind<br />
ein Familienbetrieb“<br />
erklärt der Vater, „uns<br />
hier am Chiemsee<br />
geht es nicht schlecht.<br />
Wir teilen den Kuchen<br />
durch 18, das ist seit<br />
h<strong>und</strong>ert Jahren die<br />
Zahl der Berufsfischerfamilien.<br />
Ammer- <strong>und</strong><br />
Starnberger See sind<br />
kleiner, <strong>und</strong> dort gibt<br />
es mehr Berufsfischer.“<br />
Holmer Lex ist heute<br />
Rentner, den Betrieb<br />
hat er den Jungen<br />
übergeben. Seit 30<br />
Jahren spricht der<br />
besonnene Fischer<br />
für seine Kollegen am<br />
Chiemsee. Auf die Frage<br />
nach den größten<br />
Problemen in dieser<br />
Zeit überlegt er nicht<br />
lang: „Der Abfall des<br />
Renkenertrages in<br />
den Achziger Jahren.<br />
Wir waren auf 19 <strong>und</strong><br />
20 kg pro Hektar in<br />
den besten Jahren<br />
– <strong>und</strong> dann ging es<br />
zurück auf vier Kilogramm“<br />
sinniert der<br />
Altmeister. „Die Ringkanalisation<br />
leitet alle<br />
Abwässer der Gemeinden<br />
in eine Großkläranlage,<br />
fünf Kilometer<br />
vom See. Früher haben<br />
wir dreijährige Renken<br />
gefangen, heute fangen<br />
wir vier- <strong>und</strong> fünfjährige<br />
– die Renken<br />
wachsen langsamer.<br />
Die Planktonproduktion<br />
ist nicht mehr wie<br />
früher.“<br />
Die Fischer am<br />
Chiemsee haben auf<br />
den knappen Fang an<br />
Brotfischen reagiert:<br />
„Wenn die Renken<br />
knapp sind, vermarkten<br />
wir vermehrt<br />
Brachsen, Rotaugen<br />
auch Mairenken –<br />
dank der Grätenschneidemaschine<br />
ist<br />
das heute möglich.“<br />
Und Lex fährt fort:<br />
„Heute veredeln <strong>und</strong><br />
vermarkten wir den<br />
in schlechten Renkenjahren für die Fischer<br />
wichtig ist, verlieren dadurch Laichplätze. Auch<br />
andere krautlaichende Fische sind davon betroffen:<br />
Karpfen, Schleien, Rotaugen, Rotfedern <strong>und</strong><br />
Hechte. Eine lückenlose Beweisführung über den<br />
Schaden durch <strong>Kormoran</strong>e, geschweige denn<br />
eine exakte Berechnung des Schadens gibt es<br />
heute nicht – das liegt an der Größe des Sees<br />
<strong>und</strong> an der Komplexität des Systems.<br />
Fisch meist selber. Die<br />
Touristensaison ist<br />
länger geworden – das<br />
hilft. Die Fische einfach<br />
an die Händler in<br />
Rosenheim <strong>und</strong> München<br />
zu geben, so wie<br />
früher, würde heute<br />
nicht mehr funktio-<br />
nieren.“ Die Chiemsee-<br />
fischer beließen es<br />
nicht bei Selbstvermarktung<br />
<strong>und</strong><br />
Verlängerung der<br />
Produktionskette.<br />
Vergrößert wurde die<br />
genossenschaftseigene<br />
Brutanlage. Allein 35<br />
bis 50 Millionen Renken<br />
werden jährlich er-<br />
brütet, aus Laichrenken<br />
vom Chiemsee. 1,5<br />
bis 2 Millionen davon<br />
verbringen die ersten<br />
Lebensmonate in 26<br />
Netzgehegen, in denen<br />
die Überlebensrate<br />
höher ist als im See. Mit<br />
4 bis 5 Zentimetern,<br />
Anfang Juli, kommen<br />
sie dann in das freie<br />
Wasser des Chiemsees.<br />
Und der <strong>Kormoran</strong>?<br />
„Anfangs waren sie<br />
ja nur ein halbes Jahr<br />
am See“, erinnert<br />
sich Lex, „aber dann<br />
begannen sie zu brüten<br />
<strong>und</strong> blieben das ganze<br />
Jahr – über 500 Vögel<br />
mit den Jungen.“ Dass<br />
man die Fische auch<br />
aus den Netzen holen<br />
kann, entdeckten die<br />
<strong>Kormoran</strong>e am Chiemsee<br />
später als jene am<br />
Ammersee. „Ein Netz<br />
ist gleich zerrissen“,<br />
erklärt der Fischer, „der<br />
Faden im Schwebnetz<br />
ist nur 0,12 mm dick.“<br />
Nach langwierigem<br />
Streit ist den Fischern<br />
heute ein Abschuss<br />
von 30 <strong>Kormoran</strong>en im<br />
Jahr gestattet, bis zum<br />
Jahr 2009. Die Jagd<br />
am Chiemsee ist von 5<br />
Berufsfischern gepachtet,<br />
„wir haben<br />
es selbst in der Hand.<br />
Bewirken tut ein Abschuss<br />
von 30 Vögeln<br />
nicht viel“ weiß der<br />
Senior, „aber wir<br />
wollen den Fuß in der<br />
Tür haben.“ Berufsfischer<br />
Lex hofft auf<br />
eine europäische<br />
<strong>Kormoran</strong>lösung.<br />
In den letzten Jahren<br />
hat der Brutbestand<br />
der <strong>Kormoran</strong>e wieder<br />
abgenommen. „Wir<br />
waren es nicht“, sagt<br />
Holmer Lex mit ruhiger<br />
Stimme <strong>und</strong> fährt fort:<br />
„Der Chiemsee birgt<br />
viele Geheimnisse.<br />
Voriges Jahr war der<br />
See 70 Tage zugefroren,<br />
danach gab<br />
es überraschend viel<br />
Plankton – wir haben<br />
w<strong>und</strong>erbare Fische<br />
gefangen“.<br />
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