Kormoran- und Fischbestand
Kormoran- und Fischbestand
Kormoran- und Fischbestand
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
ausreichend wirksam, wenn auch Vögel geschossen<br />
werden. Gelegentlich wird das Schießen von<br />
<strong>Kormoran</strong>en unzutreffend als „letale Vergrämung“<br />
bezeichnet, denn vergrämt werden sollen jene-<br />
Vögel, die nicht geschossen werden, sie erleben<br />
vielmehr den Abschuss eines Artgenossen. Wird<br />
aus einem Trupp von <strong>Kormoran</strong>en ein Vogel<br />
geschossen, so erkennen die anderen durch das<br />
Verhalten des Getroffenen eine bedrohliche<br />
Gefahr. Sie meiden Menschen, die sich wie<br />
Schützen verhalten, sie lernen auf den Knall zu<br />
reagieren <strong>und</strong>, was für Vergrämung Voraus-<br />
setzung ist: sie lernen den Ort des Geschehens<br />
mit Gefahr zu verknüpfen. Die Vergrämung<br />
an einem Gewässer ist dann nachhaltig, wenn<br />
<strong>Kormoran</strong>e ausreichend oft mit dem negativen<br />
Ereignis konfrontiert werden.<br />
Aus diesen ethologischen Gesetzmäßigkeiten der<br />
Vergrämung resultiert Folgendes: Vergrämung ist<br />
eine Daueraufgabe, da die Vögel ausreichend oft<br />
mit den störenden Ereignissen konfrontiert werden<br />
müssen. Das wiederum resultiert in hohem<br />
Personalaufwand, den aufzubringen es oft nicht<br />
gelingt. Die Vergrämung ist auch dann schwierig,<br />
wenn es sich um durchziehende Vögel handelt,<br />
die eine bestimmte Strecke noch nicht mit Gefahr<br />
verbinden.<br />
Hier ist eine besonders starke Präsenz der vergrämenden<br />
Personen erforderlich.Die Wirksamkeit<br />
einer Vergrämung hängt nicht davon ab, wie<br />
viele <strong>Kormoran</strong>e geschossen werden. Wichtig ist,<br />
dass die potentiellen Besucher eines Gewässers<br />
ausreichend oft schlechte Erfahrungen erleben<br />
<strong>und</strong> dass sie die schlechten Erfahrungen auch an<br />
den konkreten Gewässern erleben, an denen sie<br />
vergrämt werden sollen.<br />
Viel Aufwand wurde in europäischen Ländern<br />
<strong>und</strong> Nordamerika betrieben, um effektive Vergrämungsmethoden<br />
für den <strong>Kormoran</strong> zu entwickeln<br />
<strong>und</strong> zu erproben. Es hat sich gezeigt, dass<br />
der Gewöhnungseffekt der Vögel an Störungen<br />
aller Art groß ist. An Fließgewässern <strong>und</strong> großen<br />
Stillgewässern sind Vergrämungen nur dann<br />
wirksam, wenn auch Vögel geschossen werden.<br />
Konfliktmanagement<br />
In der <strong>Kormoran</strong>frage prallen die Standpunkte<br />
aufeinander: Positionen sind verhärtet, es gibt<br />
Unterstellungen <strong>und</strong> Schuldzuweisungen, man<br />
hört vereinfachte Aussagen wie „der <strong>Kormoran</strong><br />
frisst die Gewässer leer“ oder „in natürlichen<br />
Gewässern machte der <strong>Kormoran</strong> keinen Schaden“.<br />
Wellen der Emotionen schlagen hoch. Die<br />
<strong>Kormoran</strong>frage ist ein klassischer Konflikt, ein<br />
besonders schwerwiegender noch dazu. Schwerwiegend<br />
ist der Konflikt nicht, weil die Interessen<br />
verschiedener Beteiligter berührt werden – das<br />
liegt in der Natur der Sache. Schwerwiegend<br />
ist der Konflikt nicht durch seine ökonomische<br />
Dimension, die finanziellen Verluste <strong>und</strong> Kosten;<br />
schwerwiegend ist der Konflikt auch nicht wegen<br />
des schwer zu durchschauenden Sachverhalts.<br />
Der wichtigste Gr<strong>und</strong> für die Heftigkeit liegt in<br />
einem Wertekonflikt der Interessengruppen:<br />
Fischer sehen ihre Interessen nur dann gewahrt,<br />
wenn eine wirkungsvolle Schadensbegrenzung<br />
erfolgt – <strong>und</strong> die impliziert den Abschuss von<br />
<strong>Kormoran</strong>en. Vogelschützer <strong>und</strong> manche Naturschützer<br />
haben mit der Tötung von Vögeln ein<br />
gr<strong>und</strong>sätzliches Problem. Das geht oft einher<br />
mit einem geringen Verständnis für die Fischerei,<br />
insbesondere die Angelfischerei.<br />
Konflikte sind in der Regel nicht rasch auszuräumen,<br />
schon gar nicht Wertekonflikte. <strong>Kormoran</strong>-<br />
gespräche <strong>und</strong> r<strong>und</strong>e Tische der Interessengruppen<br />
bringen die Dinge deshalb nicht gut<br />
voran; sie verhärten oft nur die Standpunkte.<br />
Auch die oft geäußerte Hoffnung, eine bessere<br />
Datengr<strong>und</strong>lage würde schon zur Konfliktlösung<br />
beitragen, ist ebenso nicht berechtigt.<br />
Der Weg zu tragbaren Lösungen für alle Seiten<br />
führt über einen Konfliktlösungsprozess. In<br />
diesem arbeiten die verschiedenen Interessenvertreter<br />
unter Beteiligung eines geschulten<br />
Dritten (eines Mediators) nach selbst festgelegten<br />
Regeln in einer Reihe von Schritten gemeinsam<br />
an Lösungen. Zu den Schritten gehört zunächst<br />
die Entwicklung eines allgemeinen Problem-<br />
verständnisses, in dem auch die Sichtweisen<br />
<strong>und</strong> Interessen der anderen Seite verinnerlicht<br />
werden; gehört auch der Aufbau von Vertrauen,<br />
insbesondere durch das gemeinsame Erheben<br />
von Gr<strong>und</strong>lagen; gehört die gemeinsame <strong>und</strong><br />
konsensorientierte Suche nach Lösungen. Es ist<br />
eine alte Erfahrung, dass Konfliktpartner eine<br />
Lösung nur dann mittragen, wenn sie auch an<br />
der Ausarbeitung beteiligt waren. Es ist nicht<br />
wichtig, dass alle Beteiligten von den gef<strong>und</strong>enen<br />
Lösungen begeistert sind, es genügt schon,<br />
wenn Skeptiker eine Lösung tolerieren. Ein Konfliktlösungsprozess<br />
passiert nicht von selbst. Es<br />
ist Aufgabe von Politik <strong>und</strong> Verwaltung, diesen<br />
Prozess in Gang zu setzen.<br />
Beispiel Konsensfindung:<br />
Maßnahmenplan Schweiz<br />
Zur Problemlösung hat die zuständige B<strong>und</strong>esbehörde<br />
(BUWAL) eine Arbeitsgruppe „<strong>Kormoran</strong><br />
<strong>und</strong> Fische“ ins Leben gerufen, an der die wichtigsten<br />
Interessengruppen vertreten waren: die<br />
für Fischerei, Jagd- <strong>und</strong> Vogelschutz zuständigen<br />
Konflikte über die<br />
Schadensregelung<br />
bei <strong>Kormoran</strong>en sind<br />
besonders heftig.<br />
Die Erarbeitung von<br />
tragfähigen Lösungen<br />
erfordert neue Ansätze<br />
der Konfliktlösung.<br />
59