20• Nutzungsänderungen(z. B. Verlust von Rohböden auf Truppenübungsplätzen, Aufforstung von Offenland),• Aufgabe traditioneller Nutzung(z. B. Schafhutung, Mahd, historische Waldnutzung, extensive Teichwirtschaft),• Nähr- <strong>und</strong> Schadstoffeinträge(in Gewässer <strong>und</strong> alle terrestrischen Biotope: Wasser- <strong>und</strong> Luftverschmutzung),• direkte Zerstörung von Biotopen(z. B. durch Verkehrs-, Siedlungs- <strong>und</strong> Industriebauten),• Ausbreitung von Neophyten oder Neozoen(z. B. infolge Fischbesatz).Besonders gravierend sind die Folgen des Auflassens extensiv genutzter Flächen. Rohbodenstandortehaben deutlich abgenommen (insbesondere auf ehemaligen Truppenübungsplätzen).Offene, kurzrasige Grasfluren, Säume <strong>und</strong> lichte Waldstellen gehen infolge fehlender oderveränderter Nutzung bzw. Pflege (z. B. Aufgabe von Schafhutung) rapide zurück. So mussteu. a. der Frauenschuh – eine der attraktivsten heimischen Orchideen – in die Kategorie starkgefährdet hochgestuft werden. Der Steinkauz als typische Eulenart kurzrasiger Grasfluren istin Thüringen unmittelbar vom Aussterben bedroht. Auf verschiedene Tiergruppen wirkt dasdeutlich erhöhte Straßenverkehrsaufkommen als unmittelbarer Gefährdungsfaktor (z. B.Säugetiere, Amphibien, Vögel). Durch die diffusen Nähr- <strong>und</strong> Schadstoffeinträge nehmenMykorrhizapilze <strong>und</strong> mykorrhizaabhängige Pflanzen weiter ab.Andere Gefährdungsursachen haben in ihrer Intensität im letzten Jahrzehnt deutlich abgenommen.Zu nennen ist in erster Linie die Abwasserbelastung unserer Fließgewässer, deren Reduzierungbereits eine Abnahme der Gefährdung einzelner Arten bewirkt hat (z. B. bei Fischen,Libellen, Steinfliegen). Die Auswirkungen einer verbesserten Wasserqualität sind allerdingsnicht so gravierend wie sie allgemein erwartet wurden. Ursache ist die meist noch vorhandeneStrukturarmut der Gewässer, die eine weitere Bestandserholung gefährdeter Arten vielfachbegrenzt. Auch die Luftqualität hat sich hinsichtlich verschiedener Parameter offenbar deutlichverbessert. So kann eine leichte Zunahme epiphytischer Arten (Flechten, Moose) <strong>und</strong>einiger Waldarten der Schnecken beobachtet werden. Zum Beispiel konnte die Pflaumenflechte,die 1992 noch stark gefährdet war, aus der Liste von 2001 herausgenommen werden.Die Bemühungen um ein höheres Totholzangebot in den Wäldern (Nationalpark Hainich,Totalreservate, Naturwaldparzellen) benötigen sicher längere Zeit, bis sie zu verändertenGefährdungseinstufungen bei Totholz bewohnenden Arten führen. Auch stehen ihnenverstärkte Verluste, z. B. durch "Baumsanierungen" im besiedelten Bereich <strong>und</strong> an Alleengegenüber.In einigen Fällen konnten Arten durch die Besiedlung von Sek<strong>und</strong>ärstandorten ihre Verlustean ursprünglichen F<strong>und</strong>orten etwas ausgleichen (z. B. die Salzpflanze Europäischer Queller anRückstandshalden der Kali-Industrie). Neben den genannten Gruppen gibt es auch Bei-spielefür positive Bestandsentwicklungen oder für eine erfolgreiche Stabilisierung derBestandssituation durch <strong>Naturschutz</strong>maßnahmen im weitesten Sinne. Eisvogel, Wasseramsel<strong>und</strong> Gebänderte Prachtlibelle, die offenbar unmittelbar von der Abwasserreinigung profitierten,sowie Schwarzstorch, Uhu <strong>und</strong> Wanderfalke, für die direkte Schutzmaßnahmenerfolgreich waren, sind Beispiele für solche Arten aus Thüringer Sicht. Die Zahl dieser Artenist noch relativ gering <strong>und</strong> auch auf besser bekannte Artengruppen, die im Zentrum speziellerSchutzbemühungen stehen, begrenzt.4.2 Erhaltungszustand von Arten <strong>und</strong> Lebensraumtypen nach der (FFH-)Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie <strong>und</strong> EU-Vogelschutzrichtlinie in Thüringen
21Auf europäischer Ebene sind Regelungen <strong>und</strong> Ziele zur Erhaltung der Biodiversität in derVogelschutzrichtlinie von 1979 <strong>und</strong> der FFH-Richtlinie von 1992 festgelegt. Die dort vorgeschriebenennational umzusetzenden Maßnahmen <strong>und</strong> gesetzlichen Regelungen dienen dazu,die Bestände der Arten <strong>und</strong> Lebensräume von europäischer Bedeutung langfristig zu erhaltenoder wieder in einen guten Zustand zu bringen. Im Zentrum der FFH-Richtlinie stehen ausgewählteArten <strong>und</strong> Lebensraumtypen von gemeinschaftlichem Interesse, für die Schutzgebieteausgewiesen werden, sowie Arten von gemeinschaftlichem Interesse, für die ein strengerSchutz zu organisieren <strong>und</strong> durchzusetzen ist.Zur Überprüfung der Wirksamkeit der Maßnahmen sind alle 6 Jahre Berichte zum Erhaltungszustandder Lebensraumtypen <strong>und</strong> Arten zu erstellen. Im Jahr 2006 wurde auch für denThüringer Anteil an der kontinentalen biogeographischen Region ein Bericht erstellt, der dasaktuelle Verbreitungsgebiet, die besiedelte Fläche, die bestehenden Gefährdungen <strong>und</strong> dieZukunftsaussichten beschreibt <strong>und</strong> dahingehend bewertet, ob der Erhaltungszustand günstigoder unzureichend oder schlecht ist. Diese Bewertung erfolgte nach einem Ampelschema, beidem die Bewertung „grün“ (= günstig) für den zu erreichenden oder zu erhaltenden Zustandsteht, wogegen „gelb“ <strong>und</strong> „rot“ für unzureichend bzw. schlecht stehen.Insgesamt 62 Thüringer Tier- <strong>und</strong> 5 Pflanzenarten der Anhänge II <strong>und</strong> IV der FFH-Richtliniesowie 44 Lebensraumtypen wurden so bewertet (Tab. 8 <strong>und</strong> 9). In den meisten Fällen decktsich die thüringische Bewertung mit der Bewertung für die gesamte kontinentale biogeographischeRegion Deutschlands.Tab. 8 : Thüringer Arten der Anhänge II <strong>und</strong> IV der FFH-Richtlinie (92/43/EWG), Berichtzum Erhaltungszustand 2000-2006, Annex B, Landesübersicht (Stand: 21.12.2006)Erhaltungszustand (= Gesamtbewertung laut Annex C)[für kontinentale biogeographische Region in Thüringen bzw. Deutschland]:FV = günstig; U1 = unzureichend; U2 = schlecht; XX = unbekannt; Populationsgröße nachZahl besiedelter Messtischblätter (TK25) bzw. Messtischblattquadranten (TK25Q) oder Zahlder VorkommenArtArtengruppeVerbreitungsgebietErhaltungszustandThüringen DeutschlandSäugetiere,sonst.Feldhamster Cricetus cricetus 65 TK25Q U1 U2Wildkatze Felis silvestris 49 TK25 FV U2Fischotter Lutra lutra 17 TK25 U1 U1Luchs Lynx lynx 1 Vork. U1 U2MuscardinusavellanariusHaselmaus41 TK25 FV XXSäuget.,Flederm.BarbastellaMopsfledermaus barbastellus103 TK25 FV U1Nordfledermaus Eptesicus nilssonii 39 TK25 U1 U1Breitflügelfledermaus Eptesicus serotinus 86 TK25 U1 FVBechsteinfledermaus Myotis bechsteinii 79 TK25 FV U1