03.12.2012 Aufrufe

WORT SPIELE - Literaturmachen

WORT SPIELE - Literaturmachen

WORT SPIELE - Literaturmachen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

6 Einführung<br />

rungen der Schüler müssen nicht die deinen sein. Aufgrund der<br />

Vielsagbarkeit der Goethe’schen Bilder und Verse sind sie ja<br />

trotzdem möglich und sehr erwünscht. 6 Nimm die Äußerungen<br />

der Schüler, ihre Kommentare („Faust ist ein Pädophiler!“), improvisierten<br />

Rollendialoge („Faust: Na, Schatz!“ Gretchen:<br />

Schatz? Wieso nennst du mich Schatz? Ich heiß’ Gretchen!<br />

Faust: Ich dachte, wir wären schon so weit.) und narrativen Details<br />

(„Die Hexen trinken Wodka Gorbatschow, „des Wodkas<br />

reinste Seele“) auf Tondatenträgern auf. 7 Nimm dir für dich und<br />

deine Klasse insbesondere für den Anfang der Faustgeschichte<br />

ausreichend Zeit: verweile so lange bei den Geschehnissen in<br />

Fausts Studierstube, bis dir die Klasse das Gefühl gegeben hat,<br />

für Fausts verzweifelten Forscherdrang so etwas wie Verständnis<br />

entwickelt zu haben. 8 Baue auf die existentielle Bedeutsamkeit<br />

sowohl der Gelehrten- als auch der Gretchentragödie, zunächst<br />

also auch auf die emotionale Substanz des Faustdramas. Zügle<br />

hierfür gern dein Pflichtgefühl gegenüber dem klassisch-philologischen<br />

Bildungshorizont und lasse das Drama menschen- und<br />

lebenskundlich für sich selber sprechen. 9 Geh, wenn Du magst,<br />

einen Schritt weiter und eröffne eine Werkstatt für eigene Schülergeschichten<br />

im Kontext des Faustdramas; für, wenn du so<br />

willst, „Faustiaden“: Geschichten, die von der Faustthematik inspiriert<br />

sind, die z.B. das Motiv des Verführt Werdens für sich<br />

noch einmal durchbuchstabieren. 10 Biete der Klasse hierfür,<br />

zum Kennenlernen, zur Selbsterkenntnis und zur Steigerung der<br />

allgemeinen Menschenkenntnis, auch um den Wortschatz elementar<br />

zu erweitern, eine grundlegende, typologische Darstellung<br />

menschlicher Charakterzüge, wie es zum Beispiel die zwölf<br />

Tierkreiszeichen, das Enneagramm oder das Chinesische Horoskop<br />

anbieten. 11 Biete die von dir ausgesuchte Charakterologie<br />

konkret so dar, dass du die einzelnen Verhaltenstypen anhand<br />

ihrer jeweiligen Stärken und Schwächen profilierst.<br />

12 Bilde Kleingruppen. Lass’ jede Kleingruppe einen eigenen,<br />

von den anderen Gruppen unterschiedenen Archetypen, im Zentrum<br />

der zu schreibenden Geschichte stehen. Bringe die Schüler<br />

Aus der Faust-Rhapsodie-Werkstatt 7<br />

dazu, sich über die charakterlichen Eigenschaften ihres zugelosten<br />

Archetypen zu informieren. 13 Bringe die Kleingruppen dazu,<br />

diesem zentralen Helden zwei Autoritäten zur Rechten und zur<br />

Linken an die Seite zu stellen, auf dass die Hauptfigur einen Konflikt<br />

zwischen den zwei Möglichkeiten erleide, sich dem schädlichen<br />

(„Teufel“) oder dem förderlichen Einfluss („Engel“) hinzugeben.<br />

14 Schaue danach, das Spektrum möglicher menschlicher<br />

Verhaltensweisen insgesamt breit genug aufzufächern. Soll heißen:<br />

lass’ die Klasse möglichst verschiedene Hauptfiguren erfinden,<br />

verschieden an Alter, Milieu, Temperament, Lebensthemen,<br />

usw. 15 Gib der Gruppe immer wieder Gelegenheit, sich auf der<br />

Bedeutungsebene über ihre „Faustiade“ zu unterhalten. Zum<br />

Beispiel gerät eine Agentengeschichte leicht in den Sog einer<br />

allumfassenden Handlung, in der kaum noch Raum für thematische<br />

Reflexionen bleibt. Eine allgemein brauchbare Kompassfrage<br />

könnte sein: „Was lässt sich aus euerer Geschichte lernen?“<br />

Auch wenn diese Frage im Grunde die Gefahr birgt, eine moralische<br />

Maxime an die Stelle poetischer Erfindung zu setzen,<br />

so bietet sie den unerfahreneren Schülern doch die Chance,<br />

ü b e r h a u p t auf eine Metaebene zu gelangen, auf der „über<br />

Texte geredet“ werden kann. 16 Betreue die entstehenden<br />

„Faustiaden“ dergestalt, dass Du darauf bestehst, die Ebene der<br />

Einflussnahme durch Engel und Teufel beizubehalten. Denn somit<br />

ist dafür gesorgt, dass die Geschichte von ganz allein reflexiven<br />

Charakter erhält, dass die Erzählung „durchdacht“ wird,<br />

dass Adjektive und Begriffe wie „überstürzt“, „orientierungslos“,<br />

„anhänglich“, überhaupt verwendet werden. 17 Und da nun einmal<br />

aller guten Dinge drei sind: Verteile, nach der „edlen Pflicht<br />

der Nacherzählung“ sowie der Kür, eine Faustiade zu verfassen,<br />

zum dritten noch die bereits vorbereiteten Faustzitate im Raum<br />

und lasse jede Kleingruppe drei solcher Zitate in ihren Anteil an<br />

der Gesamtrhapsodie (entweder in die Nacherzählung des Goethedramas<br />

oder in die eigene „Faustiade“) samt einem eigenen<br />

Kommentar, einer eigenen exemplarischen Kurzerzählung, einbauen.<br />

18 Transkribiere die über mehrere Wochen und Monate

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!