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Naturwissenschaftliche Erkenntnis und gesellschaftliche Interessen (II)

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Sprach- <strong>und</strong> Literaturwissenschaft 295<br />

<strong>und</strong> interpretiert. Quasthoff, die das Stereotyp in vier Klassen einteilt<br />

— „Gr<strong>und</strong>form": „Der Deutsche ist fleißig" (240) — stellt fest,<br />

daß sich gerade bei der Analyse der „interessantesten Stereotype",<br />

der „uneingestandenen" (274) — z.B. „Ich habe früher sehr nette<br />

Juden kennengelernt <strong>und</strong> auch sehr anständige Juden kennengelernt"<br />

(ebd.) — „die Erschließung der unausgesprochenen Voraussetzungen<br />

oder Folgerungen in vielen Fällen auf die Intuition stützen muß,<br />

ohne einen Regel- <strong>und</strong> Beschreibungsapparat zur Verfügung zu haben,<br />

der die einzelnen Probleme <strong>und</strong> ihr Verhältnis zueinander exakt<br />

zu erfassen in der Lage wäre" (278). Ebensowenig sieht sie, in einem<br />

kritischen Resümee, die linguistischen „Mittel zur adäquaten Erfassung<br />

der Oberflächenerscheinungen in der Vielfalt ihrer konkreten<br />

Realisierung . . . bereitgestellt . . . Eine syntaktische Analyse . . .<br />

erfüllt diese Bedürfnisse natürlich in keiner Weise. Eher wäre es ein<br />

Grenzbereich zwischen Linguistik <strong>und</strong> Stilistik, der sich dieses Problems<br />

anzunehmen hätte" (295).<br />

Uta Quasthoff geht es „um eine substantielle Erfassung des Gegenstandes<br />

. . . <strong>und</strong> nicht um eine Operationalisierung im sozialwissenschaftlichen<br />

Sinn" (20). Zugleich ist ihre Analyse streng auf die<br />

Auseinandersetzung mit dem Stereotyp in seiner wissenschaftlich<br />

fixierten Form beschränkt; „denn es ist leicht einsehbar, daß insbesondere<br />

dem Versuch, wissenschaftlichen Zugang zu einem Phänomen<br />

mit Hilfe neuer methodischer Ansätze zu finden, eine möglichst<br />

genaue Beschreibimg des Gegenstandes mit Hilfe traditioneller<br />

Kategorien vorausgehen muß" (30). Von der umgangssprachlichen<br />

Verwendung des Stereotyps, die es „zur Beschreibung monotoner,<br />

sinnentleerter Wiederholungen gebraucht", „sieht" sie ausdrücklich<br />

„ab", weil das „Moment der Wiederholung" für den sozialwissenschaftlichen<br />

Begriff „nicht mehr in gleicher Weise konstitutiv ist"<br />

(17). Ein Rückgriff auf diese von der Sozialwissenschaft abservierte<br />

Konnotation des Stereotypbegriffs hätte ihr bei dem Problem etwa<br />

des „small talk" (194) oder der .„Stereotypie bei Vorurteilsfreien'...<br />

(Adorno...)" (106) oder auch bei der Analyse des Zusammenhangs<br />

von harmlosen <strong>und</strong> gefährlichen Stereotypen möglicherweise von<br />

Nutzen sein können. Der im Begriff selbst gelegene Widerstand gegen<br />

seine ideologiekritische Aufdröselung zum historisch je anders<br />

bestimmten Einzelfall wäre durch diesen Rückgriff auf die dem<br />

Stereotyp zugr<strong>und</strong>eliegende Erfahrung der abhanden gekommenen<br />

Erfahrung stärker thematisiert worden. Ilse Bindseil (Berlin/West)<br />

Eykman, Christoph: D e n k - u n d S t i l f o r m e n d e s E x -<br />

pressionismus. A. Francke Verlag, München 1974 (192 S., br.,<br />

14,80 DM).<br />

Eykmans Untersuchungen zum literarischen Expressionismus, Einzelanalysen<br />

zu sieben verschiedenen Themenbereichen, erheben den<br />

Anspruch, „das gesamte dichterische wie nicht-dichterische Schrift-<br />

DAS A R G U M E N T 96/1976 ©

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