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Naturwissenschaftliche Erkenntnis und gesellschaftliche Interessen (II)

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216 Udo Schagen<br />

die allein die ambulante Versorgung der Bevölkerung tragen, trotz<br />

seiner offenk<strong>und</strong>igen Nachteile aufrechterhalten werden soll; im<br />

ambulanten Bereich werden ca. 95 % aller Kranken, die überhaupt<br />

einen Arzt aufsuchen, behandelt, im stationären Bereich die restlichen<br />

5 %>.<br />

Die Vorstellung vom sogenannten Basisarzt, der während seines<br />

Studiums lediglich die Gr<strong>und</strong>lagen für seine Ausbildung legen konnte,<br />

ist als Zielvorstellung für die Ausbildung dann unproblematisch,<br />

wenn ein Ges<strong>und</strong>heitssystem angestrebt wird, in dem der Arzt auch<br />

nach seinem Examen der ständigen Kontrolle durch das Team oder<br />

Kollektiv, dem er angehört, unterworfen ist. D. h., daß diese Art der<br />

Ausbildung einem System des Ges<strong>und</strong>heitswesens adäquat ist, in<br />

dem die ganze Krankenversorgung, nicht nur die stationäre, sondern<br />

auch die ambulante wie auch alle Maßnahmen der Prävention, Früherkennung,<br />

Rehabilitation <strong>und</strong> Nachsorge durch Gruppen von medizinischem<br />

Personal, in denen jeweils alle notwendigen Spezialisten<br />

vertreten sind, getragen wird. Dieser untrennbare Zusammenhang<br />

von Ausbildungszieldefinition <strong>und</strong> der Organisation des Ges<strong>und</strong>heitssystems<br />

scheint den meisten sich mit Ausbildungsfragen beschäftigenden<br />

Wissenschaftlern entgangen zu sein oder von ihnen<br />

verschwiegen zu werden 17 .<br />

So einleuchtend also zunächst die Forderung nach einer a priori-<br />

Definition des Ausbildungszieles ist, so selbstverständlich erscheint<br />

auch die Unmöglichkeit der Festschreibung, solange nicht das ihr<br />

übergeordnete Modell zukünftiger Ges<strong>und</strong>heitsversorgung formuliert<br />

ist. Dieses müßte als erste allgemeine Voraussetzung auf dem erreichten<br />

Stand der medizinischen Wissenschaft <strong>und</strong> der dazugehörigen<br />

Technik — beide in der allgemeinen Anwendung ohne kooperative<br />

Arbeit nicht denkbar — aufbauen. In direkter Abhängigkeit von<br />

dem erreichten Stand der Auseinandersetzungen zwischen den politischen<br />

Kräften, die das allgemeine Interesse an einer Verbesserung<br />

der Versorgung vertreten, <strong>und</strong> denjenigen, die ihr spezielles Interesse<br />

an der Gestaltung eines bestimmten Status, der nur ihnen nützt,<br />

muß die Realisierbarkeit eines solchen Modells gesehen werden. Eine<br />

weitere Voraussetzung wäre vor allem, daß die Gesellschaft der Ges<strong>und</strong>heitsversorgung<br />

mit Verbindlichkeit für alle <strong>und</strong> für einen langfristigen<br />

Zeitraum einen umfangmäßig bestimmten Platz in der<br />

Prioritätenliste ihrer Gesamtausgaben gibt. Eine solche Festlegung<br />

muß aber in einem staatlichen System, in dem sich letztlich jeweils<br />

blindwütig <strong>und</strong> zufällig die eben stärkste Gruppe der Produktionsmitteleigner<br />

mit ihren <strong>Interessen</strong> durchsetzt <strong>und</strong> sich offenbar vom<br />

17 S. z. B. Hans Uwe Feldmann: Integrierte Gesamthochschule —<br />

Stätte „kritischer Reflexion". Deutsches Ärzteblatt 70 (1973), Heft 11:<br />

703 f. — Thure von Uexküll: Das Problem der Ausbildung zum Arzt in<br />

der modernen Welt. Deutsches Ärzteblatt 68. Jg., 10/71, S. 710 f. — Jürgen<br />

Dahmer: Ausbildungsziel: Arzt, Stuttgart 1973, S. 3.<br />

DAS A R G U M E N T 96/1976 ©

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