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Naturwissenschaftliche Erkenntnis und gesellschaftliche Interessen (II)

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Geschichte 349<br />

nierten Staates zum eigentlichen Subjekt der Geschichte der Rechtfertigung<br />

durch negative Abgrenzung: den Begriff der Gesellschaft<br />

lehnt er für die <strong>Erkenntnis</strong> des von ihm behandelten Komplexes<br />

(wie „der Gegenwart" überhaupt) als unbrauchbar ab, bezeichnet ihn<br />

vielmehr als Ausdruck einer die „eigene Provinz zum Nabel der<br />

Welt erklärenden Auffassung", für welche „.Reformen' im <strong>gesellschaftliche</strong>n<br />

Bereich absoluten Vorrang vor Problemen der internationalen<br />

Politik <strong>und</strong> Sicherheit des Staates" hätten (164). Unter<br />

diesem Blickwinkel kann er den „Primat der Innenpolitik" als „wissenschaftliche<br />

Scheinlegitimation" abqualifizieren (ibid.) <strong>und</strong> entsprechend<br />

seinen von ihm nirgends präzis bestimmten Kategorien<br />

„Staat" <strong>und</strong> „Nation" den Rang zusprechen, die Instrumente historisch-wissenschaftlicher<br />

<strong>Erkenntnis</strong> zu sein. Konsequenterweise müssen<br />

die von ihm unter diese Kategorien subsumierten Fragen als um<br />

die „entscheidende Problematik der Nachkriegszeit" kreisend erscheinen<br />

(10).<br />

Weltpolitik, d. h. die jeweiligen Strategien <strong>und</strong> Gegenstrategien<br />

der Großmächte determinieren für Hillgruber mehr oder weniger<br />

absolut die <strong>gesellschaftliche</strong>n Bewegungen, die innenpolitische Geschichte<br />

der B<strong>und</strong>esrepublik <strong>und</strong> der DDR. So führte z. B. „die Umstellung<br />

von .Kaltem Krieg' auf ,Entspannung' in eine existenzgefährdende<br />

innere Krise" der B<strong>und</strong>esrepublik, „weil alles, was bisher<br />

seit ihrer Gründung gegolten hatte <strong>und</strong> somit zu der . . . Tradition'<br />

in der B<strong>und</strong>esrepublik gehörte . . . vielfach ins Gegenteil verkehrt<br />

werden mußte" (89). Existenzgefährdend insofern, als die<br />

neue Ostpolitik . . . die ohnehin schon zum Teil zusammengebrochenen<br />

antikommunistischen Positionen in der westdeutschen Innenpolitik<br />

noch weiter abbaute <strong>und</strong> „in der öffentlichen Meinung einer<br />

Verharmlosung des kommunistischen Systems . . . Tür <strong>und</strong> Tor"<br />

öffnete (165 f.).<br />

Tritt hier offener als sonst im Hillgruberschen Werk der Ideologiegehalt<br />

seiner Mächtekonstellations-Konzeption zutage, legen solche<br />

Stellen, an denen sie sich in Widersprüche verfangen muß <strong>und</strong><br />

deshalb aufgegeben wird, die politische Motivation des Verfassers<br />

bloß. Soll nämlich der SPD <strong>und</strong> FDP nachgewiesen werden, daß sie<br />

„unter dem Druck ihrer Jugendorganisationen . . . von dem . . .<br />

Gr<strong>und</strong>konsens aller auf dem Boden des Gr<strong>und</strong>gesetzes stehender<br />

Parteien . . . abrücken" (168), wäre dies nur unzureichend mit etwaigen<br />

Verschiebungen in der Konstellation der Großmächte erklärt.<br />

Vielmehr muß, im Gegensatz zur bisherigen „Analyse", für das Jahr<br />

1968 „eine bis dahin nicht gekannte Verschränkung von innen- <strong>und</strong><br />

außenpolitischen Problemen in der B<strong>und</strong>esrepublik" konstruiert<br />

werden. Denn aus den „Protestaktionen ,linker' Intelligenzler . . .<br />

hatte sich Mitte 1967 eine breite außerparlamentarische Oppositionsbewegung<br />

. . . formiert", welche „fast bürgerkriegsähnliche Verhältnisse"<br />

herstellte (108 f.) <strong>und</strong> damit den Auftakt zur „Aufweichung<br />

der innenpolitischen Haltung gegenüber dem Kommunismus" gab<br />

(166).<br />

DAS A R G U M E N T 96/1976 ©

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