Naturwissenschaftliche Erkenntnis und gesellschaftliche Interessen (II)

Zum Weltbild von Biologie-Schulbüchern 189
Darwin war sich dessen bewußt, daß er die Teleologie in der Biologie
vernichtet hatte. Jeder Biologe bemüht sich mittlerweile, seine
Sätze so zu konstruieren, daß „Ziele" und „Zwecke" ausgeklammert
sind. Doch in den Schulbüchern heißt es etwa: „Im Frühjahr braucht
der Baum viel Wasser, das Kambium erzeugt daher weite Gefäße"
(ebd., 21). Woher soll das Kambium wissen, daß der Baum Wasser
braucht? könnte der Schüler zu Recht fragen. Auch der Begriff
„zweckmäßig" ist selbst bei Lange u. a. nicht verbannt (76, 77). Den
Bemühungen in der Gefolgschaft Darwins zum Trotz wird sich auch
weiterhin in den Köpfen teleologisches Denken festsetzen, solange
nicht die „unerklärlichen Reste" getilgt und durch materialistische
Erklärungen ersetzt werden.
III. Funktion von Biologie in der Gesellschaft
Obwohl die Biologie in alle Lebensbereiche hineinragt, wird in
den Schulbüchern extrem wenig über das allgemeine Verhältnis von
Biologie und Gesellschaft gesagt. Weder die Rolle, die sie in der
Kriegsrüstung hat, noch die als Produktionskraft wird benannt.
Es wird kaum etwas über die Verantwortung des Biologen, geschweige
denn über seine Geldgeber und deren Motive gesagt. Die
Rolle der Biologie als Wissenschaft wird also nicht reflektiert. A n -
ders ist es mit den konkreten Auswirkungen, die bestimmte biologische
Entdeckungen nach sich zogen.
1. Biologie und Produktion
Bei Kruse/Stengel ist biologische Kenntnis von Nutzen für Wald,
Feld und Garten, in Andeutungen für die Hygiene. Der „Landmann"
wird bei Düngung und Schädlingsbekämpfung gezeigt. Es wird auf
Züchtung, Medizin und Umweltschutz eingegangen. Die Beispiele
von Garms bewegen sich in derselben Spanne. Bei Schmeil erfolgt
die Erörterung nur auf der Stufe „Die Bedeutung des Schweins für
den Menschen". Auf die Bedeutung bestimmter biologischer Erkenntnisse
für den Menschen wird nicht eingegangen. Ähnlich ist
dies bei Klett, P: „Kartoffelernte" (18), „In der Mühle", „Beim
Bäcker" (56 ff.), Steigerung der Hektarerträge (57), Arbeit des
Bauern (60), wirtschaftliche Bedeutung des Waldes mit Preisangabe
(102) und Düngung (111) sind die Themen. Die humanbiologischen
Bücher behandeln das Problem noch eingeschränkter. Bei Linder/
Hübler werden die biologischen Kenntnisse hauptsächlich in der Medizin
angewandt (V, 34, 154, 159). An einer Stelle wird sogar für den
Markt produziert („Berechne die Marktpreise der Nahrungsmittel",
39) und auf die Ernährung eingegangen (46 ff.). Im Klett, M, dagegen
sind die Beispiele vielfältiger. Die Bereiche umfassen: Ernährung,
Gesundheit, Arbeitsmedizin, Städteplanung, Psychologie. Am umfangreichsten
ist jedoch die Fülle von Beispielen, die bei Schmeil, Pk,
wiedergegeben sind. Die Schwerpunkte reichen weiter als Feld, Wald
und Wiesen, indem außer landwirtschaftlichen Erzeugnissen und
Gartenbau auch Zellulose- und Textilindustrie, Kautschukgewinnung,
Parfüm- und Seifenindustrie sowie Schädlingsbekämpfung be-
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