Naturwissenschaftliche Erkenntnis und gesellschaftliche Interessen (II)

Von der persönlichen Führung zur sozialistischen Kultur 273
hervorragenden Platz in der Geschichte. Diese Beiträge erfolgten auf
der Ebene der Taten, doch hat die kubanische Revolution mit ihrer
Praxis, ihren Initiativen und ihrem Beispiel auch die revolutionäre
Theorie bereichert.
Die kubanische Revolution hat es jedoch nicht von Anfang an verstanden,
auf dem Gebiet des Aufbaus des Sozialismus die reichen
Erfahrungen anderer Völker, die lange vor uns diesen Weg eingeschlagen
hatten, zu nutzen. Wenn wir bescheidener gewesen wären,
wenn wir uns nicht selbst überschätzt hätten, wenn wir fähig gewesen
wären zu begreifen, daß die revolutionäre Theorie in unserem
Lande noch nicht genügend entwickelt war und wir wirklich einen
zu großen Mangel an qualifizierten Ökonomen und Theoretikern des
Marxismus hatten, um den Anspruch erheben zu können, einen
wirklich bedeutenden Beitrag zu Theorie und Praxis des Sozialismus
zu leisten, dann hätten wir mit der Bescheidenheit, die eines Revolutionärs
würdig ist, mehr nach allem gesucht, was sich aus jenen
Quellen lernen und auf die konkreten Bedingungen unseres Landes
anwenden läßt.
Das hätte nicht — überhaupt nicht — bedeutet, auf eine klare
Analyse der besonderen Merkmale unserer Situation und unserer
Ökonomie zu verzichten, um jeweils das Nützliche anzuwenden und
das Nutzlose wegzuwerfen. Es wäre nicht um ein plattes Kopieren
gegangen, sondern um die richtige Anwendung vieler nützlicher Erfahrungen
auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Steuerung.
Der Marxismus-Leninismus ist letztendlich eine Wissenschaft, die
durch die Praxis der Völker, die den Sozialismus aufbauen, außerordentlich
bereichert worden ist. Wir kubanischen Revolutionäre
können dieses Erbe bereichern, aber wir können nicht ignorieren, was
andere beigetragen haben. Auch wenn unsere Bedingungen höchst
schwierig waren, zumal mit der Wirtschaftsblockade und der Unterentwicklung,
hätte die intelligente Nutzung jener Erfahrungen uns
sehr viel geholfen.
II.
Es erscheint nun so, als kämen einigen von uns für ihr Verhalten
besondere Verdienste zu; aber wir dürfen auch nicht einen einzigen
Augenblick lang vergessen, daß wir — eher als Menschen mit großen
Verdiensten — Menschen sind, denen Zufall und Geschichte ungeheure
Vorrechte eingeräumt haben. Wieviele haben während so
langer Zeit gekämpft — von Carlos Manuel de Céspedes, Agramonte,
Maceo, Marti bis Mella! Soviele Menschen, die kämpften, um das
Land eines Tages frei zu sehen, um ihre Träume erfüllt zu sehen •—
und historische Faktoren, furchtbare Gegenkräfte machten es unmöglich,
daß sie eines Tages ihre Anstrengungen von Erfolg gekrönt
sahen, daß sie eines Tages ihre Träume in Wirklichkeit verwandelt
sahen. Viele dieser Menschen konnten das Vaterland nicht frei sehen,
konnten nicht eines Tages das ganze Land geeint sehen, unabhängig,
souverän, revolutionär, demokratisch, gerecht und siegreich. Sie
konnten es nicht sehen — trotz ihrer außerordentlichen persönlichen
DAS A R G U M E N T 96/1976 ©