06.12.2012 Aufrufe

Naturwissenschaftliche Erkenntnis und gesellschaftliche Interessen (II)

Naturwissenschaftliche Erkenntnis und gesellschaftliche Interessen (II)

Naturwissenschaftliche Erkenntnis und gesellschaftliche Interessen (II)

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

358 Besprechungen<br />

Auf die dominierende Rolle des Eisenbergbaus für die Wirtschaft<br />

des Landes geht Schulze ausführlich ein. Er kennzeichnet im einzelnen<br />

die ausländischen Konzerne, die Herkunft ihres Kapitals <strong>und</strong><br />

schlüsselt die Einkünfte der Regierung aus Profitbeteiligungen <strong>und</strong><br />

Konzessionsgebühren auf; so wurden 1969/70 ca. 11 Tsd. liberianische<br />

<strong>und</strong> ausländische Arbeiter bei den vier großen Erzkonzernen<br />

beschäftigt, die damit ca. 10 °/o der gesamten Lohnempfänger Liberias<br />

ausmachten (90/91) <strong>und</strong> ca. 70 °/o des gesamten Exportwertes<br />

erarbeiten. Daten über die Beschäftigtenzahl, Sozial- <strong>und</strong> Lohnstruktur<br />

<strong>und</strong> Sozialeinrichtungen einzelner Konzerne sind angegeben.<br />

Ebenso ausführliches Material wird über die Kautschukwirtschaft<br />

geliefert, die sehr arbeitsintensiv ist <strong>und</strong> ca. 43 % der gesamten<br />

liberianischen Beschäftigten im Geldsektor umfaßt.<br />

Wie in allen Teilen des Buches fehlen in der Darstellung der wirtschaftlichen<br />

Situation des Landes Analysen der besonderen Form der<br />

Unterentwicklung in Liberia. Die Expansion des Kautschuk- <strong>und</strong><br />

Erzsektors wird nicht in Relation zu den durch die „open-door policy"<br />

(Konzessionsverträge der liberianischen Regierung mit ausländischen<br />

Konzernen bei freiem Profittransfer, Steuererleichterungen,<br />

billige Arbeitskräfte, zahme Gewerkschaften usw.) entgangenen Entwicklungsmöglichkeiten<br />

gesehen. Die Rolle des Staates als <strong>Interessen</strong>vertretung<br />

der ausländischen Konzerne wird nicht beleuchtet.<br />

Liberia hat sich den Weltmarktbedingungen ausgeliefert, hat sehr<br />

geringen Einfluß auf die Exportpreise <strong>und</strong> Nachfrageschwankungen<br />

<strong>und</strong> besitzt keine eigene Währung, da es sich „freiwillig" dem US-<br />

Dollar angeschlossen hat. Das alles klammert Schulze in seiner Darstellung<br />

aus. Er registriert — doch lange nicht alles —, fragt aber<br />

nicht nach den Ursachen.<br />

Auch in seiner relativ ausführlichen Darstellung der b<strong>und</strong>esdeutschen<br />

Entwicklungshilfe gelangt Schulze nicht über Aufzählungen<br />

hinaus. Kenner der Problematik der öffentlichen Entwicklungshilfe<br />

werden jedoch reiches Material zur Charakterisierung dieser „Hilfe"<br />

finden. Ein Beispiel: „Entsendung einer deutschen Forstmission zum<br />

Zwecke einer Inventur der Nationalforste" (323). Diese Inventur<br />

wurde als zurückzuzahlende „Hilfe" an den liberianischen Staat vergeben.<br />

Es entstand für Liberia daraus kaum Nutzen, denn bis heute<br />

existiert kein Sägewerk unter liberianischer Führung. Der gesamte<br />

Holzabbau wird von ausländischen Unternehmen betrieben, die den<br />

Staat an den Profiten beteiligen. Die Komplementarität von ausländischen<br />

Privatinvestitionen <strong>und</strong> öffentlicher Entwicklungshilfe ist in<br />

Liberia geradezu in Reinform anzutreffen.<br />

Der kritische Leser wird seinen — auch theoretischen — Nutzen<br />

aus den Informationen des Buches ziehen, wenn der Autor selbst<br />

auch weit davon entfernt ist, auf seinem Material eine geschichts<strong>und</strong><br />

sozialwissenschaftliche Analyse aufzubauen.<br />

Robert Kappel (Bremen)<br />

DAS A R G U M E N T 96/1976 ©

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!