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Naturwissenschaftliche Erkenntnis und gesellschaftliche Interessen (II)

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308 Besprechungen<br />

Heimatkunstbewegung", deren wichtigstes Merkmal — die Schriften<br />

eines Adolf Bartels geben darüber in eindeutiger Weise Auskunft —<br />

die antidemokratische Tendenz ist. In diese Phase fallen Löns „Wehrwolf",<br />

Frenssens „Jörn Uhl", die Romane der Ganghofer, Rosegger,<br />

Sohnrey, Bartels etc. Die dritte Phase schließlich interpretiert Zimmermann<br />

als Höhepunkt der in den beiden ersten Phasen angelegten<br />

Tendenzen. Aus eben diesem Gr<strong>und</strong>e setzt er den Beginn des völkischen<br />

Bauernromans nicht um 1933, sondern um 1919 an. Gegenüber<br />

der Tendenz manchen Beitrags zur Literatur des deutschen Faschismus,<br />

diese als Ausdruck des „Führerwillens" zu begreifen, kann<br />

Zimmermann so die Kontinuität der Bauernliteratur <strong>und</strong> ihrer<br />

Funktionen sichtbar machen: „So lassen sich zwei Hauptfunktionen<br />

der faschistischen Literatur ausmachen: Einmal sollte sie zur Verschleierung<br />

des Widerspruchs von antikapitalistischem Programm<br />

<strong>und</strong> prokapitalistischer Praxis der NSDAP beitragen, zum anderen<br />

hatte sie die ungebrochene Präsenz der Klassengegensätze zu verschleiern<br />

<strong>und</strong> die Illusion der harmonisierten Volksgemeinschaft zu<br />

fördern. Indem sie die Aufmerksamkeit von innenpolitischen Antagonismen<br />

ablenkte <strong>und</strong> auf ein nach außen verlagertes Feindbild<br />

richtete, diente sie der ,Mobilmachung der Massen wider ihre eigenen<br />

Bedürfnisse', was dem Interesse all jener Fraktionen <strong>und</strong> Schichten<br />

der deutschen Bourgeoisie entsprach, die von der erneuten Stabilisierung<br />

der kapitalistischen Produktionsverhältnisse profitierten"<br />

(153).<br />

Besonders wohltuend ist, daß Zimmermann nicht bei Spekulationen<br />

über die gesellschaftspolitische Funktion der Bauernepik stehenbleibt,<br />

sondern sie jeweils im Zusammenhang mit konkreten agrarpolitischen<br />

<strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong>n Entwicklungen interpretiert <strong>und</strong><br />

dabei seine Thesen nicht willkürlich anhand einzelner Romane, sondern<br />

vielmehr anhand ganzer Romangruppen belegt. Diese Arbeitsweise<br />

ermöglicht ihm manche aufschlußreiche Neuinterpretation. So<br />

stellt sich z. B. heraus, daß es zwischen dem Roman „Der Büttnerbauer"<br />

(1895) des ursprünglich vom Naturalismus her kommenden<br />

von Polenz <strong>und</strong> Romanen wie Roseggers „Jakob der Letzte" <strong>und</strong><br />

Moeschlins „Der Amerika-Johann" nicht nur strukturelle, sondern<br />

auch funktionale Parallelen gibt. In den drei Romanen wird der<br />

„Einbruch des mobilen Kapitals" in die Landwirtschaft beschrieben,<br />

also eine zunächst antikapitalistische Position eingenommen, die<br />

dann allerdings durch eine konservative, d. h. an vorindustriellen<br />

Verhältnissen orientierte Lösung zurückgenommen wird. Zimmermann<br />

kann so zeigen, daß von Polenz' Roman ausgesprochen restaurative<br />

Züge aufweist, während fast alle Abhandlungen über den<br />

Naturalismus ihm eine sozialdemokratische Tendenz andichten.<br />

Daß hier eine äußerst gründliche <strong>und</strong> theoretisch f<strong>und</strong>ierte Studie<br />

vorliegt, zeigt auch der zweite Teil des Buches, der manche These<br />

des ersten Teils statistisch abstützt <strong>und</strong> außerdem Auskunft gibt<br />

über Beruf, Herkunft <strong>und</strong> Produktion der Autoren. Schließlich findet<br />

sich dort auch eine nahezu vollständige Liste der zwischen 1837<br />

<strong>und</strong> 1964 veröffentlichten Bauernromane. Gerd Weyers (Amsterdam)<br />

DAS A R G U M E N T 96/1976 ©

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