06.12.2012 Aufrufe

Naturwissenschaftliche Erkenntnis und gesellschaftliche Interessen (II)

Naturwissenschaftliche Erkenntnis und gesellschaftliche Interessen (II)

Naturwissenschaftliche Erkenntnis und gesellschaftliche Interessen (II)

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Ist Intelligenz erblieh? 237<br />

jugend, zum 2. Bildungsweg, zum Begabtenabitur etc. führte 2 . Heute<br />

ist eine gegenläufige Tendenz (Arnold, 1973; Zimmer, 1974 <strong>und</strong> 1975;<br />

Schneewind, 1975; Eysenck, 1976) zu erkennen, z. B. verschärfte Auslese<br />

durch NC, Streichung von Bildungsinvestitionen. Zum einen<br />

wurde u. E. die Einschätzung der Bildungsreformer, die die vom Kapital<br />

geforderte veränderte Qualifikation mit breiter Höherqualifikation<br />

verwechselten, zurückgenommen, weil weniger Qualifizierte<br />

gebraucht werden. Zum anderen wurden der Bildungspolitik finanzielle<br />

Grenzen durch den Konjunkturzyklus gesetzt, der die b<strong>und</strong>esrepublikanische<br />

Wirtschaft in verschärfte Krisen führte. Auf diesem<br />

materiellen Hintergr<strong>und</strong> ist es verständlich, daß wieder häufiger die<br />

Erblichkeit der Intelligenz propagiert wird. Diese bildungspolitische<br />

Dimension wurde in den USA um eine weitergehende, rassistische<br />

Betrachtungsweise ergänzt. Während bei uns nämlich die nichtdeutschen<br />

Teile der industriellen Reservearmee, die Gastarbeiter, bei<br />

Arbeitslosigkeit des Landes verwiesen werden, verbleiben die arbeitslosen<br />

Neger, Puerto-Ricaner <strong>und</strong> Indianer in den Vereinigten<br />

Staaten. Ihre Isolierung <strong>und</strong> Diskriminierung, besonders die der Neger,<br />

erfährt eine angeblich naturgeschichtliche Rechtfertigung durch<br />

die Behauptung von der geringeren Intelligenz der Neger im Vergleich<br />

mit den Weißen.<br />

Bevor jedoch diese Argumente diskutiert werden, sei zunächst der<br />

Stellenwert derartiger Beweisführungen eingeschränkt. Ob heute<br />

z. B. bei angenommener 80 %iger Erblichkeit des IQ weitere bildungspolitische<br />

Innovationen vorgenommen werden sollen, ist eine<br />

Frage der Prioritäten des Staatshaushalts <strong>und</strong> nicht der Erblichkeit.<br />

Wer von der erblichen Determination statt von den realen Bedingungen<br />

redet, hat etwas zu verschleiern. Dies zu entschleiern ist<br />

jedoch nicht Gegenstand unseres Beitrages. Wir wollen vielmehr die<br />

aufgeführten biologischen Beweise hinterfragen, die ihnen zugr<strong>und</strong>e<br />

liegenden Modelle benennen <strong>und</strong> kritisch einschätzen.<br />

<strong>II</strong>. Intelligenz <strong>und</strong> IQ<br />

Bei der Frage nach der Erblichkeit der Intelligenz ist der Vergleich<br />

geistiger Fähigkeiten unterschiedlicher Rassen in verschiedenen oder<br />

gleichen Staaten <strong>und</strong> unterschiedlicher Klassen resp. Schichten innerhalb<br />

eines Landes von besonderem Interesse. Die Problematik, der<br />

sich die Psychologen hierbei ausgesetzt sehen, ist doppelter Natur.<br />

Zum einen sollen sie einen „kulturfreien" Test entwickeln, mit dem<br />

sie Intelligenz meßbar <strong>und</strong> mit anderen Stichproben vergleichbar<br />

machen können. Zum anderen <strong>und</strong> im Widerspruch hierzu hantieren<br />

2 Detaillierte Auseinandersetzungen zu diesem Thema sind wieder von<br />

Bedeutung, nachdem sowohl in bürgerlichen Untersuchungen als auch in<br />

Veröffentlichungen der DDR <strong>und</strong> in den Berliner „Texten zur Kritischen<br />

Psychologie" von der u. E. falschen Alternative „angeboren oder erlernt"<br />

ausgegangen wird.<br />

DAS A R G U M E N T 06/1976 ©

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!