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Naturwissenschaftliche Erkenntnis und gesellschaftliche Interessen (II)

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Computersysteme <strong>und</strong> menschliche Sprechtätigkeit 235<br />

Anstelle einer Forschungsweise, in der die analysierten Elemente der<br />

Eigenschaft des Ganzen entbehren, forderte Wygotsky eine „Analyse<br />

. . . , bei der das komplizierte einheitliche Ganze in Teileinheiten<br />

organisiert wird. Teileinheiten verfügen über alle Eigenschaften, die<br />

dem Ganzen eigen sind" 11 . Wenn dieser Gr<strong>und</strong>satz berücksichtigt<br />

wird, endet auch die Möglichkeit, von Einzelverbesserungen der<br />

Computersysteme eine Beseitigung des pathologischen Charakters<br />

im Mensch-Computer-Dialog zu erhoffen. Vorschläge zu Einzelverbesserungen<br />

reichen von einer verhaltensphysiologisch benutzergerechten<br />

Systemgestaltung über Motivationskomponenten, die zum<br />

Dialog anregen <strong>und</strong> die Aufmerksamkeit des Benutzers erhalten<br />

sollen, bis zu der Frage, in welcher Form etwa die soziale Kommunikationssituation<br />

auch bei Mensch-Maschine-Systemen simuliert<br />

werden könne 12 .<br />

Bei den gegenwärtigen Produktionsverhältnissen findet die Datenverarbeitung<br />

vornehmlich in Arbeitsprozessen Anwendung, deren<br />

Form <strong>und</strong> Inhalt nicht von den Arbeitskräften selbst bestimmt wurde.<br />

Das kann auch durch das eloquenteste Computersystem nicht<br />

beseitigt werden. Ein neuer Aspekt von „Entfremdung" tritt in<br />

immer breiterer Form im Arbeitsleben auf: Das Arbeitsmittel Computer<br />

fordert eine ungewohnte sprachliche Anpassung. Diese Anpassung<br />

wird jenen Schichten besondere Schwierigkeiten bereiten, die<br />

aufgr<strong>und</strong> ihrer schlechten ökonomischen Lage nur eine geringe<br />

Schulbildung erhalten haben. Sie werden in der Regel keinen Zugang<br />

zu derartigen Arbeitsplätzen haben.<br />

Dort, wo die Datenverarbeitung jedoch allgemein verfügbar ist<br />

(z.B. im computerunterstützten Unterricht, in Auskunftssystemen von<br />

Behörden), wird ein erheblicher Teil der Bevölkerung keinen Nutzen<br />

davon haben, auch wenn eine natürlichsprachliche Verwendung der<br />

Datenverarbeitung möglich ist. Solange es in einer Gesellschaft<br />

nämlich die Trennung von Kopf- <strong>und</strong> Handarbeit gibt, wird die<br />

daraus resultierende Ungleichheit der Sprechtätigkeit dazu führen,<br />

daß die Handarbeiter im Dialog mit Informations- <strong>und</strong> Problemlösungssystemen<br />

Mißerfolge erleiden.<br />

11 L. S. Wygotski, Denken <strong>und</strong> Sprechen, Berlin 1961, S. 39.<br />

12 W. Grau u. a., S. 12.<br />

DAS A R G U M E N T 96/1976 ©.

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