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Naturwissenschaftliche Erkenntnis und gesellschaftliche Interessen (II)

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330 Besprechungen<br />

Feststellung, daß Arbeiter im Vergleich zu Angestellten schlechter<br />

über Krankheiten informiert sind, der Ges<strong>und</strong>heitsversorgung skeptischer<br />

gegenüberstehen „<strong>und</strong> größere Schwierigkeiten bei der Internalisierung<br />

ihrer Krankenrolle haben" (137). Über die ökonomischen<br />

<strong>und</strong> sozialen Ursachen dieser „Schwierigkeiten" wird jedoch<br />

kein Wort verloren, es wird so getan, als handle es sich um Naturkonstanten,<br />

denen man, wie die Autoren versichern, mit „einfallsreicheren<br />

Lösungen" beikommen müsse. Eine Ausnahme bildet der<br />

Beitrag von zwei Mitherausgebern (Geißler, Thoma), die einen differenzierten<br />

Katalog sozialer Ursachen der Erkrankungen von Arbeitern<br />

erstellen <strong>und</strong> Ansätze zu einer Kritik des medizinsoziologischen<br />

Empirismus entwickeln.<br />

Der dritte Teil des Buches enthält neben den bekannten Thesen<br />

H. H. Hartwichs über die mittelständische Orientierung der b<strong>und</strong>esrepublikanischen<br />

Sozialpolitik einen Vergleich der europäischen Systeme<br />

sozialer Sicherheit (Dupeyroux). Der Autor glaubt optimistisch<br />

die Tendenz feststellen zu können, daß aus sozialer Sicherheit als<br />

einem Recht des Arbeitnehmers (Sozialleistungen auf Gr<strong>und</strong> einbehaltener<br />

Lohnanteile) allmählich überall ein Menschenrecht werde<br />

(Sozialleistungen für alle auch ohne vorherige Arbeit). Die Kämpfe<br />

der Arbeiterklasse, die bei der Durchsetzung von entsprechenden<br />

Forderungen immer von wesentlicher Bedeutung waren, bleiben unerwähnt.<br />

Den Entpolitisierungseffekt der Sozialversicherung thematisiert<br />

der Beitrag von J. C. Polack, der zeigt, daß die scheinbar<br />

autonome Selbstverwaltung der Sozialversicherungssysteme den<br />

Konflikt zwischen Ausbeutern <strong>und</strong> Proletariat verdeckt <strong>und</strong> ins<br />

Proletariat zurückverlagert. Dieser Widerspruch nimmt so die Form<br />

eines Konflikts zwischen Versorgungsanspruch des Individuums <strong>und</strong><br />

finanzieller Leistungsfähigkeit des Kollektivs der Sozialversicherten<br />

an (168).<br />

Der vierte Teil über die Zirkulation von Ges<strong>und</strong>heitsdiensten <strong>und</strong><br />

-waren wird durch einen Beitrag P. Herder-Dorneichs eröffnet, der<br />

die Krankenversicherung der BRD nach dem Modell ökonomischer<br />

Kreislauftheorien darstellt. Zwischen „Aggregaten" (Kassen, Ärzteverbänden,<br />

Versicherten) fließen Dienstleistungs- <strong>und</strong> Geldströme.<br />

Der Zweck solcher positivistischer Analyse liegt auf der Hand:<br />

„Versachlichung" des Lohnraubs zu „Umverteilungsströmen", von<br />

Konflikten <strong>und</strong> Kämpfen zu „Steuerungsmechanismen", Entpolitisierung<br />

des Bewußtseins der Versicherten. Die beiden folgenden<br />

Aufsätze über eine stärkere Integration von ambulanter <strong>und</strong> stationärer<br />

Krankenversorgung (S. Eichhorn) sowie über größere Transparenz<br />

des Arzneimittelmarktes (E. Liefmann-Keil) liegen politisch auf<br />

der gleichen Linie: Es geht darum jede politische oder ideologische<br />

Polarisierung zu vermeiden <strong>und</strong> sich zu bemühen, wertfrei zu<br />

diskutieren", um so „die freiheitliche Struktur des Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong><br />

Krankenhauswesens" zu erhalten (281).<br />

Die Aufsätze des letzten Teils über den ärztlichen <strong>und</strong> pflegerischen<br />

Arbeitsprozeß vermitteln eine korrekte soziologische <strong>und</strong><br />

DAS A R G U M E N T 96/1976 ©

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