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Naturwissenschaftliche Erkenntnis und gesellschaftliche Interessen (II)

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198 Holger Jeske<br />

War der Wissenschaftsprozeß durch den Einzelforscher bestimmt,<br />

wurde der Mensch als isoliertes Geisteswesen betrachtet, so zeigt sich<br />

hier in der Individualisierung die Fortsetzung. Die Schulbuchwirklichkeit<br />

steht damit diametral den Anforderungen des Westberliner<br />

Schulgesetzes entgegen, in dem es heißt:<br />

„Ziel muß die Heranbildung von Persönlichkeiten sein, welche<br />

fähig sind, die vollständige Umgestaltung der deutschen Lebensweise<br />

auf demokratischer <strong>und</strong> friedlicher Gr<strong>und</strong>lage zustande zu<br />

bringen" (§ 1).<br />

Statt zur Veränderung anzuleiten, wird so getan, als sei alles in<br />

Ordnung.<br />

„Die Industrien mußten bereits Milliardenbeträge investieren, um<br />

z. B. durch Einbau geeigneter Filteranlagen . . . einen wesentlichen<br />

Beitrag zur Reinhaltung der Luft zu leisten... Alle Maßnahmen<br />

haben das Ziel, dem Menschen eine ges<strong>und</strong>e Umwelt zu schaffen<br />

oder zu erhalten, die als die wichtigste Voraussetzung für seine<br />

Ges<strong>und</strong>erhaltung angesehen werden muß" (Lange u. a., <strong>II</strong>, 275).<br />

„Man hat deshalb die Industrie verpflichtet, wenigstens einen Teil<br />

des Wasserbedarfs aus den verschmutzten Flüssen zu decken, auch<br />

wenn dafür teure Kläranlagen notwendig sind. Außerdem fängt<br />

die Industrie gebrauchtes Wasser wieder auf, reinigt es <strong>und</strong> leitet<br />

es in den Produktionsprozeß zurück" (Klett, M, 174).<br />

Resümee: „Der Mensch" macht den Schmutz, die Industrie macht<br />

alles wieder sauber.<br />

V. Resümee<br />

Wie gezeigt wurde, wird mit einigen Ausnahmen weder auf die<br />

Materialität des Lebens überhaupt noch auf die Materialität der<br />

Entstehung des Lebens oder der biologischen Evolution, noch auf die<br />

Materialität der ontogenetischen Prozesse, der Differenzierung <strong>und</strong><br />

Ordnung lebender Systeme, noch auf die materiellen Gr<strong>und</strong>lagen<br />

von Denken, Trieben usw. eingegangen. Damit <strong>und</strong> mit dem Einfluß<br />

einer „Schöpferideologie" sind die Gr<strong>und</strong>voraussetzungen für das genannte<br />

System von Lernzielen nicht gegeben. Statt dessen schwingen<br />

alle möglichen Konzeptionen (vitalistische, mechanistische, religiöse<br />

usw.) mit, ohne daß sie weltanschaulich reflektiert <strong>und</strong> offen verteidigt<br />

würden.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der mangelnden Einführung von Gesetzmäßigkeiten<br />

wird nicht nur die <strong>Erkenntnis</strong> behindert, es werden zudem eindeutig<br />

agnostizistische, relativistische Positionen unterstützt. Damit sind<br />

aber die Voraussetzungen für das aktive Handeln der Schüler genommen.<br />

Das äußert sich in der Behandlung des Wissenschaftsprozesses<br />

als einer Folge von genialen Einfällen, in der Unterschlagung der<br />

Produktion <strong>und</strong> bei der harmonisierenden „versachlichenden" <strong>und</strong><br />

individualisierenden Behandlung der <strong>gesellschaftliche</strong>n Fragen.<br />

„Man versteht sich selbst auf dem Umweg über ... das Ergebnis<br />

seiner Arbeit... Bisher hat noch keine Gesellschaft die Arbeitswelt<br />

für alle ihre Mitglieder so gestalten können, daß ihnen Arbeit nicht<br />

nur eine Last, sondern ein Bedürfnis ist. Aber das sollte ihr Ziel<br />

sein" (Klett, M, 189 f.).<br />

DAS A R G U M E N T 96/1976 ©

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