06.12.2012 Aufrufe

Naturwissenschaftliche Erkenntnis und gesellschaftliche Interessen (II)

Naturwissenschaftliche Erkenntnis und gesellschaftliche Interessen (II)

Naturwissenschaftliche Erkenntnis und gesellschaftliche Interessen (II)

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Zum Weltbild von Biologie-Schulbüchern 183<br />

n. Methodische <strong>und</strong> fachwissenschaftliche Gesichtspunkte<br />

1. Strukturierung des Stoffs<br />

Eine der schwierigsten Aufgaben des Biologie-Unterrichts dürfte<br />

darin bestehen, dem Schüler klarzumachen, daß das Leben, auch<br />

ohne geschaffen worden zu sein, nach bestimmten Gesetzen entstanden<br />

ist, sich reproduziert <strong>und</strong> sich weiterentwickelt. Um dies zu<br />

erreichen, wäre es durchaus sinnvoll, zunächst bei der Formenvielfalt<br />

zu beginnen <strong>und</strong> sie nach <strong>und</strong> nach auf Gesetzmäßigkeiten zurückzuführen.<br />

Dazu müßte aber schon von Anfang an neben der<br />

Beschreibung der Vielfalt von Erscheinungen die Anleitung zur<br />

Verallgemeinerung stehen. Wie sieht es nun damit aus?<br />

„Hauskatzen werden etwa 40—50 cm lang <strong>und</strong> an der Schulter<br />

25 cm hoch, der Schwanz mißt 20—30 cm." Der Haush<strong>und</strong> „wird<br />

etwa 1 m lang <strong>und</strong> an der Schulter 60—70 cm hoch" (Klett, T, 12).<br />

Dieses Zitat ist durchaus typisch. Auch im Schmeil, bei Kruse/<br />

Stengel <strong>und</strong> bei Garms dominiert die Einzelbeschreibung gegenüber<br />

dem Vergleich. Die Tendenz zum Nebeneinanderstellen von Fakten<br />

zeigt sich auf anderen Gebieten ebenso. Stoffwechsel, Reizbarkeit,<br />

Bewegung <strong>und</strong> Reproduktion werden nacheinander in getrennten<br />

Kapiteln behandelt, bleiben additiv <strong>und</strong> machen letztendlich „Leben"<br />

aus. Selbst in zusammenfassenden Kapiteln werden nur Fakten<br />

aneinandergereiht :<br />

„Woher der Mensch mutmaßlich stammt. Die Vorstufen zum Menschen<br />

liegen im Tertiär, wo vor etwa 20 Millionen Jahren der Proconsul<br />

lebte, eine Art aus der Gruppe der Uraffenmenschen. Sie<br />

gelten als die gemeinsamen Vorfahren der Menschenaffen <strong>und</strong> Menschen.<br />

Links (Abb M/74) führt der .Affenstamm' (blaue Linie) zu<br />

dem Menschenaffen. Die rechte Abzweigung steigt stufenweise zum<br />

Jetztmenschen auf. In einem ,Tier-Mensch-Übergangsfeld' (gelborange)<br />

trennte sich der Stamm der Menschen vom Tierreich. Die<br />

Formen des Menschenstammes (rot) lernten im Verlauf von r<strong>und</strong><br />

10 Millionen Jahren, aufrecht zu gehen..." (Garms, 74).<br />

Diese Darstellung, die am ehesten einer Verkehrsdurchsage der<br />

Polizei ähnelt, ist sicherlich nicht dazu angetan, das Verständnis dafür<br />

zu schärfen, wie aufgr<strong>und</strong> der Veränderungen der Eigenschaften<br />

des Tieres <strong>und</strong> deren Wirkungsgefüge letztlich der Mensch entstand.<br />

Von dieser Art des Vorgehens unterscheiden sich im wesentlichen<br />

nur Klett, M, <strong>und</strong> die beiden Bände von Lange u. a. Bei Lange u. a.<br />

wird ein größeres Maß an Struktur dadurch vorgegeben, daß von<br />

Biotopen ausgegangen wird <strong>und</strong> Eigenschaften von Tieren <strong>und</strong> Pflanzen<br />

auf die Umwelt bezogen werden. Dementsprechend werden ökologische<br />

Fragen in ihrem Zusammenhang mit Verhaltensforschung<br />

<strong>und</strong> Entwicklungsbiologie gesehen <strong>und</strong> letztlich zur Evolutionstheorie<br />

verdichtet. Welch andersartige Darstellung der Realschüler gegenüber<br />

dem Volksschüler (Garms) erhält, soll folgendes Beispiel aus<br />

der Evolution des Pferdes zeigen:<br />

„Die bisher dem Wald angepaßten Laubfresser sind dem im Oligozän<br />

<strong>und</strong> Miozän auftretenden Grasfressern der Steppe unter-<br />

DAS A R G U M E N T 96/1976 ©

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!