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CHEMIEREPORT.AT 1/2016 AUSTRAIN LIFE SCIENCES Österreichs Magazin für Chemie, Life Sciences und Materialwissenschaften
CHEMIEREPORT.AT 1/2016
AUSTRAIN LIFE SCIENCES
Österreichs Magazin für Chemie, Life Sciences und Materialwissenschaften
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© Vera Kuttelvaserova – Fotolia<br />
Tierversuche<br />
Licht und Schatten<br />
Die Tierversuchs-Kriterienkatalog-Verordnung hat ihre<br />
Eigenheiten, ist aber jedenfalls ein Fortschritt, konstatieren<br />
Experten.<br />
Ein Rattenschwanz an Bürokratie:<br />
Das Aufwand-Nutzen-Verhältnis<br />
der TVKKV ist noch immer nicht<br />
optimal.<br />
Pragmatisch betrachtet wird die Tierversuchs-Kriterienkatalog-Verordnung<br />
(TVKKV) vom Fachverband der Chemischen<br />
Industrie Österreichs (FCIO). Laut<br />
Franz Latzko, dem zuständigen Fachreferenten<br />
für Forschungsangelegenheiten und<br />
der Sektorgruppe Pharmazeutische Industrie<br />
im FCIO, bringt die Verordnung einige positive<br />
Neuerungen. Sinnvoll sei beispielsweise<br />
die Prüfung von Projekten durch unabhängige<br />
Sachverständige oder in manchen Fällen<br />
durch eine beim Wissenschaftsministerium<br />
(BMWFW) eingerichtete Kommission, die<br />
jeden Antrag samt Schaden-Nutzen-Analyse<br />
überprüft und dem Ministerium eine Empfehlung<br />
abgeben soll: „Das geht sicher in die<br />
richtige Richtung.“ Die Entscheidung über<br />
jeden Antrag liegt weiterhin bei der Behörde.<br />
Jedenfalls ist aber sichergestellt, dass in Österreich<br />
die Anträge auf Durchführung von<br />
Tierversuchen umfassend geprüft werden.<br />
Als positiv bezeichnet Latzko auch, dass nun<br />
ein in allen Bundesländern einheitliches<br />
Formular zur Beantragung von Tierversuchen<br />
verfügbar ist. Das trage zumindest zur<br />
Vereinheitlichung der Entscheidungsgrundlagen<br />
bei. Ein weiterer begrüßenswerter<br />
Punkt ist nach Ansicht Latzkos: Wie schon<br />
im Begutachtungsentwurf vorgesehen,<br />
werden regulatorisch vorgeschriebene Tierversuche<br />
von der Schaden-Nutzen-Analyse<br />
ausgenommen.<br />
Die betroffenen Forscher sprechen sich ihm<br />
zufolge jedenfalls für ein Minimum an bürokratischer<br />
Zusatzbelastung aus. Ohnehin<br />
beträgt der Einsatz von Finanzmitteln für die<br />
Overheads (= zumeist Antrags- und Abwicklungsbürokratie)<br />
bei wissenschaftlichen Projekten<br />
oft schon 15 Prozent der Projektsumme,<br />
berichtet Latzko: „In leitenden<br />
Positionen verbringen Gruppenleiter bereits<br />
90 Prozent ihrer Zeit für die Bewältigung des<br />
bürokratischen Aufwandes zur Durchführung<br />
dieser Projekte. Angesichts der aktuellen<br />
Entwicklung bei den Forschungsbudgets<br />
sollten Reibungsverluste jedenfalls<br />
vermieden werden.“<br />
Grundsätzlich wurde seitens des BMWFW<br />
laut Latzko bei der Schaden-Nutzen-Bewertung<br />
von Tierversuchen der richtige Weg<br />
eingeschlagen. Der Verordnung zufolge<br />
müssen Nutzenkriterien wie die Wahrscheinlichkeit<br />
des Erfolgs eines Versuchs vor der<br />
Durchführung des Projekts als „hoch“,<br />
„mittel“ oder „niedrig“ eingeschätzt werden.<br />
Freilich bringe diese Einschätzung nicht zu<br />
unterschätzende Herausforderungen für den<br />
jeweiligen Antragsteller mit sich. Doch die<br />
Frage nach möglichen Alternativen lasse sich<br />
nur schwer beantworten, bedauert Latzko.<br />
Jedenfalls sind ihm zufolge weitere Forschungsanstrengungen<br />
notwendig, um Tierversuche<br />
langfristig überflüssig zu machen.<br />
Schon jetzt zur Gänze auf sie zu verzichten,<br />
wäre im Sinne der Sicherheit von Arzneimitteln<br />
für Menschen schwerlich zu verantworten,<br />
gibt Latzko zu bedenken.<br />
Zusätzliche Unterstützung<br />
Ähnlich argumentiert der Pharmaindustrieverband<br />
Pharmig. Generalsekretär Jan Oliver<br />
Huber bezeichnet die Verordnung als „zusätzliche<br />
Unterstützung für die Behörde, die<br />
über die Genehmigung von Tierversuchen<br />
entscheidet. Sie schafft eine noch höhere<br />
Nachvollziehbarkeit und Dokumentation<br />
der Beurteilung“. Huber zufolge benötigt die<br />
Branche „vernünftige Rahmenbedingungen<br />
für die Durchführung von Forschungsprojekten.<br />
Der Kriterienkatalog in seiner jetzigen<br />
Form ist ein wichtiger Beitrag dazu“.<br />
Und Huber ergänzte: „Bei der Entwicklung<br />
neuer Arzneimittel sind Tierversuche gesetzlich<br />
vorgeschrieben. Die forschenden Einrichtungen<br />
gehen dabei grundsätzlich nach<br />
dem Prinzip Vermeiden – Vermindern –<br />
Verbessern vor, um den Schaden für die<br />
Tiere so gering wie möglich zu halten. Zudem<br />
gibt es verstärkt Forschungsprojekte, die<br />
die Entwicklung von Alternativen zu Tierversuchen<br />
vorantreiben.“ <br />
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