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CHEMIEREPORT.AT 1/2016 AUSTRAIN LIFE SCIENCES Österreichs Magazin für Chemie, Life Sciences und Materialwissenschaften
CHEMIEREPORT.AT 1/2016
AUSTRAIN LIFE SCIENCES
Österreichs Magazin für Chemie, Life Sciences und Materialwissenschaften
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MÄRKTE & MANAGEMENT<br />
Patentrecht<br />
Haftung der Tochter für Umsatz<br />
der Mutter bei Patentverletzung<br />
Die österreichische Tochtergesellschaft haftet bei Patentverletzung für den Umsatz der ausländischen<br />
Muttergesellschaft<br />
<br />
Ein Beitrag von Rainer Schultes<br />
© dirkkoebernik – Fotolia<br />
Nach einer Patentverletzung hat der Verletzte<br />
Anspruch auf angemessenes Entgelt.<br />
Dieses bemisst sich in der Regel so wie<br />
eine Lizenzgebühr. Mehrere Personen haften<br />
dabei solidarisch, soweit gegen sie „derselbe“<br />
Anspruch in Geld besteht. Im Fall zur<br />
Entscheidung 4Ob3/15t des OGH vom<br />
22. 9. 2015 war die österreichische Tochter<br />
einer Schweizer AG beklagt. Sie war im Konzern<br />
für die Produktion eines Blutgerinnungsmittels<br />
zuständig und erhielt dafür von<br />
der Mutter ein Entgelt von 133.197 Euro.<br />
Die Auslieferung an Kunden in Österreich<br />
und im Ausland erfolgte durch die österreichische<br />
Tochter, Preisgestaltung und Fakturierung<br />
aber – jedenfalls für die ausländischen<br />
Kunden – durch die Schweizer Muttergesellschaft.<br />
Das Herstellungsverfahren erwies sich<br />
als patentverletzend und die beklagte Tochter<br />
wurde zur Zahlung von 359.913,30 Euro<br />
verurteilt. Das entspricht einem Prozent des<br />
Nettoumsatzes von Mutter und Tochter zusammen,<br />
also mehr als die Tochter von der<br />
Mutter für die Herstellung des Blutgerinnungsmittels<br />
bekommen hat.<br />
Auf den Nutzen kommt es an<br />
Der Oberste Gerichtshof bestätigte diese<br />
Rechnung: Er erklärte, dass Schuldner des<br />
Anspruchs derjenige ist, der durch den Eingriff<br />
in das Patent einen Nutzen gezogen hat.<br />
Die Höhe der Vergütung entspricht dabei<br />
dem Wert der Nutzung des Patents, also in<br />
der Regel eben einem angemessenen Lizenzentgelt.<br />
Dabei ist der Patentinhaber so zu<br />
stellen, als hätte er dem Verletzer die Nutzung<br />
des unbefugt verwendeten Patents<br />
durch Vertrag eingeräumt und dafür ein Entgelt<br />
vereinbart. Ob der Verletzer selbst mit<br />
Verlust oder Gewinn gearbeitet hat, ist dabei<br />
ohne Bedeutung.<br />
Grundsätzlich dient ein Lizenzentgelt der Abgeltung<br />
aller Nutzungsarten (Herstellung,<br />
Vertrieb, Gebrauch) und ist daher für jeden<br />
Eingriffsgegenstand nur einmal zu entrichten.<br />
Mehrere Verletzer haften solidarisch, also gemeinsam<br />
– auch bei fahrlässiger Nebentäterschaft<br />
und abgrenzbaren Kausalbeiträgen. Ein<br />
vernünftiger Rechteinhaber würde einen Patenteingriff<br />
durch ein von vornherein geplantes<br />
und ihm redlicherweise offengelegtes<br />
Zusammenwirken mehrerer Unternehmen<br />
nur gestatten, wenn ihm mit dem Lizenzentgelt<br />
die gesamte Nutzung abgegolten würde.<br />
Er würde aber das Zusammenwirken dieser<br />
Unternehmen keinesfalls dulden, wenn nur<br />
eines davon – unter Hinweis auf seinen konkreten<br />
Anteil an der Nutzung – einen Teil des<br />
insgesamt angemessenen Entgelts bezahlte<br />
und die anderen eine Zahlung überhaupt verweigerten.<br />
In diesem Fall könnte er von jedem<br />
der Unternehmen fordern, entweder dafür zu<br />
sorgen, dass auch die anderen den auf sie entfallenden<br />
Teil leisteten, oder aber selbst das<br />
gesamte Entgelt zu zahlen und sich dann einen<br />
entsprechenden Teil von den anderen<br />
zurückzuholen. Nach einer Patentverletzung<br />
ist daher eine Haftung jedes einzelnen Unternehmens<br />
für das gesamte Entgelt anzunehmen:<br />
Der Patentinhaber kann sich nämlich<br />
redlicherweise auf den Standpunkt stellen, er<br />
hätte jedem Unternehmen den jeweiligen Eingriff<br />
nur dann gestattet, wenn dieses Unternehmen<br />
zur Zahlung des gesamten Lizenzentgelts<br />
bereit gewesen wäre oder zumindest für<br />
diese Zahlung gesorgt hätte.<br />
Damit ist jedes Unternehmen durch die unterbliebene<br />
Zahlung des gesamten Entgelts<br />
bereichert. Sie haften für die gesamte Summe<br />
solidarisch. Eine Aufteilung nach Teilen erfolgt<br />
nur im Innenverhältnis. Dass der Umsatz<br />
der Schweizer Mutter im patentfreien<br />
Ausland erzielt wurde, änderte im Anlassfall<br />
nichts an der Pflicht zur Zahlung des Entgelts<br />
auch für jenen Umsatz.<br />
Übrigens: Angesichts der durchschnittlichen<br />
Lizenzgebühr von 5,6 Prozent für Blutgerinnungsfaktoren<br />
(im Jahr 2012) könnte die<br />
festgesetzte Lizenz von einem Prozent gering<br />
erscheinen. Der OGH setzte sich auch damit<br />
auseinander.<br />
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