web_Chemiereport_1_16
CHEMIEREPORT.AT 1/2016 AUSTRAIN LIFE SCIENCES Österreichs Magazin für Chemie, Life Sciences und Materialwissenschaften
CHEMIEREPORT.AT 1/2016
AUSTRAIN LIFE SCIENCES
Österreichs Magazin für Chemie, Life Sciences und Materialwissenschaften
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
WISSENSCHAFT & FORSCHUNG<br />
Bilanz des CD-Labors für Moderne Cellulosechemie<br />
Was genau ist<br />
drin im Holz?<br />
Thomas Rosenau und Antje Potthast blicken<br />
auf die Ergebnisse eines von ihnen<br />
gemeinsam geleiteten CD-Labors zurück,<br />
das sich mit der Chemie der Cellulose<br />
beschäftigt hat. Mit der Analyse von Lignin<br />
hat sich ein neues Forschungsfeld aufgetan.<br />
Cellulose und Lignin sind die Hauptbestandteile von Holz.<br />
© Gresei – Fotolia<br />
Um Produkte der holz- und papierverarbeitenden<br />
Industrie in immer spezifischeren<br />
Anwendungen voranzutreiben, sind<br />
Detailkenntnisse der molekularen Struktur<br />
des Hauptbestandteils von Holz, der Cellulose,<br />
erforderlich, die vielfach nicht vorhanden<br />
sind. Hier Licht ins Dunkel zu bringen, war<br />
das Ziel des von Thomas Rosenau und Antje<br />
Potthast geleiteten CD-Labors für Moderne<br />
Cellulosechemie und -analytik. Die reguläre<br />
Laufzeit des am Department für Chemie der<br />
Universität für Bodenkultur angesiedelten Labors<br />
endete vergangenen Sommer, bis August<br />
20<strong>16</strong> währt nun die Auslaufphase, in der bereits<br />
angefangene Dissertation fertiggestellt<br />
werden können – Zeit, Rückschau auf das im<br />
CD-Labor Erreichte zu halten.<br />
„Wichtige Parameter zur Beschreibung von<br />
Cellulose sind die Molgewichtsverteilung und<br />
die genaue Zahl und Lage der oxidierten<br />
Gruppen“, erklärt Potthast. Diese zu bestimmen<br />
ist im Gegensatz zu anderen Polymeren<br />
aufgrund der schlechten Löslichkeit der Cellulose<br />
nicht einfach. Doch bei der Lösung<br />
dieser Aufgaben musste man nicht bei null<br />
beginnen. Schon in einem Vorgänger-CD-<br />
Labor, das von Paul Kosma geleitet wurde,<br />
konnten fluoreszenzanalytische Methoden<br />
etabliert werden, die nun weiterentwickelt<br />
wurden und eine breite Anwendung fanden.<br />
„Viele Unternehmen haben eine gut ausgebaute<br />
Produktentwicklung können sich aber<br />
keine eigene Grundlagenforschung leisten“,<br />
erzählt Rosenau. Aus diesem Grund unterstützten<br />
während der siebenjährigen Laufzeit<br />
bis zu elf Industriepartner das CD-Labor. Der<br />
wissenschaftliche Output war dabei hoch:<br />
Mehr als 60 Publikationen in wissenschaftlichen<br />
Zeitschriften wurden veröffentlicht, bis<br />
zu 20 Mitarbeiter fanden Beschäftigung. Zusätzlich<br />
konnte man zwei der höchsten internationalen<br />
wissenschaftlichen Auszeichnungen<br />
auf dem Cellulosegebiet und den<br />
renommierten Houska-Förderpreis für wirtschaftsnahe<br />
Forschung ergattern.<br />
Von der Struktur zur Funktion<br />
Dass sich die Kooperation auch für die Firmenpartner<br />
gelohnt hat, zeigt sich an mehreren<br />
Beispielen: Lohmann & Rauscher, ein<br />
Hersteller von Wundverbandmaterialien,<br />
war daran interessiert, Produkte zu entwickeln,<br />
die nicht mit der Wunde verkleben<br />
und der oft problematischen Geruchsentwicklung<br />
entgegenwirken. „Lösungen für<br />
beide Probleme sollen bald in Produktion<br />
gehen – und wir haben fünf Publikationen<br />
zur dahinterstehenden Chemie veröffentlicht“,<br />
erzählt Rosenau von der eingetretenen<br />
Win-win-Situation. Kemira wiederum<br />
konnte herkömmliche, aus Erdöl hergestellte<br />
Papierleimungsmittel durch Ölsäuren aus<br />
Sonnenblumenölen ersetzen. „Diese Verbindungen<br />
sind von der Qualität gleichwertig,<br />
führen im Produktionsprozess aber zu weniger<br />
Niederschlägen von Salzen, was einen<br />
zusätzlichen Vorteil darstellt.“ In einem Projekt<br />
mit der Lenzing AG ging es darum, das<br />
organische Material, das sich beim Herstellen<br />
von Viskosefasern im Spinnbad sammelt, zu<br />
analysieren, um sie für nachfolgende Verwertungen<br />
oder aber auch für die Abwasserreinigung<br />
zu charakterisieren.<br />
Zukunftsthema Lignin<br />
Während der Laufzeit des CD-Labors hat sich<br />
parallel zur Arbeit an der Cellulose ein anderes<br />
Forschungsgebiet mit hoher Bedeutung für<br />
die Papierindustrie aufgetan: „Viele Unternehmen<br />
wollen verstärkt nicht nur die Cellulose,<br />
sondern auch die anderen Bestandteile<br />
des Holzes, allen voran das Lignin, nutzen“, so<br />
Rosenau. Doch bevor an mögliche Produkte<br />
aus dem bisherigen Reststoff zu denken ist,<br />
muss zunächst chemisch charakterisiert werden,<br />
was man dabei überhaupt vor sich hat.<br />
Zu diesem Zweck hat sich das K-Projekt<br />
„FLIPPR“ (Future Lignin and Pulp Processing<br />
Research) formiert, in dem die Abteilung<br />
für Chemie nachwachsender Rohstoffe als<br />
Partner für die chemischen Grundlagen fungiert.<br />
Rosenau und Potthast sehen diesen<br />
Schritt auch als interne Weiterentwicklung:<br />
„Wir haben uns jetzt viele Jahre mit der Cellulose<br />
beschäftigt, da war es sinnvoll, diesen<br />
Schritt der Erweiterung zu gehen.“ z<br />
chemiereport.at AustrianLifeSciences 1/20<strong>16</strong> | 61