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CHEMIEREPORT.AT 1/2016 AUSTRAIN LIFE SCIENCES Österreichs Magazin für Chemie, Life Sciences und Materialwissenschaften
CHEMIEREPORT.AT 1/2016
AUSTRAIN LIFE SCIENCES
Österreichs Magazin für Chemie, Life Sciences und Materialwissenschaften
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LIFE SCIENCES<br />
© absolutimages – Fotolia.com<br />
In der Pipeline (1)<br />
Seltene Blasenerkrankung<br />
Interstitielle Cystitis ist eine schwere,<br />
chronische Blasenerkrankung, die mit<br />
durchschnittlich weniger als zwei Patienten<br />
pro 10.000 Einwohner zu den Seltenen<br />
Erkrankungen (Orphan Diseases)<br />
zählt. Als Ursache der Krankheit gilt eine<br />
Schädigung der Blasenschleimhaut, von<br />
der vor allem die Glykosaminoglykan-<br />
Schicht betroffen ist. Die Schutzfunktion<br />
dieser Schicht ist herabgesetzt, sodass toxische<br />
Harnbestandteile in tiefere Ge<strong>web</strong>eschichten<br />
vordringen und Reizungen<br />
und Entzündungen hervorrufen können.<br />
Als Standardtherapie ist in europäischen<br />
und amerikanischen Leitlinien für Ärzte<br />
der Wirkstoff Pentosanpolysulfat (PPS)<br />
angegeben. Die Wirkung von PPS beruht<br />
auf seiner strukturellen Ähnlichkeit zu den<br />
Glykosaminoglykanen, die ermöglicht,<br />
die geschädigte Schleimhautschicht wieder<br />
aufzubauen und so weiteres Eindringen<br />
schädigender Substanzen zu verhindern.<br />
Darüber hinaus unterstützt PPS die<br />
Hemmung der Ausschüttung des Ge<strong>web</strong>ehormons<br />
Histamin und führt so zur<br />
Reduktion von Entzündungen als Begleiterscheinung<br />
der Erkrankung.<br />
Weltweit einziger Produzent von PPS ist<br />
die Firma Bene PharmaChem, Schwesterfirma<br />
des Münchner Familienunternehmens<br />
Bene Arzneimittel, das auf Medikamente<br />
für Kinder spezialisiert ist. Nun<br />
hat Bene erreicht, dass PPS von der europäischen<br />
Arzneimittelbehörde als „Orphan<br />
Drug“ für Interstitielle Cystitis registriert<br />
wurde. Ein solcher Status bedeutet<br />
für das Unternehmen zehnjährige Exklusivrechte<br />
ab Marktzulassung des Medikaments<br />
sowie die Befreiung von Gebühren<br />
und eine beschleunigte Bearbeitung des<br />
Zulassungsantrags. PPS wird auch zur Behandlung<br />
von Durchblutungsstörungen<br />
und anderen urologischen Erkrankungen<br />
eingesetzt. z<br />
Interstitielle Cystitis verursacht meist starke<br />
Schmerzen im Unterbauch der betroffenen<br />
Patienten.<br />
In der Pipeline (2)<br />
Langfristige Hepatitis-<br />
B-Therapie<br />
Das US-Biopharma-Unternehmen Gilead<br />
Science ist im vergangenen Jahr<br />
vor allem durch Diskussion um das Medikament<br />
Sofosbuvir (Handelsname Sovaldi) in<br />
die Schlagzeilen geraten. Das Präparat wird<br />
als Durchbruch in der Hepatitis- C-Therapie<br />
bezeichnet, vielfach werden aber die hohen<br />
Kosten, zu denen es am Markt angeboten<br />
wird, kritisiert. Nun hat man Phase-III-<br />
Ergebnisse zu Tenofovir Alafenamid (TAF),<br />
einem antiviralen Therapeutikum gegen<br />
Hepatitis B, veröffentlicht. In zwei Studien<br />
wurde einmal täglich verabreichtes TAF (25<br />
mg) an nicht vorbehandelten und an vorbehandelten<br />
Erwachsenen mit HBeAg-negativer<br />
und HBeAg-positiver chronischer<br />
Hepatitis-B-Virusinfektion mit dem zugelassenen<br />
Medikament Tenofovirdisoproxilfumarat<br />
(„Viread“) verglichen. Dabei zeigte<br />
sich, dass TAF nach 48-wöchiger Behandlung<br />
nicht unterlegen war und darüber hinaus<br />
verbesserte Nieren- und Knochen-Laborsicherheitsparameter<br />
zeigte.<br />
Gilead Sciences zielt mit der Entwicklung von<br />
TAF auf eine nebenwirkungsärmere Behandlung<br />
von Hepatitis B ab.<br />
In beiden Studien verzeichneten Patienten, die<br />
TAF erhielten, verglichen mit den Patienten,<br />
die Viread erhielten, einen zwischen Studienbeginn<br />
und Woche 48 signifikant geringeren<br />
durchschnittlichen Rückgang der Knochenmineraldichte<br />
an Hüfte und Wirbelsäule. Bei den<br />
Patienten einer der Studien wurde ein geringerer<br />
Anstieg des Serumkreatininwertes<br />
beobachtet. Darüber hinaus fiel die durchschnittliche<br />
Veränderung der geschätzten glomerulären<br />
Filtrationsrate (eGFR) zwischen<br />
Studienbeginn und Woche 48 in beiden Studien<br />
zugunsten von TAF aus. Gilead Sciences<br />
sieht damit die Möglichkeit gegeben, eine<br />
langfristige Behandlung von chronischer Hepatitis<br />
B voranzubringen. Abbrüche aufgrund<br />
unerwünschter Ereignisse waren in beiden Behandlungsarmen<br />
selten. Am häufigsten wurde<br />
in beiden Studien über Kopfschmerzen, Infektionen<br />
der oberen Atemwege, Nasopharyngitis<br />
und Husten berichtet. Die Symptome traten<br />
sowohl im TAF-Arm als auch im Viread-Arm<br />
der Studien auf. <br />
z<br />
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