SOCIETY 368 / 2015
Nr. 368 I Nr. 2 - 2015
Nr. 368 I Nr. 2 - 2015
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FOTO: LANSKY, GANZGER + PARTNER<br />
Recht auf Asyl<br />
Die EU-Asylpolitik der Zuständigkeit des Ersteinreisestaates<br />
kann auf Dauer nicht funktionieren.<br />
In welche Richtung bewegt sich die EU?<br />
TEXT: RONALD EPPEL<br />
Das Thema Asyl beherrscht seit Monaten<br />
die Medien. Kein Tag vergeht, an<br />
dem nicht über neue Entwicklungen<br />
rechtlicher oder faktischer Natur berichtet<br />
wird. Dabei bestehen höchst<br />
kontroversielle Sicht- und Vorgehensweisen. Während<br />
sich Ungarn im Sommer weitgehend weigerte,<br />
Anträge von AsylwerberInnen entgegenzunehmen<br />
und die Asylverfahren zu führen, setzte<br />
Deutschland Ende August <strong>2015</strong> das sogenannte<br />
Dublin-Verfahren für syrische Staatsangehörige<br />
aus und „übernahm“ damit zahlreiche Asylverfahren,<br />
die gemäß der „Dublin-III-Verordnung“ von<br />
anderen EU-Staaten geführt hätten werden müssen.<br />
Laut „Dublin-III-Verordnung“ ist nämlich (in<br />
der Regel) jener Mitgliedstaat für das Asylverfahren<br />
(und daher die AsylwerberInnen) zuständig, in<br />
dem der/die AsylwerberIn erstmals die EU betritt<br />
(was – bereits durch die Lage bedingt – selten auf<br />
Deutschland zutrifft).<br />
AsylwerberInnen wurden fortan von Ungarn<br />
durch Österreich nach Deutschland „geleitet“, bis<br />
Ungarn die Grenze zu Serbien schloss und andere<br />
Routen – vermehrt über Kroatien und Slowenien –<br />
gewählt wurden.<br />
In Österreich gab es einerseits starke Solidaritätskundgebungen:<br />
so machte sich Anfang<br />
September ein auf private Initiative gestarteter<br />
„Konvoi“ auf den Weg nach Ungarn, um dort<br />
verbliebene AsylwerberInnen nach/Richtung<br />
Deutschland zu transferieren. Zur Solidarität rief<br />
auch die Veranstaltung „voices for refugees“ auf,<br />
der am 3. Oktober 150.000 Menschen auf den Wiener<br />
Heldenplatz folgten und eine menschliche<br />
Asylpolitik einforderten.<br />
Demgegenüber herrschte unter Teilen der<br />
österreichischen Bevölkerung Freude bzw. Erleichterung<br />
darüber, dass der Großteil der AsylwerberInnen<br />
auf einen Asylantrag in Österreich<br />
„verzichtete“ und stattdessen nach Deutschland<br />
weiterreiste. Ebenso wehrten sich viele österreichische<br />
Gemeinden gegen die Aufnahme von AsylwerberInnen.<br />
Die Wahlkämpfe zu den Landtagswahlen in<br />
Oberösterreich und Wien waren geprägt vom Thema<br />
„Asyl“. Im November wurde von Österreich<br />
und einigen Nachbarstaaten der Bau von Zäunen<br />
in Erwägung gezogen und teils umgesetzt.<br />
Bereits mit Juli waren asylrechtliche Änderungen<br />
in Österreich in Kraft getreten, die unter an-<br />
derem zum Ziel hatten, die Erstaufnahmestelle in<br />
Traiskirchen zu entlasten und im Unterschied zur<br />
Vergangenheit vorsehen, dass AsylwerberInnen<br />
nunmehr bei jeder beliebigen Polizeidienstelle<br />
Asylanträge stellen dürfen (sollen).<br />
Im Dezember steht eine weitere Novelle bevor,<br />
welche (soweit vor Redaktionsschluss bekannt)<br />
rückwirkend mit 15. November <strong>2015</strong> in Kraft treten<br />
und unter anderem „Asyl auf Zeit“ sowie einen<br />
restriktiveren Familiennachzug beinhalten<br />
soll. Deutschland verkündete Mitte November<br />
wiederum das Ende der Aussetzung von „Dublin-<br />
III“ betreffend syrische Flüchtlinge und daher die<br />
Rückkehr zur Prüfung, ob andere EU-Staaten für<br />
in Deutschland eintreffende AsylwerberInnen zuständig<br />
sind.<br />
•<br />
NEUE ASYL-REGELUNGEN SIND<br />
UNUMGÄNGLICH<br />
Zur Eingangsfrage: Wohin bewegt sich die Europäische<br />
Union? Ziel von „Dublin-III“ war und<br />
ist eine gemeinsame Asylpolitik einschließlich<br />
eines gemeinsamen Europäischen Asylsystems.<br />
Deutschland hat mehr AsylwerberInnen aufgenommen,<br />
als es gemäß „Dublin-III“ verpflichtet<br />
gewesen wäre. Andere Mitgliedstaaten haben<br />
Dublin de facto ignoriert, ohne bisher spürbare<br />
Konsequenzen seitens der EU erfahren zu haben.<br />
Österreich steht dazwischen.<br />
Als künftige Lösungen werden u.a. Quotenaufteilungen<br />
(gemessen an der Bevölkerungszahl,<br />
dem Bruttoinlandsprodukt, der Arbeitslosenquote<br />
und/oder der bisherigen Aufnahmezahl) mit<br />
etwaigen Ausgleichszahlungen genannt. Zudem<br />
werden Gespräche der EU mit der Türkei, wo sich<br />
derzeit besonders viele Flüchtlinge aufhalten,<br />
zwecks Kooperation im Umgang mit Flüchtlingen<br />
intensiviert.<br />
Fakt ist, dass es rechtlicher Änderungen im<br />
Hinblick auf die Dublin-Regelung und/oder einer<br />
politischer Lösung bedarf, um dem sinnvollen Ziel<br />
eines gemeinsamen einheitlichen europäischen<br />
Asylsystems näher zu kommen. Dass die in der<br />
Dublin-Vereinbarung enthaltene Regelung, der<br />
zufolge in erster Linie jener Mitgliedstaat, in den<br />
der/die AsylwerberIn erstmals die EU betritt, zuständig<br />
sein soll, auf Dauer nicht funktionieren<br />
würde, war – so ehrlich muss man sein – seit langem<br />
absehbar.<br />
•<br />
WIRTSCHAFT<br />
RECHT<br />
DER AUTOR<br />
Mag. Ronald Eppel, MA ist<br />
Rechtsanwalt und Leiter der<br />
Fremdenrechtsabteilung<br />
von LGP. Als Leiter des<br />
Teams betreut er MandantInnen<br />
in asyl-, aufenthalts-,<br />
ausländerbeschäftigungs-,<br />
fremdenpolizei- und staatsbürgerschaftsrechtlichen<br />
Angelegenheiten. Zudem<br />
hat er sich auf die Vertretung<br />
in Straf- und Verwaltungsstrafrechtsverfahren<br />
spezialisiert. Mag. Eppel,<br />
MA hat das Diplomstudium<br />
der Rechtswissenschaften<br />
an der Universität Wien und<br />
das Masterstudium „Politische<br />
Bildung“ an der Johannes<br />
Kepler Universität Linz<br />
sowie die Rechtsanwaltsprüfung<br />
im OLG-Sprengel<br />
Wien mit ausgezeichnetem<br />
Erfolg absolviert. Vor<br />
seiner Tätigkeit bei LGP<br />
war er unter anderem für<br />
den Asylgerichtshof und<br />
das Bundesministerium für<br />
Inneres tätig.<br />
INFO<br />
LANSKY,<br />
GANZGER +<br />
PARTNER<br />
Mit 140 Rechtsanwälten und<br />
Mitarbeitern aus mehr als<br />
zwanzig Ländern hat sich<br />
die in Wien ansässige Kanzlei<br />
Lansky, Ganzger + partner<br />
als eine der führenden<br />
Anwaltsfirmen in Österreich<br />
und der Slowakei etabliert.<br />
Die Firma mit Büros in Wien<br />
(Österreich), Bratislava<br />
(Slowakei), Baku (Aserbaidschan)<br />
und Astana (Kasachstan)<br />
hat eine langjährige<br />
und profunde Erfahrung<br />
und bietet ein allumfassendes,<br />
fachübergreifendes<br />
und überregionales Service<br />
auf höchstem Niveau.<br />
KONTAKT<br />
Lansky, Ganzger<br />
+ partner Rechtsanwälte<br />
GmbH<br />
Biberstraße 5<br />
1010 Wien<br />
Tel.: +43-(0)1-533 3330<br />
E-mail: office@lansky.at<br />
www.lansky.at<br />
<strong>SOCIETY</strong> 2_<strong>2015</strong> | 103