SOCIETY 368 / 2015
Nr. 368 I Nr. 2 - 2015
Nr. 368 I Nr. 2 - 2015
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DIPLOMATIE<br />
RUSSLAND<br />
»In Wien wurde es<br />
möglich, alle wichtigen<br />
Spieler an einen Tisch zu<br />
Gesprächen zusammenzubringen.<br />
«<br />
Dmitrij Ljubinskij<br />
•<br />
LOB FÜR ROLLE DER OSZE IN<br />
DER UKRAINE<br />
Große Anerkennung zollt der russische Botschafter<br />
der Tätigkeit der Organisation für Sicherheit<br />
und Zusammenarbeit in Europa (OSZE)<br />
im Ukraine-Konflikt. „Als die Krise ausbrach, hat<br />
die OSZE als einzige gesamteuropäische Organisation<br />
ihre Chance gut genützt.“ Ljubinskij äußert<br />
„Zufriedenheit“ mit dem Schweizer OSZE-Vorsitz<br />
2014 und Wertschätzung für die „professionelle<br />
Rolle“, die OSZE-Vermittler Martin Sajdik bei der<br />
Umsetzung der Minsker Vereinbarungen spiele.<br />
„Wir vertiefen schon jetzt unsere Beziehungen zu<br />
Österreich und Deutschland“, betont er mit Blick<br />
auf die EU-Troika. 2016 übernimmt Deutschland<br />
den Vorsitz von Serbien, Österreich folgt 2017.<br />
Die Zukunft der Ostukraine sieht Russland in<br />
den Händen Kiews. „Die Entwicklung hängt nicht<br />
von uns ab, sondern von der Kiewer Regierung.“<br />
Die Roadmap, mit Verfassungsreform und Wahlen,<br />
sei in den Minsker Vereinbarungen festgelegt<br />
worden. „Doch das Wichtigste ist, einen direkten<br />
Dialog zwischen Kiew und Donbass zustande zu<br />
bringen.“ Russland sei an raschen Fortschritten interessiert,<br />
„doch wird es eine Generation brauchen,<br />
bis die Folgen dieses Prozesses bewältigt sind“.<br />
Keinen Kompromiss gibt es aus der Sicht Russlands<br />
bei der Krim. Der Botschafter dazu: „Die<br />
Krim gehört historisch der Russischen Föderation<br />
an, ist ein Bestandteil Russlands.“ Die Übergabe<br />
des Gebiets an die Sowjetrepublik Ukraine durch<br />
Nikita Chruschtschow 1954 „war eine willkürliche<br />
Entscheidung, die nicht der russischen Verfassung<br />
entsprach“.<br />
ZUR PERSON<br />
Mag. HERMINE<br />
SCHREIBERHUBER war<br />
stellvertretende Ressortleiterin<br />
für Außenpolitik bei<br />
der Austria Presse Agentur<br />
(APA). Ferner verfasst sie<br />
Reportagen für Wochenzeitungen<br />
wie „Die Furche“<br />
und wirkt an politischen<br />
Büchern mit.<br />
•<br />
„ASIATISCHE PARTNER STEHEN BEREIT“<br />
Ob die Eurasische Union für Russland eine Alternative<br />
zur EU sei? Der Botschafter umreißt das Verhältnis<br />
Moskaus zu Europa bzw. zu Asien mit den<br />
Worten: „Russland ist europäisch, doch hat es auch<br />
wichtige Partner in Asien.“ Als Beispiel nennt Ljubinskij<br />
die Volksrepublik China: „Unsere wirtschaftlichen<br />
Interessen sind von herausragender Bedeutung.“<br />
Mit Blick auf die EU-Sanktionen fügt er hinzu:<br />
„Wenn die Kooperation mit den europäischen Partnern<br />
stagniert, gehen die russischen Unternehmer<br />
nach Asien.“ Und: „Die asiatischen Partner stehen<br />
bereit.“ Im Übrigen sei der Handelsaustausch mit<br />
den USA fast um 40 Prozent gestiegen.<br />
•<br />
OMV-GAZPROM: 40 JAHRE VERTRAUENS-<br />
VOLLE KOOPERATION<br />
Die russisch-österreichischen Beziehungen definiert<br />
der Botschafter als „traditionell sehr gut“,<br />
sie unterlägen aber derzeit sanktionsbedingt „gewissen<br />
Begrenzungen“. Der politische Dialog entwickle<br />
sich gut, verweist Ljubinskij auf Besuche<br />
von Präsident Wladimir Putin in Wien im Vorjahr<br />
und von Außenminister Sebastian Kurz heuer in<br />
Moskau. Auf Außenministerebene gebe es ständige<br />
Kontakte, wenn auch „nicht so intensiv wie<br />
früher“. Der Diplomat hebt das Engagement von<br />
Österreichs Wirtschaft in Russland hervor: „Über<br />
tausend Firmen sind in Russland aktiv. Keine will<br />
sich zurückziehen.“<br />
Angesprochen auf die jüngst intensivierte<br />
Energie-Zusammenarbeit betont der Botschafter,<br />
hier handle es sich nicht um „eine Neuorientierung“.<br />
Vielmehr blickten OMV und Gazprom auf<br />
eine langjährige Geschichte zurück, auf „vierzig<br />
Jahre vertrauensvolle Zusammenarbeit“, ohne Lieferstopps<br />
und ohne Vertragsbrüche. Jetzt werde<br />
ein neuer wichtiger Schritt getan: „North Stream<br />
ist eines der wichtigsten Energieprojekte für Europa.“<br />
Für die Vertragspartner in Österreich und<br />
Russland sei dieser Schritt „eine Bestätigung des<br />
Vertrauens in die gute Zusammenarbeit.“<br />
•<br />
OPERNLIEBHABER GENIESST<br />
WIENER KULTURLEBEN<br />
In Wien ist Botschafter Ljubinskij, der schon<br />
zum zweiten Mal hierher entsandt wurde und<br />
hervorragend Deutsch spricht, praktisch zuhause.<br />
„Wir fühlen uns mit der Familie sehr wohl. Ich<br />
bin sehr gern zurückgekommen.“ In den letzten<br />
Jahren besuchte er Wien immer wieder, zumal Österreich<br />
im Moskauer Außenamt in seine Zuständigkeit<br />
fiel. „Ich bin froh, dass sich in Wien sehr<br />
wenig verändert hat“, abgesehen von einigen innenpolitischen<br />
Veränderungen, so sein Resümee.<br />
Privat ist der Diplomat ein großer Musikfan. „In<br />
Wien geht das nicht anders, als diese Möglichkeiten<br />
zu genießen.“ Sein Lieblingsort ist die Staatsoper,<br />
und diese Liebe teilt er mit seiner Gattin: „Bei meinem<br />
ersten Wien-Aufenthalt habe ich mit meiner<br />
Frau 35 Aufführungen in der Staatsoper gesehen.“<br />
Ljubinskij schätzt neben den russischen Klassikern<br />
auch österreichische Literaten, wie Stefan Zweig.<br />
„Wenn ich Zeit habe, lese ich deutsche und englische<br />
Literatur. Das hilft, die Sprachkenntnisse aufzufrischen“.<br />
Den in Berlin lebenden russisch-deutschen<br />
Autor und Musiker Wladimir Kaminer habe<br />
er auch kennengelernt. „Das machte Spaß!“ •<br />
<strong>SOCIETY</strong> 2_<strong>2015</strong> | 59