SOCIETY 368 / 2015

KUNST
PORTRÄT
Gotthard Fellerer vor seinen
Werken im Atelier im Palais
Palffy
Gotthard Fellerer rennt
Der bildende Künstler, Autor und Musiker Gotthard
Fellerer will mit seinem Werk aufklärerisch das Nicht-
Sichtbare offenlegen und neue Perspektiven aufzeigen.
TEXT: HUBERTUS CHRISTIAN EHALT
FOTOS: PRIVAT
Gotthard Fellerer ist ein schöpferischer
Mensch und ein Marathonläufer des
Lebens: von Projekt zu Projekt, von
Ausstellung zu Ausstellung, von Text
zu Text, von Termin zu Termin. Er
selbst ist und bleibt dabei verlässlich, hilfsbereit,
treu und nicht hektisch. Die Tagesrationen sind 15
Stunden, das ist nicht viel. Und viele gesellschaftlichen
Kräfte, insbesondere die elektronischen Medien
mit ihrem so genannten Echtzeit-Postulat tragen
dazu bei, dass die Zeit so knapp ist wie noch nie. Aus
diesem Grund müssen die ambitionierten Leute wie
Gotthard Fellerer, die etwas tun, etwas erreichen, etwas
gestalten möchten, rennen. Ich habe daher meinen
Beitrag mit „Gotthard rennt“ überschrieben.
Ich bin im Besitz einer 179 Seiten umfassenden
Auflistung von 2.465 Veranstaltungen, Aktivitäten
und Projekte aus der Werkstatt von Gotthard Fellerer.
Die Liste beginnt im Jahr 1967. Sie zeigt seinen
„Marathon-Sprint“: Sein Marathon mit Sprinttempo
bewirkt nicht Chaos in der ohnehin vor allem
chaotischen Welt; vielmehr realisiert sich
„constantia et fortitudo“ (Beständigkeit und Stärke),
eine Lebensdevise, die er mit dem Vater Maria
Theresias, Karl VI, gemeinsam hat.
Gotthard Fellerer gehört zu den wenigen Persönlichkeiten
mit einer ausgeprägten Dreifachbegabung
als bildender Künstler, als Autor und als
Musiker. „Kunst bedeutet für mich weiterführen
und ergänzen der visuell erfahrbaren Realität, das
heißt, die Offenlegung des Nicht-Sichtbaren. Kunst
ist jenes dynamische Prinzip, das am meisten zur
inneren und äußeren Befreiung des Menschen
beiträgt“, so Fellerer. Das Schöpferische in den
Künsten und in den Wissenschaften bestand und
besteht wesentlich in dieser Arbeit des Ent- und
Aufdeckens, des Découvrierens, der Zerstörung
der Konventionen des Sehens und der Gestaltwahrnehmung.
Als Irritation und Tabubruch öffnen die
Künste die Menschen in ihren Perspektiven auf die
Welt und in ihren Gestaltungshorizonten.
Was treibt den Getriebenen? Gotthard Fellerer
hat wie die Kunst und die Wissenschaft im Allgemeinen,
eine komplexe Botschaft, die von den Werten
der Aufklärung gespeist wird. Er möchte eine
bessere Welt und setzt sich für diese ein. Fellerer
macht das als Pädagoge, als Bildungsgestalter und
-moderator, aber auch als Kulturpolitiker oder jedenfalls
jemand, der die Politik, ihre aktuellen
Gestalten und Ausdrucksformen kennt und ihr dabei
die „Leviten lesen“ will und in ihr Stammbuch
schreiben muss.
Mit der Zeitung „Bravda“ gestaltet Gotthard Fellerer
seit über zwanzig Jahren eine kulturkritische
Zeitschrift, deren ironischer Titel postuliert, dass
die Menschen des 21. Jahrhunderts keine engagierten
BürgerInnen der Zivilgesellschaft, sondern stets
„brav da“ sind, wenn sie von den Navigatoren des
neoliberalen Kapitalismus zum Rapport gerufen
werden. Gotthard Fellerer ist mit seinen Aktivitäten
ein Angelpunkt, ein Fluchtpunkt für viele (Kunst-)
Freunde. In der Alternative vor der Kulturschaffende
und Wissensarbeiter stehen, ob sie tatenlose Zyniker
oder gestaltende Anreger sein sollen, hat Gotthard
Fellerer sich für die inspirierende Tat entschieden:
wir danken es ihm.
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ÜBER DEN
AUTOR
Dr. Hubert Christian Ehalt,
geb. 1949, ist Historiker und
Anthropologe; Universitäts
Professor an der Universität
Wien, Honorarprofessor an
der Universität für Angewandte
Kunst, Wien, weiters
Wissenschaftreferent der
Stadt Wien, Verfasser und
Herausgeber von zahllosen
wissenschaftlichen Publikationen
und ist Koordinator
der Wiener Vorlesungen.
INFO
www.austrian-art.at
www.bravda.net
www.gotthardfellerer.at
SOCIETY 2_2015 | 167