SOCIETY 368 / 2015
Nr. 368 I Nr. 2 - 2015
Nr. 368 I Nr. 2 - 2015
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DIPLOMATIE<br />
LUXEMBURG<br />
Botschafter Hubert<br />
Würth im Interview<br />
mit <strong>SOCIETY</strong>-Redakteur<br />
Stephan Hofstätter<br />
CURRICULUM<br />
VITAE<br />
S.E. Hubert Würth ist am<br />
15. April 1952 in Luxemburg<br />
geboren. Er hat einen<br />
Abschluss in Rechtswissenschaften<br />
der Universität<br />
Paris II und ist Absolvent<br />
des Instituts für politische<br />
Studien IEP in Paris. Nach<br />
seiner Zulassung als Anwalt<br />
trat er 1978 in den auswärtigen<br />
Dienst ein. Er hatte<br />
verschiedene Positionen<br />
inne, u. a. Mitglied der<br />
luxemburgischen Delegation<br />
bei der Generalversammlung<br />
der Vereinten<br />
Nationen (1978-79), stv.<br />
Ständiger Vertreter beim<br />
Europarat (1979), Kabinettschef<br />
des Vize-Premierministers<br />
(1981-84). Er<br />
war Botschafter in Moskau<br />
(1989-91), in den Niederlanden<br />
(1992-98), Sonderbotschafter<br />
für das ehemalige<br />
Jugoslawien (1996-97),<br />
Botschafter in New York<br />
bei den Vereinten Nationen<br />
(1998-2003) – zeitgleich<br />
Vorstandsmitglied von<br />
UNDP und UNICEF, Botschafter<br />
in Paris (2003-07)<br />
und in London (2007-11).<br />
2005 führte er die Verhandlungen<br />
der UNESCO<br />
zum Schutz der kulturellen<br />
Vielfalt. Seit 2011 ist er<br />
Botschafter in Österreich,<br />
der Slowakei, Slowenien<br />
und Ständiger Vertreter bei<br />
der OSZE und den Internationalen<br />
Organisationen<br />
in Wien. Hubert Wurth ist<br />
verheiratet und Vater von<br />
zwei Töchtern.<br />
haupt zu diesen Kriegen gekommen ist?<br />
Das ist ein weites Feld. Die Stabilität ist abhandengekommen.<br />
Diese Länder haben seit vielen<br />
Jahrzehnten intern Probleme. Diese Probleme<br />
sind sozusagen explodiert und im Fall von Syrien<br />
in einen Bürgerkrieg ausgeartet. Man kann nicht<br />
sagen, dass „die Europäer“ mit dieser Entwicklung<br />
➢ nichts zu tun hatten. Es gibt da aus der Kolonialzeit<br />
vielleicht noch Überreste, aber ich glaube<br />
das ist in dem Fall nicht die Erklärung. Aber<br />
haben wir genug und vor allem frühzeitig genug<br />
nachgedacht? Die europäische Außenpolitik hat<br />
noch nicht genug Reife erreicht, würde ich sagen.<br />
<strong>SOCIETY</strong> hatte in einer der vergangenen Ausgaben<br />
ein Interview mit der luxemburgischen<br />
Ministerin für Familie und Integration, Frau<br />
Corrine Cahen. Eine Grundaussage des Interviews<br />
war es, dass Luxemburg sehr vielfältig ist.<br />
Wie geht Luxemburg damit um?<br />
Wir sind anders als die übrigen europäischen<br />
Länder, weil in Luxemburg mehr als 46 Prozent<br />
der Einwohner nicht luxemburgische Staatsbürger<br />
sind. Das ist ein ungeheuer hoher Prozentsatz,<br />
aber das gibt nicht Anlass zu einem schwierigen<br />
Zusammenleben. Das Zusammenleben läuft ziemlich<br />
gut. Dazu muss man aber sagen, dass Luxemburg<br />
Doppelstaatsbürgerschaften akzeptiert. Wir<br />
möchten jeden Einwohner Luxemburgs dazu einladen,<br />
sich einen luxemburgischen Pass zu beschaffen,<br />
ohne dass diese Bürgerin oder dieser Bürger seine<br />
bisherige Staatsbürgerschaft aufgeben muss.<br />
Das ist für uns ein wichtiges Instrument, um<br />
die Menschen in die Gesellschaft zu integrieren,<br />
wenn sie die Bedingungen erfüllen. Das funktioniert<br />
seit ungefähr sieben, acht Jahren ziemlich<br />
gut. Jedes Jahr nehmen tausende Menschen auf<br />
diese Weise die luxemburgische Staatsbürgerschaft<br />
an. Weiters gibt es viele Grenzgänger.<br />
Würden Sie sagen, dieses Modell sei auch für<br />
andere Länder ein Vorbild?<br />
Unser Problem mit diesen vielen Nicht-Luxemburgern<br />
ist natürlich außergewöhnlich. Das wird es<br />
woanders nicht so schnell geben. Andererseits glaube<br />
ich, dass das Instrument der doppelten Nationalität<br />
auch in anderen Ländern gut funktioniert<br />
oder funktionieren könnte.<br />
Wie sehen die Beziehungen zu Österreich<br />
aus?<br />
Luxemburg und Österreich haben ausgezeichnete<br />
Beziehungen. Wir verstehen uns sehr gut. Wir teilen<br />
mit dem Deutschen eine gemeinsame Sprache<br />
– natürlich haben wir in Luxemburg auch noch<br />
die französische und luxemburgische Sprache.<br />
Wir haben teilweise eine gemeinsame Vergangenheit,<br />
vor allem im 18. Jahrhundert, als Maria<br />
Theresia auch in Luxemburg das Staatsoberhaupt<br />
und die Kaiserin war. Für uns war das eine wirtschaftlich<br />
gute Zeit ohne Kriege. Das ist zwar mehr<br />
als zweihundert Jahre her, aber trotzdem ist eine<br />
positive Erinnerung an diese Zeit geblieben. Die<br />
Luxemburger kommen im Sommer wie im Winter<br />
sehr gerne nach Österreich in die Ferien – an die<br />
Seen und in die Berge. Es gibt hunderte von Luxemburgern,<br />
die hier in Österreich studierten – in<br />
Innsbruck und in Wien vor allem.<br />
Wie sieht es in die andere Richtung aus: Österreicher<br />
in Luxemburg?<br />
Es gibt, seit Österreich Mitglied der EU ist, vor<br />
allem deshalb eine Bewegung in unsere Richtung,<br />
weil Luxemburg einer der Arbeitsorte der EU ist.<br />
FOTOS: <strong>SOCIETY</strong>/REITLER<br />
32 | <strong>SOCIETY</strong> 2_<strong>2015</strong>