28.06.2016 Aufrufe

SOCIETY 367 / 2015

Nr. 367 I Nr. 1 - 2015

Nr. 367 I Nr. 1 - 2015

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

USA<br />

INTERVIEW<br />

»Die USA bieten dem vom Export<br />

abhängigen Österreich<br />

viele Chancen“.<br />

«<br />

Michael Friedl<br />

niveau in den vormals billigeren Produktionsländern,<br />

der starke Wirtschaftsaufschwung in den<br />

USA im Vergleich zu manchen BRICS-Staaten,<br />

die geringeren Logistikkosten, wenn die Käufer<br />

wieder verstärkt in den USA sitzen und wieder<br />

vermehrt „buy American“ betrieben wird und<br />

die teilweise Rechtsunsicherheit und Instabilität<br />

bzw. auch Verlust von geistigem Eigentum in<br />

manchen ehemaligen Produktionsländern. Manche<br />

US-Firmen, die vormals offshoring betrieben<br />

haben, denken unter diesen Umständen wieder<br />

verstärkt an ein „re-shoring“ zurück in den USA.<br />

Einzelne Statistiken belegen diesen Trend in bestimmten<br />

Branchen. Außerdem bieten einzelne<br />

Bundesstaaten sehr attraktive Anreize für Firmenansiedlungen<br />

(natürlich auch für Europäer).<br />

Wie kann Österreich am Aufwärtstrend der<br />

USA partizipieren?<br />

Österreich partizipiert schon ganz kräftig am<br />

Aufwärtstrend. Durch die wieder in die Höhe<br />

gehende Industrieproduktion können österreichische<br />

Zulieferer wieder verstärkt punkten. Wir<br />

sehen dies auch an den neuen Firmenansiedelungen<br />

aus Österreich, sei es in der Verpackungsindustrie<br />

für die Lebensmittelproduktion oder bei<br />

Automobilzulieferern und Stahlproduzenten, die<br />

sich wieder nahe an der kräftig einkaufenden US-<br />

Industrie niederlassen. Wir sind auch Vorreiter<br />

in vielen Themen, die sich nun auch in den USA<br />

durchsetzen, sei es bei der Energieeffizienz im<br />

Transportbereich, bei smarten Lösungen in der<br />

Stadtplanung, bei Abfallrecycling und Kommunikationssystemen,<br />

die auch im „advanced manufacturing“<br />

eingesetzt werden können. Schön<br />

ist es auch zu sehen, dass Österreich nach einer<br />

längeren Flaute nun auch wieder bei unseren<br />

bekannten Konsumgütern positiv abschneiden<br />

kann, sei es bei österreichischem Wein, Lebensmittel<br />

und kreativem Design.<br />

Wo sehen Sie die größten Schwächen bzw.<br />

Standortnachteile Europas gegenüber den USA?<br />

Wo hat Europa Vorteile?<br />

Lassen Sie mich mit einigen Stärken der USA<br />

und einigen Stärken Europas antworten:<br />

Sicherlich vorne sind die USA beim „entrepreneurial<br />

spirit“, also dem Unternehmergeist in den<br />

USA, die Bereitschaft, an neue Ideen zu glauben,<br />

diese mit anderen zu teilen und für diese auch<br />

CURRICULUM<br />

VITAE<br />

Mag. Michael Friedl, Österreichischer<br />

Wirtschaftsdelegierter<br />

für die USA, geboren<br />

am 4. Juli 1971, Studium der<br />

Handelswissenschaften an<br />

der WU Wien, Post-Graduate<br />

Studium International<br />

Public Policy an der Johns<br />

Hopkins, SAIS Universität in<br />

Washington DC. Nach Tätigkeiten<br />

im Gastgewerbe und<br />

der Finanzwirtschaft, Beginn<br />

in der AUSSENWIRT-<br />

SCHAFT AUSTRIA der WKÖ<br />

im Jahr 1998. Stellvertretender<br />

Handelsdelegierter<br />

in Johannesburg und Abu<br />

Dhabi, danach Büroleiter in<br />

Washington DC. Handelsdelegierter<br />

in Teheran, Iran von<br />

2007 bis 2012, danach von<br />

2012 bis 2014 zuständig für<br />

Personalentwicklung und<br />

Personalkoordination in der<br />

AUSSENWIRTSCHAFT AUS-<br />

TRIA in Wien. Seit September<br />

2014 Österreichischer<br />

Wirtschaftsdelegierter für<br />

die USA in New York.<br />

Finanzierungen zu finden. Nicht um sonst ist die<br />

Start-up und venture capital Szene in den USA am<br />

stärksten. Neben Silicon Valley im Westen wird<br />

auch immer mehr Silicon Alley in NYC, der am<br />

schnellsten wachsende Tech-Hub der Welt, auch<br />

für österreichische Start-ups interessant (dazu<br />

gibt es auch Programme des AC New York). Außerdem<br />

ist die USA immer noch der Technologie-<br />

und Innovationshub der Welt. Dies zeigt sich<br />

auch in einer sehr engen Kooperation zwischen<br />

der Privatwirtschaft und Forschungseinrichtungen.<br />

Auch bei Firmenansiedlungen sind die USA<br />

sehr kreativ und unterstützen nicht nur finanziell.<br />

Es wird hier ein großer politischer Wille zur<br />

Unterstützung von Unternehmensneugründungen<br />

gezeigt. Da herrscht fast ein bisschen Wettbewerb<br />

zwischen den einzelnen Bundesstaaten und<br />

Gouverneuren. Man darf aber entgegen aller Annahmen<br />

nicht vergessen, dass die USA ein ziemlich<br />

bürokratisches Land ist, in dem europäische<br />

Firmen oft auch mit den extrem umfangreichen<br />

Vorschriften, Registrierungsvoraussetzungen<br />

und Haftungsfragen zu kämpfen haben.<br />

Europas Stärken sind sicherlich die ausgesprochen<br />

gut ausgebildeten Arbeitskräfte (gerade<br />

beim Ingenieurwesen und bei bestimmten Produktionstechnikern<br />

tun sich manche Firmen<br />

schwer, in den USA genug Personal zu finden),<br />

auch durch das bei uns in Österreich sehr erfolgreich<br />

eingesetzte duale Ausbildungssystem,<br />

von dem sich die USA ein Stückchen abschneiden<br />

könnte. Dazu kommt ein weiter entwickeltes<br />

Sozialsystem (in manchen amerikanischen<br />

Arbeitsverträgen gibt es überhaupt keine Kündigungsfrist<br />

und auch keine betriebliche Pensionsvorsorge),<br />

die sehr hohen Qualitätsansprüche in<br />

der Produktion und beim Konsum. Außerdem<br />

sind wir bei den „hidden champions“ führend,<br />

also innovativen Technologie-Wizards, die in ihrer<br />

Branche oft Weltmarktführer sind. Davon haben<br />

wir in Österreich etwa 150, in den USA gibt<br />

es zwar mehr als doppelt so viele aber vergessen<br />

Sie nicht, dass Österreich nur die wirtschaftliche<br />

Größe von einem Bundesstaat der USA, nämlich<br />

Michigan, hat. Es zeigt sich also, dass das Zusammenlegen<br />

beider Stärken nur zum Vorteil für beide<br />

Kontinente sein kann.<br />

Die USA sind der drittwichtigste Handelspartner<br />

Österreichs nach Deutschland und Italien.<br />

Weshalb können sich österreichische Unternehmen<br />

so gut in den USA behaupten?<br />

Die österreichischen Unternehmen sind auf<br />

Grund ihrer Flexibilität, ihrer hoch-qualitativen<br />

Produkte und ihrer Weltmeisterschaft in<br />

manchen Technologienischen sehr gefragt. Die<br />

Exportzuwächse sind nicht nur in einigen wenigen<br />

Branchen ersichtlich, die Erfolge ziehen sich<br />

wirklich durch alle Sektoren, vom benzinsparenden<br />

Motor, über Kommunikationssysteme für die<br />

NASA bis zu Marmelade und Tunnelbau. Die USA<br />

bietet als größter Markt der Welt dem vom Export<br />

abhängigen Österreich viele Chancen. •<br />

<strong>SOCIETY</strong> 1_<strong>2015</strong> | 41

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!