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SOCIETY 367 / 2015

Nr. 367 I Nr. 1 - 2015

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DIPLOMATIE<br />

FRANKREICH<br />

»Frankreich hat viele Reformen<br />

eingeleitet, und es ist meine<br />

Aufgabe, das zu präsentieren<br />

und zu erklären.<br />

«<br />

Pascal Teixeira da Silva<br />

Seit wann sind Sie schon in Österreich<br />

und in welchen Ländern waren Sie<br />

zuvor?<br />

Ich habe vor 32 Jahren in Brasilien<br />

begonnen. Dann war ich in Deutschland<br />

in Bonn, Moskau, in New York<br />

bei den Vereinten Nationen, und in Portugal von<br />

2010 bis 2013 war ich zum ersten Mal als Botschafter<br />

tätig. Zwischen den verschiedenen Posten im<br />

Ausland habe ich mich in Paris aufgehalten. Es ist<br />

normal, dass wir einen Teil unserer Karriere in Paris<br />

verbringen. Seit Juni 2014 bin ich in Wien.<br />

Sind Sie ein Karrierediplomat?<br />

Ich habe von Anfang an als Diplomat gearbeitet,<br />

obwohl ich fünf Jahre im Verteidigungsministerium<br />

verbracht habe. Es gehört zu einer normalen<br />

Karriere in Frankreich, dass man drei Jahre in<br />

anderen Ministerien arbeitet, um neue berufliche<br />

Erfahrungen zu bekommen.<br />

Ist es in Frankreich noch immer so, dass der<br />

Staatspräsident den Botschafter ernennt, unabhängig<br />

davon, ob er eine diplomatische Karriere<br />

macht oder nicht?<br />

Es gibt viele Funktionen, die vom Ministerrat<br />

bzw. vom Präsidenten ernannt werden. Nicht nur<br />

Botschafter, sondern auch Präfekten oder Sektionschefs<br />

in den Ministerien, Generaldirektoren,<br />

Präsidenten von öffentlichen Institutionen. Die<br />

überwiegende Mehrheit der Botschafter sind Diplomaten,<br />

die nach einer bestimmten Zeit als Botschafter<br />

ihre diplomatische Karriere fortsetzen.<br />

Es ist ja gerade weltpolitisch eine turbulente<br />

Zeit. Ist der Beruf des Botschafters durch die<br />

politisch subtile Neuorientierung auf der Welt<br />

wichtiger denn je geworden?<br />

Es gibt keine einfache Antwort auf Ihre Frage.<br />

Die Situation bzw. Aufgabe eines Botschafters ist<br />

sehr unterschiedlich. Unsere Aufgabe besteht erstens<br />

darin, ein Land kennenzulernen, um dann<br />

unseren Behörden zu erklären, was dort passiert<br />

und was die außenpolitischen Positionen dieses<br />

Landes sind. Man muss die Interessen unseres Landes<br />

vertreten und in manchen Bereichen, z.B. der<br />

Wirtschaft, auch verteidigen. Die Wirtschaftsdiplomatie<br />

ist ein Hauptanliegen, damit sich unsere<br />

Unternehmen im Ausland entwickeln können.<br />

Man muss auch internationale Investitionen anziehen<br />

und die touristische Attraktivität des Landes<br />

fördern. Im kulturellen Bereich ist es unsere<br />

zweite Aufgabe, die französische Sprache und Kultur<br />

zu fördern und zu verbreiten. Die dritte Aufgabe<br />

ist die Kommunikation. Man muss die Anliegen<br />

des Landes nicht nur in der Außenpolitik sondern<br />

auch in der Innen- und Wirtschaftspolitik vertreten.<br />

Frankreich hat zum Beispiel viele Reformen<br />

eingeleitet, und das ist für unsere europäischen<br />

Partner wichtig zu wissen. Es ist meine Aufgabe,<br />

das zu präsentieren und zu erklären.<br />

Stimmt es, dass Frankreich möglicherweise<br />

auch gefährdet ist, wirtschaftlich in Probleme<br />

zu geraten – ähnlich wie Griechenland oder Portugal<br />

– und dass ein Kollaps Frankreichs für die<br />

gesamte EU eine Katastrophe wäre?<br />

Ich glaube, dass man die verschiedenen Situationen<br />

nicht vergleichen kann. Ich war in Portugal,<br />

als die Krise im Frühling 2011 ausbrach. Die Zinsen<br />

sind mit sieben Prozent für die Staatsanleihe<br />

auf ein Niveau gestiegen, das für Portugal nicht<br />

erträglich war. Das hat die öffentlichen Finanzen<br />

erstickt. Das ist in Frankreich nicht der Fall. Die<br />

Zinsen, die der Staat wegen Verschuldung zahlt,<br />

liegen bei 1,2 Prozent. Das ist kein Problem, um<br />

das Defizit zu finanzieren und die öffentliche<br />

Schuld auszugleichen. Was wir jedoch machen<br />

müssen: Erstens die öffentlichen Finanzen sanieren,<br />

um das Defizit zu reduzieren. Das ist nun<br />

schwieriger als noch vor zehn Jahren, weil es nun<br />

ein schwaches Wachstum gibt – auch in Österreich<br />

und anderen europäischen Ländern. Um das<br />

Defizit zu reduzieren, braucht man Zeit und muss<br />

man den Rhythmus dem Gesamtkontext anpassen.<br />

Zweitens muss man strukturelle Reformen<br />

umsetzen, um den Unternehmen mehr Freiheit<br />

zu geben, die Lohnkosten zu reduzieren und die<br />

Belastung der Verwaltung durch Normkontrollen<br />

zu vereinfachen. Drittens die Reform des Staates:<br />

Der Staat muss Sparentscheidungen treffen, was<br />

bedeutet, zum Beispiel, dass wir die Organi-<br />

➢<br />

<strong>SOCIETY</strong> 1_<strong>2015</strong> | 63

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