DIPLOMATIE FRANKREICH Hauptaufgabe des Diplomaten: Harmonie schaffen Frankreichs Botschafter S.E. Pascal Teixeira da Silva im <strong>SOCIETY</strong>-Interview über die Aufgaben eines Botschafters und Politik in Zeiten weltpolitischer Krisen. Interview: Gertrud Tauchhammer Fotos: <strong>SOCIETY</strong>/Pobaschnig 62 | <strong>SOCIETY</strong> 1_<strong>2015</strong>
DIPLOMATIE FRANKREICH »Frankreich hat viele Reformen eingeleitet, und es ist meine Aufgabe, das zu präsentieren und zu erklären. « Pascal Teixeira da Silva Seit wann sind Sie schon in Österreich und in welchen Ländern waren Sie zuvor? Ich habe vor 32 Jahren in Brasilien begonnen. Dann war ich in Deutschland in Bonn, Moskau, in New York bei den Vereinten Nationen, und in Portugal von 2010 bis 2013 war ich zum ersten Mal als Botschafter tätig. Zwischen den verschiedenen Posten im Ausland habe ich mich in Paris aufgehalten. Es ist normal, dass wir einen Teil unserer Karriere in Paris verbringen. Seit Juni 2014 bin ich in Wien. Sind Sie ein Karrierediplomat? Ich habe von Anfang an als Diplomat gearbeitet, obwohl ich fünf Jahre im Verteidigungsministerium verbracht habe. Es gehört zu einer normalen Karriere in Frankreich, dass man drei Jahre in anderen Ministerien arbeitet, um neue berufliche Erfahrungen zu bekommen. Ist es in Frankreich noch immer so, dass der Staatspräsident den Botschafter ernennt, unabhängig davon, ob er eine diplomatische Karriere macht oder nicht? Es gibt viele Funktionen, die vom Ministerrat bzw. vom Präsidenten ernannt werden. Nicht nur Botschafter, sondern auch Präfekten oder Sektionschefs in den Ministerien, Generaldirektoren, Präsidenten von öffentlichen Institutionen. Die überwiegende Mehrheit der Botschafter sind Diplomaten, die nach einer bestimmten Zeit als Botschafter ihre diplomatische Karriere fortsetzen. Es ist ja gerade weltpolitisch eine turbulente Zeit. Ist der Beruf des Botschafters durch die politisch subtile Neuorientierung auf der Welt wichtiger denn je geworden? Es gibt keine einfache Antwort auf Ihre Frage. Die Situation bzw. Aufgabe eines Botschafters ist sehr unterschiedlich. Unsere Aufgabe besteht erstens darin, ein Land kennenzulernen, um dann unseren Behörden zu erklären, was dort passiert und was die außenpolitischen Positionen dieses Landes sind. Man muss die Interessen unseres Landes vertreten und in manchen Bereichen, z.B. der Wirtschaft, auch verteidigen. Die Wirtschaftsdiplomatie ist ein Hauptanliegen, damit sich unsere Unternehmen im Ausland entwickeln können. Man muss auch internationale Investitionen anziehen und die touristische Attraktivität des Landes fördern. Im kulturellen Bereich ist es unsere zweite Aufgabe, die französische Sprache und Kultur zu fördern und zu verbreiten. Die dritte Aufgabe ist die Kommunikation. Man muss die Anliegen des Landes nicht nur in der Außenpolitik sondern auch in der Innen- und Wirtschaftspolitik vertreten. Frankreich hat zum Beispiel viele Reformen eingeleitet, und das ist für unsere europäischen Partner wichtig zu wissen. Es ist meine Aufgabe, das zu präsentieren und zu erklären. Stimmt es, dass Frankreich möglicherweise auch gefährdet ist, wirtschaftlich in Probleme zu geraten – ähnlich wie Griechenland oder Portugal – und dass ein Kollaps Frankreichs für die gesamte EU eine Katastrophe wäre? Ich glaube, dass man die verschiedenen Situationen nicht vergleichen kann. Ich war in Portugal, als die Krise im Frühling 2011 ausbrach. Die Zinsen sind mit sieben Prozent für die Staatsanleihe auf ein Niveau gestiegen, das für Portugal nicht erträglich war. Das hat die öffentlichen Finanzen erstickt. Das ist in Frankreich nicht der Fall. Die Zinsen, die der Staat wegen Verschuldung zahlt, liegen bei 1,2 Prozent. Das ist kein Problem, um das Defizit zu finanzieren und die öffentliche Schuld auszugleichen. Was wir jedoch machen müssen: Erstens die öffentlichen Finanzen sanieren, um das Defizit zu reduzieren. Das ist nun schwieriger als noch vor zehn Jahren, weil es nun ein schwaches Wachstum gibt – auch in Österreich und anderen europäischen Ländern. Um das Defizit zu reduzieren, braucht man Zeit und muss man den Rhythmus dem Gesamtkontext anpassen. Zweitens muss man strukturelle Reformen umsetzen, um den Unternehmen mehr Freiheit zu geben, die Lohnkosten zu reduzieren und die Belastung der Verwaltung durch Normkontrollen zu vereinfachen. Drittens die Reform des Staates: Der Staat muss Sparentscheidungen treffen, was bedeutet, zum Beispiel, dass wir die Organi- ➢ <strong>SOCIETY</strong> 1_<strong>2015</strong> | 63