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2015-03

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Erinnerung<br />

Leben mit „Mammi“<br />

Erlebnisse im Buckingham-Palast<br />

Mammi! So nennt<br />

Charles, der Prince of<br />

Wales, seine Mutter, die<br />

Königin von England. Wir<br />

haben es erst kürzlich, anlässlich<br />

des 60-jährigen<br />

Thronjubiläums von Königin<br />

Elisabeth in 2012<br />

wieder gehört. Und als<br />

Mammi sehen alle in England<br />

lebenden Menschen<br />

die Königin. Man ist unwillkürlich<br />

ein erweitertes<br />

Königin Elisabeth um 1960 Mitglied ihrer Familie. Die<br />

Menschen nehmen teil an<br />

allem, was mit der Königin zu tun hat, ganz gleich, ob es<br />

sich um glückliche oder traurige Ereignisse handelt.<br />

Als ich Ende der 50er Jahre in London lebte und auch<br />

mal in meiner Freizeit ins ODEON-Kino ging, war die Königin<br />

noch eine junge Frau. Immer, wenn der Film endete,<br />

erschien ihr Bild auf der Leinwand, damals noch in Uniform<br />

und auf einem Pferd sitzend. Die Kinogänger standen<br />

auf und sangen „God Save the Queen“ (Gott schütze die<br />

Königin), um sie zu ehren. Erst dann verließen sie das Kino.<br />

Man begegnete der Königin auch regelmäßig anlässlich<br />

der Chelsea-Flowershow, dem Pferderennen in Ascot und<br />

den Tennis-Meisterschaften auf dem Centre Court in Wimbledon.<br />

Auch bei besonderen Fußball-Meisterschaften im<br />

Wembley-Stadion war sie zu sehen. Anlässlich ihrer Garden-Partys<br />

im Buckingham-Palast, begrüßte sie Menschen<br />

die geehrt werden sollten, weil sie sich im Laufe des vorangegangenen<br />

Jahres einen Namen gemacht hatten. Einige<br />

wurden auch zum Ritter geschlagen.<br />

Alle diese Veranstaltungen wurden von dem Hotel betreut,<br />

in dem ich damals tätig war. So wie meine Freundin<br />

aus Finnland bei den Garden-Partys immer gern gesehen<br />

war, wurde ich eines Tages gebeten zusammen mit Mary aus<br />

Quebec/Kanada anlässlich des Staatsbesuches von General<br />

de Gaulle im Jahr 1959 in den Palast zu kommen. Es hatte<br />

sich herausgestellt, dass nur wir beide vom Personal auch<br />

die französische Sprache beherrschten. Vor Ort wurden wir<br />

von einem leitenden Angestellten, den ich hier Majordomus<br />

oder Chef-Butler nennen will, empfangen. Er war für den<br />

gesamten Palast-Haushalt und die Organisation von Veranstaltungen<br />

im Hause zuständig. Mr. Dudigan führte uns in<br />

den Thronsaal, wo bereits für das große Ereignis eingedeckt<br />

worden war, und zwar mit goldenen Tellern und Bestecken.<br />

Der Blumenschmuck bestand aus den Farben der französischen<br />

Trikolore. Die Sitzordnung war festgelegt. Die Königin<br />

saß vor Kopf auf erhöhtem Sitz mit Baldachin über ihr.<br />

Foto: Fotolia.de<br />

Mr. Dudigan, nahm eine goldene Terrine mit Schöpflöffel<br />

vom Beistelltisch und bat uns, diese einmal anzuheben. Sie<br />

war so schwer, dass wir es beide nicht schafften. Danach<br />

führte Mr. Dudigan uns in drei verschiedene Räume und<br />

zeigte uns die Sammlung der Königin. Da war zunächst der<br />

Raum für das Glas, in dem sich mundgeblasene und kostbar<br />

geschliffene Exponate befanden, auch rotes Glas aus Böhmen<br />

war zu sehen sowie kostbare Porzellane aus dem alten<br />

China, von Rosenthal, Meißner und anderen berühmten<br />

Manufakturen. In einem separaten Kabinett befanden sich<br />

Silbergegenstände jeder Art. Es handelte sich um Geschenke<br />

von Staatsbesuchern. Das Zimmer für die goldenen Gegenstände<br />

war besonders interessant. Hier befand sich auch ein<br />

Geschenk von Napoleon, das zwei Schalen zeigte, die von<br />

zwei Pagen getragen wurden. Wenn man diese umdrehte, sah<br />

man, dass sie die Formen einer weiblichen Brust darstellten.<br />

Diese stammte von Paulette, der Schwester Napoleons, die<br />

ihre Brüste hat modellieren lassen. Sie war dafür bekannt,<br />

dass sie einen großen Kult mit ihrer Schönheit betrieben hatte.<br />

Der Königin selbst oder dem General de Gaulle sind wir<br />

natürlich nicht begegnet, aber ich bekam zwei Menükarten,<br />

die ich mit nach Hause nehmen durfte.<br />

Dann verspürte ich ein menschliches Bedürfnis und fragte<br />

nach der Toilette. Mir wurde ein langer Gang gezeigt, an dessen<br />

Ende sich das gewünschte Örtchen befand. Es bestand<br />

aus einem kleinen Quadrat aus rohen Ziegeln und einer polierten<br />

Holzbank mit<br />

der typischen runden<br />

Öffnung, wie bei uns<br />

auf dem Land früher<br />

das Häuschen mit<br />

dem Herzen in der<br />

Tür. Die Holztür des<br />

Palast-Örtchens war<br />

auch ziemlich roh gezimmert.<br />

Zum Nachspülen<br />

gab es keine<br />

Möglichkeit. Das war<br />

auch nicht nötig, denn<br />

der „Segen“ fiel tief,<br />

ganz tief in die Londoner<br />

Unterwelt. Mir<br />

kam unwillkürlich der Gedanke, dass hier wohl schon Heinrich<br />

der VIII. seine „Sitzungen“ abgehalten hatte. Der Weg<br />

führte mich den langen Gang zurück. Etwa in der Mitte sah<br />

ich rechts einen Gang abzweigen, der mit einer Faltwand zugestellt<br />

war. Man konnte an den Rändern vorbeischauen. Ich<br />

sah einen langen roten Läufer und am Ende des Ganges einen<br />

Kristall-Leuchter. An den Wänden hingen Bilder. Um welche<br />

Bilder es sich handelte, konnte ich nicht erspähen. Den<br />

50 durchblick 3/<strong>2015</strong>

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