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2015-03

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Paravent zur Seite zu schieben, traute<br />

ich mich nicht. Aber ich mutmaßte,<br />

dass es sich hierbei vielleicht um die<br />

berühmte Canaletto-Sammlung der<br />

Königin handeln könnte.<br />

Mr. Dudigan hatte sich in der<br />

Zwischenzeit mit Mary unterhalten.<br />

Jetzt erzählte er mir, dass er katholisch<br />

wäre und vier Söhne hätte. Die<br />

Familie lebe in Windsor. Er lud mich<br />

ein, nach Windsor zu kommen und<br />

gab mir seine Telefonnummer. Ich<br />

könne jederzeit anrufen und einen<br />

Termin vereinbaren. Wenn ich wolle,<br />

dürfte ich auch noch jemanden<br />

mitbringen. lch hatte damals das<br />

Gefühl, dass er mich ganz besonders<br />

nett behandelte als Deutsche, kurz<br />

nach dem Krieg. Das ist irgendwie<br />

kein Wunder, denn die königliche Familie ist ja auch selbst<br />

halb deutsch in mindestens drei oder vier Generationen, beginnend<br />

mit dem Haus Hannover. Prinz Charles und Prinz<br />

Philipp, wahrscheinlich auch andere Familienmitglieder,<br />

sprechen perfekt deutsch.<br />

Seit der Zeit von Königin Viktoria sind z. B. die Weihnachtsbräuche<br />

deutsch. Das geht auf ihren Prinzgemahl<br />

Albert von Sachsen, Coburg und Gotha zurück. Seit dieser<br />

Zeit gibt es einen Weihnachtsbaum im Palast, was dann<br />

in ganz England nachgeahmt wurde. Auch die Bescherung<br />

fand immer am Abend des 24.12. statt. Königin Viktoria regierte<br />

und gebar neun Kinder, fünf Prinzessinnen<br />

und vier Prinzen. Prinzgemahl Albert ließ Reihenhäuser<br />

für die einfache Bevölkerung bauen,<br />

die später „Viktorianische Reihenhäuser“ genannt<br />

wurden. Er war der Meinung, dass gute Musik für<br />

jedermann zugänglich sein sollte. So wurde ihm<br />

zu Ehren die Royal Albert Hall gebaut und 1871<br />

eingeweiht. Das Viktorianische Zeitalter dauerte<br />

von 1837 bis 1901. Wie liberal die Königliche<br />

Familie ist, sieht man an Mr. Dudigan. Er war<br />

katholisch und gehörte nicht zur anglikanischen<br />

Kirche, wie seine Arbeitgeber und er stammte<br />

sogar aus der Republik Irland. Der Hutmacher<br />

der Königin ist aus Deutschland, genau wie der<br />

Schneider ihrer Kostüme, der aus dem Ruhrgebiet<br />

stammt. Unmittelbar nach dem Krieg holte<br />

die Königliche Familie einen jungen deutschen<br />

Kriegsgefangenen als Gärtner nach Windsor. Er<br />

pflegte und verschönerte die königlichen Gärten<br />

bis zu seiner Pensionierung.<br />

ln England werden die Ehefrauen von ihren<br />

Männern meistens „Darling“ oder „Sweetheart“<br />

genannt, aber Prinz Philipp mit seinem besonderen<br />

Humor nennt die Königin „Cabbage“ („Kohlkopf“)<br />

oder „Sausage“ („Würstchen“). Das zärtlich<br />

gemeinte Wort „Kohlkopf“ hat er sicherlich vom<br />

französischen Kosewort „Chou-Chou“ entlehnt,<br />

das Kohlköpfchen heißt.<br />

Foto: Fotolia.de<br />

Viktorianische Reihenhäuser<br />

„Sozialer Wohnnungsbau“ aus dem 19. Jahrhundert<br />

Die königliche Familie braucht nicht, wie viele Ihrer<br />

Landsleute Urlaub auf Mallorca zu machen, sie zieht jedes<br />

Jahr viermal mit großem Hofstaat um. lm Frühjahr leben<br />

sie im Buckingham-Palast in London, im Sommer in<br />

Sandringham in Mittelengland und im Herbst in Balmoral<br />

in Schottland. Im Winter und über Weihnachten wohnt die<br />

Familie in Schloss Windsor.<br />

Ich habe viel gelernt, ganz besonders liberales Verhalten.<br />

Auch „Understatement“ (Bescheidenheit) und dass „loosing<br />

temper“ (Fassung verlieren) schlechtes Benehmen ist.<br />

Else von Schmidtsdorf<br />

3/<strong>2015</strong> durchblick 51

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