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2015-03

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zum Hotel, wo wir uns noch einige Zeit mit anderen<br />

Gästen bei franz. Rotwein und elsässischem Weißwein<br />

unterhielten.<br />

Sonntagvormittag war ich zeitig unterwegs den<br />

Ort meiner langen Sehnsucht gründlich anzusehen.<br />

Es hatte dort in den langen Jahren in der Ortsmitte<br />

nicht die geringste Veränderung gegeben, wie die<br />

Fotos von 1916 und 1965 zeigen. Mit Ausnahme<br />

eines Denkmals - auf dem großen Platz in der Nähe<br />

der Kirche , zum „Gedenken der gefallenen Söhne<br />

von Marville“ errichtet. Auf diesem Platz hat Kaiser<br />

Wilhelm II. im November 1914 eine große Rede<br />

gehalten. Noch eine Erinnerung muß ich erwähnen:<br />

Ich stand am Montagvormittag auf dem Platz<br />

vor dem Rathaus und wartete darauf, daß die Post<br />

geöffnet würde. In diesem Augenblick ertönt vom<br />

Kirchturm die Glocke mit dem Dreiklang, genau<br />

wie 1916. Damals sagten wir uns, die Glocke rief:<br />

„Meld` dich krank, meld` dich krank“. Die Kameraden,<br />

die in Marville gelegen haben, werden sich<br />

dessen noch erinnern.<br />

Inzwischen wurde es Zeit , Herrn „de jardin“<br />

aufzusuchen. Ich fand auch gleich seine Wohnung,<br />

sie war mit vielen alten Möbeln wie aus der Zeit des<br />

Rokoko ausgestattet. Ich wurde sehr freundlich empfangen.<br />

Ich mußte ihm vieles erklären von Schriftstücken<br />

aus der Besatzungszeit, was ich dann mit Hilfe<br />

meines Wörterbuches ,so gut es ging, auch getan<br />

habe. Anschließend machten wir eine Ortsbesichtigung.<br />

Zunächst ging es zum Kaiserhaus. Dort hat<br />

Wilhelm II. vom 1.- 2. Novmber 1914 Quartier genommen.<br />

Die Inschrift über dem Hauseingang „Kaiser-<br />

Haus“ 1.-2.11.1914 mit der Krone darüber ist<br />

noch genauso erhalten wie es die Fotografie von<br />

1916 zeigt. Ich habe mich sehr darüber gewundert.<br />

Am nächsten Tag, als ich alleine war, habe ich<br />

an dem Haupteingang geschellt um zu sehen, wer<br />

jetzt darin wohnt. Gleich kam eine ältere Dame und<br />

fragte, was es gäbe. Ich zeigte ihr die Fotografie von<br />

Inschrift über dem Hauseingang „Kaiser- Haus“<br />

1916, worüber sie sehr erstaunt war, aber ins Haus<br />

kam ich nicht. Ich bin aber 1916 schon drin gewesen,<br />

dort lag unser Bataillionsstab vom Inf.-Regt. 168. Ein<br />

älterer Kamerad aus Klafeld, der zum Stab gehörte,<br />

hat mich und noch zwei Geisweider junge Krieger mitgenommen<br />

und gefüttert. Wir hatten ja immer Hunger.<br />

Dieses Haus gehörte einem französischen General. Da<br />

er und sein Sohn gestorben sind, bewohnt es jetzt ein<br />

Enkel. Die Herrschaften waren aber verreist.<br />

Bei der Ortsbesichtigung zeigte mir mein Begleiter<br />

viele alte Reliefs an den alten Häusern. Ich muß<br />

noch erwähnen, daß mein Begleiter pensionierter<br />

Finanzbeamter war und Altertumspfleger - „conservateur“<br />

, wie er es nannte - aus Passion ist. Marville<br />

war früher eine Zitadelle nach einem Bild, das ich bei<br />

Herrn „de jardin“ sah.<br />

Da mich der Bürgermeister für Sonntag zum Mittagessen<br />

eingeladen hatte, suchte ich ihn auf und habe<br />

dort gut und nach französischer Art , so ca. 2 Stunden,<br />

gegessen. Anschließend fuhren wir mit seinem Auto<br />

in Richtung Verdun und zwar denselben Weg, den wir<br />

1916 zum Einsatz marschierten. Wir fuhren bis Dammvillers.<br />

Ursprünglich hatte ich vor, mit einem Taxi über<br />

die Ortschaften Marville, Flabas, Ornes, Bezonvaux,<br />

Damloup usw. zu fahren, die aber nur noch dem Namen<br />

nach existieren und durch Schilder gekennzeichnet<br />

sind, was ich schon bei einer früheren Verdunfahrt<br />

feststellte. Auf der Rückfahrt kamen wir noch zu einem<br />

deutschen Jugendlager. Die jungen Leute bringen in<br />

dieser Gegend deutsche Friedhöfe in Ordnung. Leider<br />

trafen wir niemand an, weil sie an diesem Tag mit<br />

einem Bus unterwegs waren.<br />

Montagvormittag habe ich mir nochmal Marville<br />

angesehen und Herrn de jardin aufgesucht, der mir<br />

noch den jahrhundertealten Friedhof mit der alten<br />

Kirche zeigen wollte. Dort ist auch eine Kapelle mit<br />

aufgestapelten Menschenschädeln aus alter Zeit. Unter<br />

den vielen alten Grabdenkmälern war auch noch<br />

eine ziemlich neue Grabplatte eines Freiwilligen von<br />

18 Jahren aus Düsseldorf, gefallen im Jahr 1870.<br />

Dienstags wollte ich wieder zurück. Ich war zeitig<br />

beim Bürgermeister, der mich auch wieder zur Bahn<br />

fuhr. Aber erst mußte ich nochmal zu Mittag essen und<br />

nahm dann Abschied von seiner Familie und von Marville.<br />

Ich war sehr erfreut über die freundliche Aufnahme<br />

überall und habe die Familie des Bürgermeisters<br />

zu einem Gegenbesuch eingeladen.<br />

Zum Schluß noch etwas: Ich kam 1916 bei Verdun<br />

in französische Gefangenschaft und habe bis zu meiner<br />

Heimkehr 1920 viele nette Familien, junge und<br />

alte Leute kennengelernt. Es ist schade, dass die Völkerverständigung<br />

nicht schon vor 100 Jahren kam.<br />

Es wäre viel Herzeleid erspart geblieben.<br />

3/<strong>2015</strong> durchblick 53

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