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AbgAs-Technik<br />
Totaloperation<br />
am Selbstzünder<br />
Ottomotoren auf Gasbetrieb umzurüsten ist kein Hexenwerk. Einen Dieselmotor<br />
dazu zu bringen, mit Flüssiggas zu laufen, dagegen ist ungleich aufwändiger.<br />
Wie eine solche Totaloperation am Selbstzünder aussieht, hat die <strong>amz</strong>-Redaktion<br />
bei BU Bücker & Essing in Lingen erfahren.<br />
Totaloperation: Der Umbau auf Flüssiggas-Betrieb<br />
erfordert tiefgreifende Änderung beim Selbstzünder.<br />
Um die Verdichtung zu reduzieren, bearbeiten die<br />
Spezialisten unter anderem den Kolbenbrennraum<br />
(hinten rechts). Überdies erhält der Zylinderkopf eine<br />
Zündkerzenaufnahme (Bildmitte). Foto: Kuss<br />
Mobilität ist längst keine billige Selbstverständlichkeit<br />
mehr. Hohe Kraftstoffkosten und die damit<br />
verbunden hohen Mineralölsteuern machen Spediteuren,<br />
Transport- und Busunternehmern sowie<br />
Dienstleistern das Leben schwer – und die Erlöse<br />
zunichte. Der Grund: Die täglichen Fahrten entwickeln<br />
sich zunehmend zu einem Kostenproblem.<br />
Deshalb suchen viele der Betroffenen gangbare<br />
Wege aus der Kostenspirale, etwa in alternativen<br />
Antriebskonzepten, etwa der Umrüstung der<br />
Fahrzeuge auf Pflanzenölbetrieb oder andere<br />
Kraftstoffarten wie das im Vergleich zu Diesel- und<br />
Otto-Kraftstoffen deutlich preiswertere Flüssiggas.<br />
Umrüstung möglich<br />
Allerdings ließen sich bislang nur Benzinmotoren mit<br />
relativ überschaubarem Aufwand auf den kosten-<br />
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NKW partner 4/2009<br />
günstigeren und zudem auch noch umweltschonenden<br />
Flüssiggas-Betrieb umrüsten. Besitzer von<br />
dieselbetriebenen Nutzfahrzeugen, die in der derzeit<br />
schwierigen Wirtschaftslage mit hohen Kraftstoffkosten<br />
und verschärften Umweltauflagen zu<br />
kämpfen haben, mussten bis vor kurzem noch „in<br />
die Röhre“ schauen. Doch das könnte sich ändern,<br />
denn in Zukunft wird es möglich sein, auch großvolumige<br />
Dieselmotoren mit LPG (Liquified Petroleum<br />
Gas), sprich: Flüssiggas, zu betreiben. Seit geraumer<br />
Zeit lassen sich nämlich auch Nutzfahrzeuge und<br />
Busse umrüsten: Dem zur BU Drive-Gruppe (www.<br />
bu-drive.de) gehörenden Motorenspezialisten BU<br />
Bücker & Essing im niedersächsischen Lingen ist es<br />
gelungen, einen Selbstzünder auf Fremdzündung<br />
umzubauen und derart zu modifizieren, dass sich<br />
dieser monovalent, also ausschließlich, mit Flüssiggas<br />
betreiben lässt.<br />
Feinschliff: Die Nocken der Nockenwelle erhalten durch<br />
Umschleifen eine neue Kontur, um die Zylinderfüllung zu<br />
verbessern. Foto: Kuss<br />
Dipl.-Ing. Clemens Ortgies, Geschäftsführer der<br />
BU Bücker & Essing GmbH, hat der <strong>amz</strong>-Redaktion<br />
erklärt, was alles für eine solche „Geschlechtsumwandlung“<br />
notwendig ist.<br />
Weniger Abgase, weniger Steuern, weniger Maut<br />
Das Umrüsten ist laut Ortgies nicht nur umweltfreundlich,<br />
sondern auch wirtschaftlich: Nach<br />
dem Umbau erfüllt das nur noch monovalent zu<br />
betreibende Fahrzeug die strenge EU-Abgasnorm<br />
EEV Klasse 1 und lässt sich damit die derzeit günstigste<br />
Schadstoffklasse einstufen. „Die EEV-Norm<br />
beschreibt besonders umweltfreundliche Fahrzeuge<br />
und ist gegenwärtig der anspruchsvollste<br />
europäische Abgasstandard für Lkw und Busse“,<br />
erklärt Ortgies.<br />
Kerzenhalter: Anstelle des Diesel-Injektors sitzt eine<br />
Spezialhülse für die Aufnahme der Gas-Zündkerze im<br />
Zentrum des Zylinderkopf. Foto: Kuss<br />
Geschlechtsumwandlung: Für den Betrieb mit Flüssiggas<br />
muss der Selbstzünder zu einem Fremdzündungsmotor<br />
umfunktioniert werden. Herzstück ist eine elektronisch<br />
gesteuerte, sequentielle Gaseinblasung.<br />
Foto: BU Drive<br />
„Nach der Umrüstung übertreffen die Fahrzeuge<br />
die Abgasqualität der seit Oktober 2008 bei Lkw<br />
und Bussen für alle neuen Fahrzeugtypen gültige<br />
Euro-5-Norm“, erklärt Ortgies. Damit eigne sich<br />
eine solche Umrüstung besonders auch für Fahrzeuge,<br />
die in Innenstädten und Umweltzonen zum<br />
Einsatz kommen, zudem fallen geringere Mautgebühren<br />
und Kfz-Steuern an.<br />
Doch bis zur Serienreife der Diesel-Gasumrüstung<br />
war dem Experten eine mehrjährige Forschungs-<br />
und Entwicklungsarbeit notwendig, an<br />
der unter anderem die Fachhochschulen Heide<br />
und Flensburg maßgeblich beteiligt waren. Seit<br />
kurzem ist die neuartige Antriebstechnologie nun<br />
serienreif und lässt sich von den Motorenspezialisten<br />
bei BU Bücker & Essing umsetzen.<br />
Aufwändige Umbauarbeiten<br />
Der Umbau ist anspruchsvoll, denn der selbstzündende<br />
und hoch verdichtetet Dieselmotor wird<br />
dabei quasi in einen flüssiggasbetriebenen, deutlich<br />
geringer verdichteten Fremdzündungsmotor<br />
„umgewandelt“. Um dies zu bewerkstelligen mussten<br />
nicht nur viele Komponenten neu konstruiert<br />
werden, auch an den weiter verwendeten Teilen ist<br />
viel Arbeit notwendig.<br />
Die Lingener Motorenexperten schleifen unter<br />
anderem das Profil der Nockenwelle um, reduzieren<br />
durch Umarbeiten des Kolbenbrennraums die<br />
Verdichtung und setzen anstelle des Injektors mittels<br />
einer Spezialhülse eine Zündkerze ein. Zudem<br />
erhalten die Zylinderköpfe neuen Ventilführungen<br />
und harte Ventilsitzringe, welche den Gasbetrieb<br />
problemlos verkraften.<br />
Kernelement ist allerdings eine zylindersequentielle,<br />
elektronisch gesteuerte Gaseinblasung mit<br />
eigenem Steuergerät und einer Spezialsoftware,<br />
welche pro Minute etwa 4.000 Werte berechnet,<br />
um eine möglichst optimale Einspritzung zu gewährleisten.<br />
Zudem erhält der Gasmotor zusätzliche<br />
Sensoren, welche dem Steuergerät die Parameter<br />
liefern, um daraus für jeden Zylinder separat<br />
die jeweilige Flüssiggas-Einspritzmenge und den<br />
optimalen Zündzeitpunkt berechnen.<br />
Die Reichweite mit einem 660 Liter Gas-Tanksystem<br />
liegt bei rund 800 km, das Mehrgewicht im<br />
Vergleich zur Dieselvariante beträgt nur etwa 100