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Frauen

Credit Suisse bulletin, 2000/03

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FRAUEN<br />

ter hatte noch ihren Hausarzt, der sie über<br />

die Jahrzehnte begleitete.» Warum sollte<br />

man diesen Hausarzt den Leuten nicht<br />

in der Westentasche mitgeben können ?<br />

Aus der Idee wurde ein Business-Projekt,<br />

das Maulbecker zusammen mit damaligen<br />

Kollegen entwickelte und gegen 900 Konkurrenten<br />

in einen internen Ideenwettbewerb<br />

von McKinsey schickte, wo das<br />

Projekt sowohl die Schweizer als auch die<br />

europäische Ausscheidung gewann.<br />

Das McWellness-Konzept besticht: Angenommen,<br />

Manager Bieri reist geschäftlich<br />

durch Brasilien. In Manaus, mitten im<br />

Regenwald, verspürt er plötzlich ein Stechen<br />

in der Brust. Er greift zum Telefon,<br />

wählt die weltweit einheitliche Hotline,<br />

und schon hat er seinen McWellness-Arzt<br />

am Draht, der das komplette Krankendossier<br />

seines Patienten sekundenschnell<br />

auf den Bildschirm holt, Herrn Bieri eine<br />

erste Anleitung zur Selbsthilfe gibt und<br />

ihm in Manaus einen Termin bei einem<br />

Spezialarzt bucht. Wenn Herr Bieri wenig<br />

später im Sprechzimmer des brasilianischen<br />

Arztes Platz genommen hat, hat<br />

dieser bereits vom McWellness-Kollegen<br />

alle relevanten Patienten-Daten bekommen.<br />

Doch McWellness wirkt nicht nur bei<br />

Notfällen, sondern auch präventiv. Muss<br />

Herr Bieri, der sich bereits wieder in Osteuropa<br />

aufhält, demnächst zum jährlichen<br />

Gesundheitscheck, teilt ihm dies sein<br />

McWellness-Arzt mit und bucht ihm gleich<br />

einen Termin beim nächsten Spezialisten.<br />

«Alleine hätte mir der Mumm gefehlt.»<br />

Ein wunderbares Projekt, «doch allein hätte<br />

ich es niemals in die Tat umgesetzt»,<br />

sagt Catharina Maulbecker. In Barbara<br />

Staehelin fand sie die ideale Partnerin.<br />

Die beiden gründeten 1997 die Firma, und<br />

Anfang 1999 legte McWellness los.<br />

Das Grossraumbüro im fünften Stock<br />

eines Bürogebäudes der Basler City strahlt<br />

Nüchternheit aus. Hier hat sich McWellness<br />

vor kurzem eingerichtet, weil es an<br />

der alten Adresse zu eng wurde. «Ausser<br />

den Tischen haben wir alle Möbel bei Ikea<br />

gekauft», sagt Barbara Staehelin schon<br />

fast stolz und lacht. Noch befindet sich<br />

das Unternehmen in einer Startphase,<br />

Sparsamkeit ist angesagt. «Wir haben vorläufig<br />

rund 160 Kunden», so Staehelin.<br />

«Rentabel wird es erst ab 1000. Bis Ende<br />

Jahr möchten wir dort sein.» Allerdings<br />

denken die Unternehmerinnen in anderen<br />

Dimensionen: «In Europa gibt es einen<br />

Markt von 450 000 Managern. Und vorläufig<br />

sind wir die Einzigen mit diesem Produkt»,<br />

bringt es Staehelin auf den Punkt.<br />

Entsprechend intensiv gestalten sich die<br />

Reiseaktivitäten der beiden Botschafterinnen<br />

im Dienste des Wohlbefindens. «Im<br />

letzten Herbst bin ich vor allem in Deutschland<br />

rumgeflogen», so Maulbecker. «Und<br />

auch in England haben mehrere grosse<br />

Firmen Interesse signalisiert.»<br />

Dreijähriger kappt die Fax-Leitung<br />

In der Luft liegt die Frage, die unweigerlich<br />

einer vielbeschäftigten Berufsfrau mit<br />

Kindern gestellt wird: Wie um Himmels<br />

Willen kriegen Sie all dies unter einen Hut ?<br />

«Eine Frage der Organisation», meinen<br />

beide Unternehmerinnen lakonisch, die<br />

schon in der Zeit bei McKinsey lernten,<br />

wie man tausend Dinge gleichzeitig auf<br />

die Reihe kriegt. «Und eine Frage der<br />

Einstellung», ergänzt Barbara Staehelin.<br />

«Man sollte die Familie als grössere Einheit<br />

betrachten. Da gibt es nicht nur die<br />

Mutter, den Vater und die Kinder.» Das sei<br />

früher, als Vater und Mutter auf dem Feld<br />

arbeiteten, nicht anders gewesen, doppelt<br />

Catharina Maulbecker nach. Im Maulbeckerschen<br />

Haushalt übernehmen zwei<br />

Kindermädchen die Rolle der erweiterten<br />

Familie, genauso bei ihrer Kollegin Staehelin.<br />

Dazu kommen Spielgruppen. «Und<br />

natürlich», so Maulbecker, «sind ja auch<br />

noch unsere Männer da.» Was die Kleinen<br />

natürlich nicht daran hindert, sich manchmal<br />

mit Gewalt die Aufmerksamkeit ihrer<br />

Mütter zu erheischen; zumal wenn diese<br />

sich erdreisten, die Arbeit mit nach Hause<br />

zu nehmen. «Mein Sohn hat schon mit<br />

drei Jahren gelernt, beim Faxgerät den<br />

Stecker rauszuziehen», sagt Catharina<br />

Maulbecker.<br />

Einen Gang zurückschalten? Das kommt<br />

für beide nicht in Frage, «auch wenn das<br />

natürlich rollenkonform wäre», lacht Barbara<br />

Staehelin. Doch McWellness treibt<br />

laufend neue Blüten. Im letzten Jahr kam<br />

McDoctor dazu, eine 24-Stunden-Gesundheitsberatung<br />

per Telefon, für sechs Franken<br />

pro Minute. Bereits haben 250 000<br />

Besitzer der goldenen Eurocard die Möglichkeit,<br />

jederzeit und von überall die Mc-<br />

Doctors anzurufen. Im letzten Dezember<br />

schliesslich schalteten die nimmermüden<br />

<strong>Frauen</strong> das Internet-Informationsportal<br />

McMedizin.ch auf. «Gleich mit drei Produktelinien<br />

loszulegen, widerspricht natürlich<br />

der gängigen Business-Theorie», sagt<br />

Catharina Maulbecker mit einem Lächeln<br />

auf den Lippen.<br />

Den beiden Damen macht es Spass,<br />

gewisse Lehrmeinungen über den Haufen<br />

zu werfen. «Überall können Sie nachlesen:<br />

An der Spitze eines Unternehmens braucht<br />

es einen Kopf, eine starke Leaderfigur.<br />

Und da kommen wir und führen zu zweit»,<br />

so Staehelin. Mancherorts reagiere man<br />

konsterniert auf das Führungsduo. «Viele<br />

Klubs und Vereinigungen sind es gewohnt,<br />

dass jeweils ein Name eingetragen<br />

wird. Und so hören wir immer wieder die<br />

Frage: Wer ist denn nun der Chef ?» Dabei<br />

habe gerade diese Zweierkonstellation<br />

viele Vorteile, meint Staehelin: «Unsere<br />

Firma ist bereits auf 45 Mitarbeiter angewachsen<br />

– eine Grösse, bei der man nicht<br />

mehr so leicht auf die Chefin zugeht und<br />

ihr die Meinung sagt. Da ist es wichtig,<br />

dass wir uns wenigstens untereinander<br />

kritisieren können.»<br />

Der Argwohn bleibt, «gerade auch, weil<br />

wir <strong>Frauen</strong> sind», ist Catharina Maulbecker<br />

überzeugt. «Neulich war in der Zeitschrift<br />

‹Bilanz› fälschlicherweise nur eine von uns<br />

namentlich erwähnt. Prompt riefen zwei<br />

Kollegen an und erkundigten sich, ob wir<br />

uns verkracht hätten.»<br />

Andreas Thomann<br />

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CREDIT SUISSE BULLETIN 3 |00

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