Frauen
Credit Suisse bulletin, 2000/03
Credit Suisse bulletin, 2000/03
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FRAUEN<br />
PETER LIENHART, MITGLIED DER GESCHÄFTSLEITUNG DER CREDIT SUISSE<br />
«Arbeitgeber können Brücken für <strong>Frauen</strong><br />
bauen, doch gesellschaftliche Veränderungen<br />
sind nicht unsere Sache.»<br />
INTERVIEW: ROSMARIE GERBER,<br />
REDAKTION BULLETIN<br />
ROSMARIE GERBER Herr Lienhart, Lukas Mühlemann<br />
propagiert die Gleichstellung der<br />
Geschlechter innerhalb der Credit Suisse<br />
Group. Wie viele <strong>Frauen</strong> sind in den obersten<br />
Leitungsgremien zu finden ?<br />
PETER LIENHART Auf allen Hierarchie-Ebenen<br />
arbeiten qualifizierte <strong>Frauen</strong>. Leider<br />
haben wir keine Frau in der Geschäftsleitung.<br />
Ich bedaure das. Ich bin überzeugt,<br />
dass <strong>Frauen</strong> anders kommunizieren und<br />
anders führen. Eines Tages werden auch<br />
dort <strong>Frauen</strong> einziehen.<br />
R.G. Und «eines Tages» heisst, meine Enkelin<br />
wird eine Chance bekommen ?<br />
P.L. Ich bin nicht so pessimistisch. Wenn<br />
im richtigen Moment eine Frau mit entsprechenden<br />
Qualifikationen zur Disposition<br />
steht, hat sie eine echte Chance.<br />
R.G. Die Credit Suisse institutionalisiert einen<br />
Mutterschaftsurlaub, führt Kinderkrippen<br />
und gewährt Teilzeit für <strong>Frauen</strong>. Ist sie auch<br />
bereit, <strong>Frauen</strong> im mittlern Kader zu fördern,<br />
die von diesen Möglichkeiten Gebrauch<br />
machen ?<br />
P.L. <strong>Frauen</strong> haben gute Aufstiegschancen.<br />
Immerhin stellen sie 18 Prozent des<br />
Kaders und sechs Prozent der Direktion.<br />
Wir wollen jedoch keine <strong>Frauen</strong>quoten. Es<br />
ist eine Sisyphus-Arbeit, den <strong>Frauen</strong>anteil<br />
zu erhöhen, denn wir verlieren immer wieder<br />
gute Kaderfrauen aus familiären Gründen.<br />
In der letzten Beförderungsrunde war<br />
der <strong>Frauen</strong>anteil ein Viertel. Unsere Politik<br />
ist klar, doch real machen wir nur kleine<br />
Schritte, und das ist frustrierend.<br />
R.G. Wie würden Sie einen Antrag für Vaterschaftsurlaub<br />
behandeln ?<br />
P.L. Wenn sich der Vaterschaftsurlaub in<br />
England an der Downing Street bewährt,<br />
könnten auch wir das in Erwägung ziehen.<br />
Spass beiseite: Das ist zurzeit kein Thema.<br />
R.G. Und der Mutterschaftsurlaub ist keine<br />
Karrierenbremse ?<br />
P.L. Nein. Vor zwei Jahren sind zwei <strong>Frauen</strong><br />
in Erwartung in die Direktion befördert<br />
worden. Beide arbeiten wieder teilzeitig.<br />
R.G. Und dieses Teilzeit-Arrangement bewährt<br />
sich ?<br />
P.L. Sehr. Auch meine beiden Human<br />
Ressources Consultants sind <strong>Frauen</strong> und<br />
arbeiten als Job-Sharer. Das ist ein Pilotversuch,<br />
den wir verbreitern möchten.<br />
R.G. Und wo sind die Grenzen qualifizierter<br />
Teilzeitarbeit ?<br />
P.L. Um das zu klären, führen wir zurzeit<br />
einen Pilotversuch durch. Im Bereich der<br />
Kundenbetreuung ist stetige Präsenz erforderlich.<br />
Ein häufiger Wechsel würde nicht<br />
verstanden. Auch bei Führungspositionen<br />
sehe ich Teilzeit nicht so plastisch. Aber<br />
überall, wo ein organischer Ablauf auch<br />
bei reduzierter Arbeitszeit sichergestellt<br />
werden kann, möchten wir Hand bieten.<br />
R.G. Können Sie den direkten Nutzen von<br />
<strong>Frauen</strong>förderungsmassnahmen in Franken<br />
und Rappen belegen ?<br />
P.L. Nicht in Zahlen. Aber intuitiv ist mir<br />
klar, dass wir Mehrwert generieren.<br />
R.G. Die Credit Suisse propagiert Gleichstellung<br />
und ist bei «Taten statt Worte» aktiv.<br />
Haben solche Organisationen mehr als Feigenblattfunktion<br />
?<br />
P.L. Wir gehören zu den Gründungsmitgliedern<br />
von «Taten statt Worte». Die<br />
Credit Suisse ist auch in den Leitungsgremien<br />
vertreten und hat in den vergangenen<br />
Jahren – ungeachtet der Wirtschaftslage<br />
– in Sachen Gleichstellung Tempo<br />
gemacht.<br />
R.G. Trotzdem sind <strong>Frauen</strong> in massgeblichen<br />
Positionen selten.<br />
P.L. Ich würde es befürworten, wenn diese<br />
Positionen hälftig von <strong>Frauen</strong> besetzt<br />
wären. Aber dieser Wunsch kollidiert mit<br />
der Realität. Arbeitgeber können nur Brücken<br />
bauen. Es ist nicht ihre Aufgabe, die<br />
Gesellschaft zu verändern. Wenn eine Frau<br />
die Familie favorisiert, ist das achtenswert<br />
und entzieht sich unserem Einfluss.<br />
R.G. Aber neben gesellschaftlichen Vorgaben<br />
haben auch psychologische Barrieren<br />
Bremsfunktionen.<br />
P.L. Nein. Ich denke, dass die junge Generation<br />
vorurteilslos zusammenarbeitet.<br />
Und vergessen Sie nicht, Futterneid ist<br />
geschlechtsneutral. Allerdings stellen wir<br />
fest, dass sich <strong>Frauen</strong> bei Anstellungsverhandlungen<br />
schlechter verkaufen als<br />
Männer. Als direkte Folge davon führen<br />
wir in regelmässigen Abständen Salärbereinigungsrunden<br />
durch.<br />
R.G. Eine Genfer Politologin sagt, eine Karriere<br />
koste zwölf Arbeitsstunden sieben Tage<br />
die Woche. Familienpflichten sind da wohl<br />
nicht mehr zu bewältigen.<br />
P.L. In einzelnen Fällen sind solche Einsätze<br />
vielleicht angesagt. Aber als Norm<br />
ist das sicher ungesund. Ich stehe grundsätzlich<br />
zur Devise « work smart not hard ».<br />
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