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Credit Suisse bulletin, 2000/03
Credit Suisse bulletin, 2000/03
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CARTE BLANCHE:<br />
DOMINIQUE FOLLETÊTE<br />
«0,5 x 2 x 3»<br />
DOMINIQUE FOLLETÊTE<br />
«<br />
MITGLIED DER GESCHÄFTSLEITUNG<br />
DER CREDIT SUISSE<br />
Die neue Arbeitsformel für die Zukunft,<br />
0,5 x 2 x 3, stammt von Prof. Horst W.<br />
Opaschowski, Leiter des BAT Freizeit-<br />
Forschungsinstituts in Hamburg und Zukunftsforscher:<br />
Die Hälfte der Mitarbeiter<br />
verdient doppelt so viel und muss dafür<br />
dreimal so viel leisten wie früher. In diesem<br />
Sinne versteht Opaschowski seine Formel<br />
als Ausdruck blanker Maximierung des<br />
Shareholder Value. Fast jedes Mal, wenn<br />
ich eines unserer Verkaufsteams besuche,<br />
um mit ihm die Jahresziele und die erreichten<br />
Resultate zu besprechen, läuft<br />
mir Opaschowskis Formel über den Weg.<br />
«Die Ziele sind unglaublich hoch gesteckt,<br />
Konkurrent X macht uns das Leben schwer,<br />
der administrative Kram nimmt eher zu<br />
statt ab, hätten wir eine Sekretärin, könnten<br />
wir uns noch mehr den Kunden und<br />
dem Verkauf zuwenden…», dies und Ähnliches<br />
bekomme ich dann zu hören. Meistens<br />
bin ich um eine befriedigende Antwort<br />
auf diese vorsichtigen Beschwerden<br />
nicht verlegen: «Die ausgezeichneten Resultate<br />
der vergangenen Jahre zeigen,<br />
dass unsere Politik stimmt. Davon profitieren<br />
alle, nicht nur unsere Aktionäre.»<br />
In einer Verkaufsorganisation ist das<br />
Spannungsfeld zwischen Leistung einerseits<br />
und allen übrigen Werten wie Selbstverwirklichung,<br />
Teamgeist, Handlungsfreiheit,<br />
Abwechslung, Kreativität, Familienleben,<br />
Gesundheit und – nicht zuletzt –<br />
Kundenzufriedenheit besonders spürbar.<br />
Knappe Ressourcen, ambitiöse Verkaufsziele<br />
und wachsende Anspruchshaltungen<br />
der Kundschaft, verbunden mit einer regelmässigen<br />
Messung von Verkaufsresultaten<br />
sowie Servicequalität, erzeugen einen<br />
hohen Leistungsdruck. Klagen, dass dabei<br />
die übrigen Werte zu kurz kommen, sind<br />
ernst zu nehmen.<br />
Begreiflich, dass um Möglichkeiten<br />
gerungen wird, die anderen Werte im Sinne<br />
einer hohen Arbeitszufriedenheit ebenfalls<br />
ins Tageswerk zu integrieren. Hier<br />
setzt eine der vornehmsten Aufgaben der<br />
Vorgesetzten aller Stufen ein. Es gilt, die<br />
Stressfaktoren in Zusammenarbeit mit<br />
den Mitarbeitern zu identifizieren und Gegenmassnahmen<br />
zu treffen. Dabei werden<br />
die raschesten Erfolge nach meiner Erfahrung<br />
nicht mit einer Umverteilung von<br />
Ressourcen, der Verbesserung von Produkten<br />
oder der Optimierung von Arbeitsabläufen<br />
erzielt. Sie sind mit geschickter<br />
Menschenführung schneller und günstiger<br />
zu erreichen. Drei Massnahmen stehen<br />
dabei im Vordergrund: Allen voran eine aktive<br />
Kommunikation, welche auch die Nähe<br />
der obersten Chefs zur Basis mit einschliesst<br />
– Ziele erklären, Erreichtes würdigen,<br />
Hervorragendes belohnen, Verbliebene<br />
unterstützen, Lasten im Team besser<br />
verteilen, Vertrauen schenken. Zweitens<br />
sind den Mitarbeitern die eigenen Handlungsspielräume<br />
aufzuzeigen. In Betrieben<br />
mit konfektionierten Produkten und klar<br />
definierten Arbeitsabläufen werden diese<br />
Spielräume meist völlig verkannt. Solche<br />
Räume mit eigenen Initiativen zu füllen, ist<br />
der Arbeitsmotivation erfahrungsgemäss<br />
in hohem Masse förderlich. Und ein Drittes,<br />
eigentlich Selbstverständliches: Den<br />
Kunden – und nicht das eigene Unternehmen<br />
– in den Mittelpunkt stellen. Auf meine<br />
Frage, was denn die Zufriedenheit am<br />
Arbeitsplatz am meisten ausmache, erhalte<br />
ich oft die spontane Antwort: «Die Zufriedenheit<br />
des Kunden!» Gibt es eine bessere<br />
Antwort ?<br />
Es mag sein, dass Opaschowskis Formel<br />
unter dem Wettbewerbsdruck, den<br />
die Globalisierung ausgelöst hat, in vielen<br />
Unternehmen Realität geworden ist. Die<br />
Formel mit der Maximierung des Shareholder<br />
Value gleichzusetzen, scheint mir<br />
dagegen verfehlt. Sie huldigt den von gewissen<br />
Medien und Politikern systematisch<br />
hochgespielten Interessenkonflikten<br />
zwischen Shareholdern und Stakeholdern,<br />
und sie unterstellt den börsenkotierten<br />
Unternehmen, einseitig die Interessen der<br />
Investoren zu privilegieren.<br />
Es bedarf dagegen keines aussergewöhnlichen<br />
Weitblicks, um zu erkennen,<br />
dass Leistungstreiberei und hoher Druck<br />
auf die Kosten allein keinen nachhaltigen<br />
Unternehmenserfolg garantieren. Ohne<br />
eine Wertschöpfungsidee, welche ihren<br />
Kunden einen Mehrwert, den Mitarbeitenden<br />
attraktive Arbeitsplätze und den Aktionären<br />
eine angemessene Rendite verspricht,<br />
wird heute kein Unternehmen weit<br />
kommen. Unabdingbar für den nachhaltigen<br />
Erfolg sind ferner normative Leitplanken,<br />
innerhalb derer sich die Wertschöpfung<br />
zu realisieren hat, und Führungs- und<br />
Kontrollsysteme, die der Firma angepasst<br />
sind. Auf die Dauer wirklich erfolgreich ist<br />
ein Unternehmen, das nach hoher Leistung<br />
strebt, Risiken eingeht und beherrscht<br />
sowie ein ethisch vertretbares Geschäftsgebaren<br />
an den Tag legt.<br />
Das lässt sich freilich nicht in einer einfachen<br />
Formel darstellen.<br />
»<br />
Fotos: Pia Zanetti, Muriel Lässer<br />
CREDIT SUISSE BULLETIN 3 |00