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Goethe war gut

Zur Geschichte des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften der Johann Wolfgang von Goethe-Universität in Frankfurt am Main, der Frankfurter Wirtschaftswissenschaftlichen Gesellschaft (fwwg) und zu den Herausforderungen der Alumniarbeit

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EHRENMITGLIEDER<br />

tete Reinhard Selten bei dem Frankfurter Hochschullehrer Heinz Sauermann,<br />

der die Mathematisierung der bis dahin noch geisteswissenschaftlich<br />

orientierten deutschen Volkswirtschaftslehre vorantrieb. Da <strong>war</strong> Selten<br />

zur rechten Zeit am rechten Ort, denn er wandte in der Mathematik<br />

verbreitete Verfahren auf sozialwissenschaftliche Probleme an und legte<br />

damit den Grundstein für seinen späteren Erfolg. 1961 wurde Reinhard<br />

Selten zum Dr. phil. promoviert. In dieser Zeit legten Heinz Sauermann<br />

und seine Assistenten Reinhard Selten und Reinhard Tietz die Grundlagen<br />

für die Experimentelle Wirtschaftsforschung in Deutschland, die heutzutage<br />

unter Namen wie Behavioral Finance fälschlicherweise allein den Amerikanern<br />

zugeschrieben wird.<br />

Er lebte tief in seiner Welt<br />

Einige Jahrzehnte später arbeitete ich als Assistent in den ehemaligen Räumen<br />

von Sauermann und räumte einen Stapel uralter Diplom- und Doktorarbeiten<br />

um. Dabei fiel mein Blick auf ein vergilbtes Exemplar, auf dem<br />

der Name Reinhard Selten stand. Er <strong>war</strong> damals noch nicht berühmt, aber<br />

ich kannte ihn natürlich und konnte mich daher nicht beherrschen, in die<br />

Arbeit hineinzusehen. Vorn eingelegt <strong>war</strong> das Gutachten. Ich <strong>war</strong> dumm<br />

genug, keine Kopie davon anzufertigen, denn inzwischen ist bestimmt alles<br />

im Schredder gelandet. Aber ich erinnere mich an einen Satz aus dem<br />

Gutachten, in dem es sinngemäß hieß, diese Arbeit sei bahnbrechend und<br />

man werde von dem Autor in Zukunft bestimmt noch hören.<br />

Der Alltag dagegen hatte in Reinhard Seltens Leben nie einen besonderen<br />

Stellenwert. Seine Studenten kannten ihn eher als einen etwas wirren Professor,<br />

der mit heraushängendem Hemd und ziemlich nuscheliger Aussprache<br />

unverständliche Sachen sagte und an die Tafel schrieb (obwohl er übrigens<br />

unnachahmlich <strong>gut</strong> erklären kann, wenn er nur will; aber das will er<br />

eigentlich nur bei Menschen, die sich wirklich auf seine Welt einlassen).<br />

Selten <strong>war</strong> nie ein effizienter Manager, sondern außerhalb wissenschaftlicher<br />

Debatten immer eher verträumt und langsam. Eines Tages kam er<br />

vom Einkaufen zurück und sah eine kleine Menschenmenge vor seiner<br />

Haustür stehen. Das wunderte ihn schon etwas, und so erfuhr er auf diese<br />

Weise, dass er während seines Wocheneinkaufs als Nobelpreisträger für<br />

Wirtschaftswissenschaften bekanntgegeben worden <strong>war</strong>. Auch wenn er<br />

Menschenmengen nie <strong>gut</strong> leiden konnte, freute ihn das wohl, aber zuerst<br />

einmal ließ er sich von ein paar Journalisten helfen, die Einkaufstüten ins<br />

Haus zu bringen. Schließlich wird ja sonst die Milch schlecht. Ich weiß<br />

das, weil die Kameras mitliefen.<br />

Die Journalisten hatten keine Ahnung, wofür er den Nobelpreis bekommen<br />

hatte, und seine Erklärungen verstanden sie wohl auch nicht. „Nichtoperative<br />

Spieltheorie“ hieß es in den ersten Meldungen. Das <strong>war</strong> <strong>gut</strong> für<br />

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