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Goethe war gut

Zur Geschichte des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften der Johann Wolfgang von Goethe-Universität in Frankfurt am Main, der Frankfurter Wirtschaftswissenschaftlichen Gesellschaft (fwwg) und zu den Herausforderungen der Alumniarbeit

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EHRENMITGLIEDER<br />

mich, denn ich hatte damals eines der ersten Spieltheorie-Lehrbücher geschrieben,<br />

und irgendwen mussten die Journalisten ja fragen. Seitdem ist<br />

es mein Erkennungsmerkmal geworden, Spieltheorie allgemeinverständlich<br />

darzustellen (und falls Sie sich jetzt fragen, was an „nicht-operativ“ so<br />

falsch ist: mein Buch gibt es immer noch).<br />

Allerdings ist es eine Legende, dass Selten vom Nobelpreis aus heiterem<br />

Himmel überrascht worden sei. Wir alle wussten, dass er ein ganz heißer<br />

Kandidat <strong>war</strong>. Denn der Nobelpreis für Spieltheorie <strong>war</strong> überhaupt nur<br />

deshalb noch nicht vergeben worden, weil John Nash bekanntlich geisteskrank<br />

<strong>war</strong> und es ohne ihn nicht gegangen wäre. Aber das Nash-<br />

Gleichgewicht wurde eigentlich fast immer mit bestimmten Verfeinerungen<br />

(Refinements) angewandt, und diese Denkrichtung stammte von Reinhard<br />

Selten.<br />

Als John Nash auf einmal wieder öffentlich sichtbar wurde, brauchte man<br />

also nur eins und eins zusammenzuzählen, besonders wenn man von der<br />

Existenz mysteriöser Umschläge skandinavischer Herkunft wusste, die bei<br />

diversen bekannten Spieltheoretikern auftauchten. (Einem Nobelpreis geht<br />

natürlich ein ausgiebiger Be<strong>gut</strong>achtungsprozess voraus, der nicht geheim<br />

bleiben kann. Auch wenn man also nie die tatsächlichen Preisträger kennt,<br />

so ist in Insiderkreisen zumindest bekannt, wer ein ernstzunehmender Kandidat<br />

ist.)<br />

Nach dem Preis <strong>war</strong> nichts mehr wie vorher<br />

Nur Selten gegenüber durfte man diese Tatsache unter gar keinen Umständen<br />

erwähnen, sonst wurde er sehr kurz angebunden und fast unwirsch,<br />

etwa so als hätte man Fäkalwörter benutzt oder die Teilspielperfektheit in<br />

Frage gestellt. Vermutlich wollte Selten nicht zum Sklaven irgendeiner<br />

Publicity-Maschine werden. Ich kenne einen anderen deutschen Forscher,<br />

der sich ziemlich sicher <strong>war</strong>, den Preis zu bekommen; als dann ein anderer<br />

für ganz ähnliche Arbeiten ausgezeichnet wurde, bekam er statt des Preises<br />

einen Herzinfarkt. Auf solche fremdgesteuerten Spielchen wollte sich Selten<br />

wohl nicht einlassen.<br />

Nach dem Preis <strong>war</strong> nichts mehr wie vorher. Vorher hatte er Zeit, der Platz<br />

neben ihm <strong>war</strong> fast immer frei und man konnte beliebig lange mit ihm<br />

über Science-Fiction oder philosophische Grundkonzepte der Rationalität<br />

diskutieren (wobei man allerdings <strong>gut</strong> beraten <strong>war</strong>, sich dafür sehr <strong>war</strong>m<br />

anzuziehen, denn sanfte Diskussionen <strong>war</strong>en noch nie seine Stärke). Als er<br />

zum ersten Mal in seinem Leben mit einem Terminkalender auftauchte,<br />

wusste ich, dass diese Zeit vorbei <strong>war</strong>. Und ganz subjektiv schätze ich es<br />

so ein, dass seine glücklichere Zeit vorher <strong>war</strong>, als er nur mit solchen Leuten<br />

über die Theorien zu sprechen brauchte, denen das Thema ebenfalls ein<br />

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