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Auch Edith von Leckwyck (1899-1987), die<br />
in zweiter Ehe seit 1935 mit dem berühmten<br />
Maler Heinrich Campendonk (1889-1957)<br />
verheiratet war, gab nach ihrer Eheschließung<br />
ihre künstlerischen Ambitionen weitgehend<br />
auf, obwohl sie, in Den Haag und<br />
Antwerpen ausgebildet, schon erfolgreich<br />
ausgestellt und an der Antwerpener Schule<br />
für Kunsthandwerk unterrichtet hatte.<br />
Es mag sein, daß Campendonk sie als potentielle<br />
Konkurrentin betrachtete, jedoch<br />
wissen wir dies nicht mit Sicherheit. Jedoch<br />
müssen wir zumindest davon ausgehen,<br />
daß die Heirat den Verlust an Kreativität<br />
und Produktivität herbeigeführt hat. Grund<br />
hierfür kann die Vereinnahmung durch ihren<br />
Mann, dessen erfolgreiche Zurückweisung<br />
in ihre traditionelle Rolle als Frau sein,<br />
wenn auch nicht auszuschließen ist, daß<br />
sie diese Rolle freiwillig erfüllte. Erst nach<br />
Campendonks Tod nahm sie die künstlerische<br />
Arbeit wieder auf.<br />
Ein wohl ähnliches Schicksal ereilte die<br />
Malerin und Graphikerin Anna Betzler-<br />
Holtschmidt (geb. 1889). Sie war mit dem<br />
Frankfurter Maler und Kunsterzieher Emil<br />
Betzler (1892-1974) verheiratet, den sie sicher<br />
während ihrer Studienzeit an der Düsseldorfer<br />
Kunstakademie als Schülerin von<br />
Lothar von Kunowski (1866 – vor 1928)<br />
kennengelernt hatte. 1916 begleitete sie ihren<br />
Mann nach Frankfurt am Main. Dann<br />
verliert sich ihre Spur, so daß zu vermuten<br />
ist, daß sie nach ihrer Verehelichung die<br />
künstlerische Produktion ganz aufgab, vielleicht<br />
tolerierte er ihre künstlerischen Ambitionen<br />
nicht. Möglich ist jedoch auch, daß<br />
sie ihren Ehemann für talentierter erachtete<br />
– die Anerkennung eigener Leistungen war<br />
für viele Frauen aufgrund anerzogener Verhaltensmuster<br />
häufig problematisch.<br />
Auch Marianne Geyer (1891-1941), die<br />
1924 den bekannten Graphiker, Bildhauer,<br />
Architekten und Designer Bernhard Pankok<br />
(1872-1943) ehelichte, scheint wenige Jahre<br />
nach ihrer Verheiratung ihre künstlerische<br />
Arbeit eingestellt und ein Leben als bürgerliche<br />
Künstlergattin geführt zu haben.<br />
Ihren nahezu 20 Jahre älteren Ehemann<br />
hatte sie anscheinend während ihrer Ausbildung<br />
in Stuttgart an der Kunstgewerbeschule<br />
kennengelernt, wo dieser als Professor<br />
und Direktor tätig war. Ob die Abwendung<br />
vom künstlerischen Schaffen aus Rücksicht<br />
auf ihren Mann geschah oder dieser ihre<br />
künstlerischen Ambitionen beschnitt, Mutterpflichten<br />
oder gesellschaftliche Zwänge<br />
sie dazu veranlaßten, möglicherweise aber<br />
allein mangelndes Vertrauen in die eigenen<br />
Fähigkeiten dazu führten, ist auch hier nicht<br />
zu ergründen.<br />
Als typisch weibliches Schicksal ist<br />
ebenso das von Alice Sommer (1898-1982)<br />
zu bezeichnen, obwohl ihr künstlerischer<br />
Werdegang vielversprechend begann: Nach<br />
einer Ausbildung 1917-1919 an der Kunstgewerbeschule<br />
in Dresden bei Max Feldbauer<br />
(1869-1948) und Margarete Junge (1874-<br />
1966), folgte die Tochter eines Dresdener<br />
Konditoreibesitzers 1920 Feldbauer, der an<br />
die örtliche Kunstakademie berufen worden<br />
war. Hier erhielt sie in Anerkennung ihrer<br />
Leistungen um 1922 ein Einzelatelier, in<br />
dem sie bis zum Ende ihres Studiums 1924<br />
arbeitete.<br />
Zusammen mit ihrer Dresdener Kommilitonin<br />
Paula Lauenstein (1898-1980), mit der<br />
sie seit etwa 1920 eng befreundet war, teilte<br />
sie das malerische Interesse für Menschen,<br />
die außerhalb der Gesellschaft stehen, wie<br />
Behinderte und Kranke. 1927 heiratete sie<br />
den Geiger Hans Morgenstern, mit dem<br />
sie seit der Akademiezeit befreundet war –<br />
und ihre 10jährige Schaffenszeit bricht bis<br />
auf gelegentliches Aquarellieren von Landschaften<br />
aus nicht bekannten Gründen ab.<br />
Gesellschaftliche Ausgrenzung, Ehe und<br />
Mutterschaft, die unablässige Inanspruchnahme<br />
physischer und psychischer weiblicher<br />
Aufmerksamkeit und die wahrscheinlich<br />
nicht selten aufgezwungene Aufgabe des<br />
schöpferischen Schaffens sind alles nahezu<br />
unüberwindliche Hürden, die, gemeinsam<br />
mit der unzureichenden Ausbildungssituation,<br />
meist fehlender Plattform für die Präsentation<br />
eigener Werke sowie dem Ausbleiben<br />
des wichtigen Zugangs zur Kunstszene<br />
und Anerkennung, sicher zum frühen Tod,<br />
manchmal auch Freitod einiger Künstlerinnen<br />
führten.<br />
So kann als Folge gesellschaftlicher<br />
Umstände sicher auch der Selbstmord der<br />
heute weitgehend in Vergessenheit geratenen<br />
Künstlerin Cornelia Gurlitt (1890-1919)<br />
angesehen werden. Über diese aus Dresden<br />
stammende Malerin, Zeichnerin und<br />
Graphikerin, Tochter des Architekten und<br />
Kunsthistorikers Cornelius Gurlitt (1850-<br />
1938), ist wenig bekannt.<br />
Kaum mehr, als daß sie während des<br />
Ersten Weltkrieges als Sanitätsschwester in<br />
den Kriegslazaretten Metsch/Johannesburg<br />
und Wilna-Antokol arbeitete, wo sie die<br />
Bekanntschaft des Redakteurs und Schriftstellers<br />
Paul Fechter machte, der ihr ein<br />
Kapitel in seinem Buch „An der Wende der<br />
Zeit. Menschen und Begegnungen“, heraus-<br />
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