Falstaff Magazin Schweiz 4/2018
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Wer an der Côte<br />
d’Azur in eines der<br />
namhaften Strandlokale<br />
einkehrt, tut<br />
gut daran, sich die<br />
Weinkarte etwas<br />
genauer anzusehen. Denn was wenige wissen:<br />
In der Provence wachsen charaktervolle<br />
Weissweine von ausgezeichneter Qualität.<br />
Oft verbergen sie sich hinter unbekannten<br />
AOC-Namen wie «Palette» und «Cassis»,<br />
oder sie tragen gar Landwein-Bezeichnungen<br />
wie «Alpilles» oder «Bouches du Rhône»<br />
auf dem Etikett.<br />
Dass diese Weine so gut sind, hat mehrere<br />
Gründe. Einer von ihnen ist der Mistral.<br />
Dieser aus Nordwesten über die Hügel der<br />
Provence streichende kalte Fallwind kann<br />
selbst im Hochsommer immer wieder für<br />
knackige Abkühlung sorgen. Weisse Trauben<br />
profitieren ganz besonders davon: Zum<br />
einen hält der Wind die Trauben lange<br />
gesund – was die Provence übrigens auch<br />
zu einem Eldorado für Bio-Winzer macht.<br />
Zum anderen fördern die Temperaturunterschiede<br />
die Aromenbildung – und helfen,<br />
die Frische der Frucht zu bewahren.<br />
Ein weiterer Faktor für die Qualität ist<br />
die lang zurückreichende Weinbaugeschichte<br />
der Region: Phokäer, Griechen, Römer,<br />
Gallier – alle haben in der Provence ihre<br />
weinbaulichen Spuren hinterlassen. Eine<br />
grosse Sortenvielfalt ist die Folge – und die<br />
Winzer nützen sie, um Komplexität ins Glas<br />
zu bringen. Dabei können die Assemblagen<br />
je nach den Gegebenheiten in den Weinbergen<br />
sehr unterschiedlich ausfallen. Die wichtig-sten<br />
Weissweintrauben sind Clairette,<br />
Bourboulenc, Marsanne und Roussanne,<br />
aber auch Rolle (der Vermentino Sardiniens),<br />
Grenache Blanc, Sémillon, Ugni Blanc, und<br />
sogar Muskatellerspielarten kommen vor.<br />
LOKALE HOCHKULTUR UND<br />
INTERNATIONALES FLAIR<br />
Beispielhaft für die Ausbildung örtlicher<br />
Weisswein-Hochkulturen steht die nur 40<br />
Hektaren grosse AOC Palette, die etwa zur<br />
Hälfte Weisswein erzeugt. Ihrer Kalksteinböden<br />
wegen wurde die Herkunft bereits<br />
1948 in den Rang einer AOC erhoben. Das<br />
einzige überregional bekannte Weingut,<br />
Château Simone, hat eine noch viel längere<br />
Geschichte: Es wurde im 16. Jahrhundert<br />
von Karmelitermönchen gegründet. Mit<br />
traditionellen Methoden – einige Weinberge<br />
sind noch im Mischsatz gepflanzt – entstehen<br />
hier Wein-Unikate von Rang.<br />
An anderen Orten der Provence wachsen<br />
die weissen Reben auf Schiefer – etwa im<br />
Clos Mireille der zum Champagnerhaus<br />
Roederer gehörigen Domaines Ott. Die<br />
Anwesenheit mondäner Investoren ist ein<br />
weiteres Merkmal der provenzalischen<br />
(Weiss-)Wein-Landschaft. So verfügen<br />
gleich drei Champagnerhäuser über eine<br />
hiesige Dépendance: Am bekanntesten ist<br />
wohl die zu Roederer gehörige Domaines<br />
Ott, doch auch Pommery (Château La Gordonne)<br />
und Bruno Paillard (Château des<br />
Sarrins) engagieren sich im Hinterland der<br />
Côte d’Azur. Alle drei Häuser haben aus<br />
der Champagne ihre Fähigkeit mitgebracht,<br />
mineralische Weissweine und elegante hellfarbene<br />
Roséweine zu keltern. Mit Sacha<br />
Lichine (Château d’Esclans) ist zudem ein<br />
Unternehmer aktiv, dessen Familie nach<br />
dem zweiten Weltkrieg in Bordeaux und<br />
weit darüber hinaus französische Weinbaugeschichte<br />
geschrieben hat.<br />
Markante Flasche,<br />
markanter Wein: der<br />
weisse Clos Mireille<br />
der Domaines Ott.<br />
jun <strong>2018</strong> falstaff 99