Stahlreport 2018.01
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Was die Berufsbildungsausschüsse des Handels derzeit diskutieren<br />
Semantik und Einfluss<br />
Traditionelle Strukturen der beruflichen Bildung werden in Zeiten der digitalen Vernetzung und<br />
der damit verbundenen Intensivierung des Wettbewerbs immer mehr hinterfragt. Dabei geht es<br />
manchmal um Semantik, vor allem aber um Einfluss. Das haben die jüngsten Sitzungen der Berliner<br />
Berufsbildungsausschüsse des Handels deutlich gemacht – allein schon durch die dort Ende<br />
November diskutierten Themen: Neue bzw. neu gestaltete Ausbildungsberufe gehörten ebenso<br />
dazu wie innovative Ideen zur Fort- und Weiterbildung. Mit Dr. Ludger Wolfgart, Bereichsleiter<br />
Berufsbildung beim BDS, war bei den Treffen in Berlin auch der Stahlhandel vertreten.<br />
Auch der kann künftig auf den<br />
neuen Ausbildungsberuf „Kaufmann/<br />
Kauffrau im E-Commerce“ oder auf<br />
die reformierte Lehre zum „Kaufmann/Kauffrau<br />
im Groß- und Außenhandel“<br />
zurückgreifen. Der Handelsverband<br />
Deutschland (HDE) und der<br />
Bundesverband Großhandel, Außenhandel,<br />
Dienstleistungen (BGA), deren<br />
Berufsbildungsausschüsse – teilweise<br />
gemeinsam – in der Hauptstadt diskutierten,<br />
zeigten sich zufrieden über<br />
das damit erreichbare Kompetenzniveau.<br />
Auch vor diesem Hintergrund<br />
sehen diese Gremien mehrheitlich die<br />
Abwertung kritisch, die durch eine<br />
„Höhere Berufsbildung“ erfolgen<br />
könnte, die u.a. der Deutsche Industrie-<br />
und Handelskammertag (DIHK)<br />
ins Gespräch gebracht hat – und der<br />
damit das System der Aufstiegsfortbildung<br />
gefährdet, wie nicht nur die<br />
genannten Handelsverbände meinen.<br />
Indirekt bzw. sogar direkt beziehen<br />
sich dabei alle Beteiligten auf den weiterhin<br />
umstrittenen Deutschen Qualifikationsrahmen<br />
(DQR).<br />
veröffentlicht worden. Es handele sich<br />
um einen kaufmännisch geprägten<br />
Monoberuf ohne differenzierende Fachrichtungen.<br />
Auch deshalb sei diese<br />
dreijährige Lehre branchenübergreifend<br />
einsetzbar.<br />
Ungeklärt ist derzeit aber noch,<br />
wie dieser Duale Ausbildungsberuf,<br />
der bundesweit angeboten wird,<br />
beschult werden soll. Es geht um technische<br />
Ausstattung und pädagogische<br />
Konzepte. Dass die nötigen Antworten<br />
auf die entsprechenden Fragen nach<br />
wie vor in die Hoheit der Bundesländer<br />
fallen, erwies sich in den Ge -<br />
sprächen im Übrigen als ein weiteres<br />
Indiz für die eingangs erwähnten<br />
zunehmend kritischen Überlegungen<br />
zu traditionellen Bildungsstrukturen in<br />
Deutschland.<br />
Kaufleute im<br />
Groß- und Außenhandel<br />
Reformiert soll mit Wirkung ab<br />
2019/2020 die Ausbildung künftiger<br />
Kaufleute im Groß- und Außenhandel<br />
angeboten werden. Ein entsprechendes<br />
Antragsverfahren hat der BGA eingeleitet,<br />
und sein Berufsbildungsausschuss<br />
will die 2018 dazu anstehenden<br />
Gespräche zwischen den nicht immer<br />
meinungsgleichen Sozialpartnern, das<br />
sind neben den Arbeitgebern und den<br />
Arbeitnehmern auch die Bundesländer,<br />
mit mehreren Sondersitzungen<br />
zeitnah begleiten – unter dem Arbeitstitel<br />
„Kaufmann/Kauffrau für Großund<br />
Außenhandelsmanagement“.<br />
Die Reform der aus 2006 stammenden<br />
Ausbildungsordnung wird zum<br />
einen die inzwischen erfolgten Veränderungen<br />
durch die Digitalisierung<br />
– und damit auch E-Commerce –<br />
berücksichtigen. Zum anderen sollen<br />
aber auch weitere neue Themen wie<br />
Compliance oder Nachhaltigkeit aufgegriffen<br />
werden. Zudem spielen auch<br />
Leitungsnachweise eine wichtige Rolle;<br />
angestrebt wird für die weiterhin dreijährige<br />
Ausbildung auf DQR-Niveaustufe<br />
4 beispielsweise eine gestreckte<br />
Abschlussprüfung.<br />
Höhere Berufsbildung<br />
Eine „Höhere Berufsbildung“ ab<br />
Niveaustufe 5 hat jetzt erstmals der<br />
DIHK ins Gespräch gebracht und wird<br />
dabei vom Zentralverband des Deutschen<br />
Handwerks (ZDH) unterstützt.<br />
Semantisch wirft dieser Ansatz die<br />
Frage auf, ob damit die zwei- bis dreijährigen<br />
Ausbildungsberufe künftig<br />
als „Niedrigere Berufsbildung“ bezeichnet<br />
werden sollen.<br />
Dem eigentlichen Konflikt näher<br />
kommt aber die von DIHK und ZDH<br />
in dem entsprechenden Positionspapier<br />
gewählte Feststellung: „Im Rahmen<br />
der Höheren Berufsbildung existieren<br />
zurzeit ca. 200 anerkannte,<br />
bundeseinheitliche Abschlüsse. Pro<br />
Jahr legen über 200.000 Teilnehmer<br />
eine Prüfung der Höheren Berufsbildung<br />
an einer Handwerkskammer<br />
oder Industrie- und Handelskammer<br />
ab …“<br />
Kaufleute im E-Commerce<br />
Mit „Kaufmann/Kauffrau im E-Commerce“<br />
stellte Katharina Weinert,<br />
Abteilungsleiterin Bildungspolitik und<br />
Berufsbildung beim HDE, an dem Sitzungstag<br />
einen ganz neuen Ausbildungsberuf<br />
vor, der bereits zum 1.8.18<br />
Gültigkeit hat. Der entsprechende Text<br />
ist am 18.12.17 im Bundesgesetzblatt 3<br />
<strong>Stahlreport</strong> 1/2|18<br />
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