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BERLINER KURIER, Sonnabend, 27.Oktober 2018<br />
die Chefsessel!<br />
Wessis in den Führungsetagen und forderteineOst-Quote<br />
des- und ostdeutscher Landesebene<br />
endlich angemessen<br />
vertreten sein werden. Ohne<br />
Festlegungen Lösungen zu erzielen,<br />
sei schwierig. „Es hat bei<br />
der Gleichstellung der Frauen<br />
mit den Männern nicht geklappt<br />
und es klappt auch bei<br />
der Gleichstellung der Ostdeutschen<br />
mit den Westdeutschen<br />
nicht“, sagte der Linke-Politiker<br />
dem KURIER.<br />
Deshalb will Gysi die Ostquoten-Offensive<br />
der Brandenburger<br />
Hochschuldozentin Frauke<br />
Hildebrandt (49) jetzt unterstützen.<br />
Nachdem in der Vergangenheit<br />
bereits Politiker der<br />
SPD aus verschiedenen Bundesländern<br />
eine stärkere Mitsprache<br />
von Ostdeutschen auf<br />
der Führungsebene forderten,<br />
wagte sie nun den Vorstoß für<br />
eine bundesweite Ost-Quote<br />
von 17 Prozent, die sich prozentual<br />
am Bevölkerungsanteil bemessen<br />
soll.<br />
Allerdings äußerte man sich<br />
aus Reihen der brandenburgischen<br />
CDU bereits kritisch dazu.<br />
Laut einer Studie sollen Ostdeutsche<br />
bundesweit nur in 1,7<br />
Prozent der Spitzenpositionen<br />
in Politik und Wirtschaft vertreten<br />
sein. „Die Ostdeutschen<br />
sind überall völlig unterpräsentiert,<br />
auch in Ostdeutschland<br />
selbst“, sagt Gysi.<br />
Doch die Umsetzung einer<br />
Ost-Quote hält der <strong>Berliner</strong> Experte<br />
Karl Brenke, der sich auf<br />
den ostdeutschen Arbeitsmarkt<br />
spezialisiert hat, für problematisch.<br />
Im Gespräch mit dem<br />
KURIER sagte er: „Die Chefetagen<br />
in Zukunft mit mehr Ostdeutschen<br />
zu besetzen, indem<br />
man das durch einer Quote regelt,<br />
geht in meinen Augen meilenweit<br />
am Problem vorbei und<br />
ist eine rein populistische Forderung.“<br />
Brenke sieht die eigentliche<br />
Ursache des Problems in der<br />
strukturellen Entwicklung der<br />
ostdeutschen Wirtschaft. Nach<br />
seinen Angaben gibt es überwiegend<br />
kleine und mittelständische<br />
Unternehmen im Osten.<br />
Die großen Firmenzentralen<br />
befänden sich nach wie vor in<br />
Westdeutschland. Das habe dazu<br />
geführt, dass es zu wenig ostdeutsche<br />
Führungskräfte gebe.<br />
Die Entwicklung sei auf die<br />
Umstrukturierungsprozesse<br />
nach der Wende in den 90er-<br />
Jahren zurückzuführen, als<br />
Treuhandbetriebe privatisiert<br />
oder stillgelegt wurden. Damals<br />
seien viele Ostdeutsche in westdeutsche<br />
Unternehmen eingestiegen,<br />
aber die Hauptzentralen<br />
der Unternehmen seien bis<br />
heute im Westen geblieben.<br />
Zum Vergleich: Der deutsche<br />
Chemiekonzern BASF hat seine<br />
Produktionsstätte in Schwarzheide<br />
(Brandenburg), aber der<br />
ursprüngliche Firmensitz ist in<br />
Ludwigshafen (Pfalz). Der<br />
Volkswagen-Konzern hat ein<br />
Werk in Zwickau (Sachsen),<br />
aber die Hauptzentrale ist in<br />
Wolfsburg geblieben. Aufgrund<br />
dessen sind in den großen Firmenzentralen<br />
mehr westdeutsche<br />
Führungskräfte anzutreffen<br />
und sind dort seit Jahren<br />
fest verwurzelt.<br />
Solche strukturellen Probleme<br />
gibt es überall in Deutschland<br />
und auch weltweit, sagt<br />
Brenke. Im Süden seien weitaus<br />
mehr starke Unternehmen und<br />
damit mehr Führungskräfte anzutreffen,<br />
da der Kraftfahrzeug-<br />
und Maschinenbau dort<br />
erheblich zugenommen habe.<br />
Im Norden und im Westen dagegen<br />
seien durch Schließung<br />
der Werften und Schwierigkeiten<br />
in der Steinkohle- und<br />
Stahlproduktion viele Arbeitsplätze<br />
abgebaut worden.