EGTA-Journal 11-2018
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Ari van Vliet<br />
Das zwölfte Beispiel ist in Rodrigos Zarabanda<br />
Lejana zu finden, mit einer Folge<br />
scheinbar tonaler Akkorde Imaj7/5#5 -<br />
I7/9 - IV6 - IVb6 - bVI6 - Imaj7 - IV6 usw., in<br />
denen die Dissonanzen unaufgelöst und<br />
in gleicher Intensität über einen langen<br />
Zeitraum verbleiben. Dies gibt der Tonalität<br />
ebenfalls etwas Fließendes.<br />
Klangbeispiel 12:<br />
Rodrigo – Zarabanda Lejana, T. 9-13<br />
Hörbeispiel abspielen<br />
Rodrigo, Sarabanda Lejana, Max Eschig 1934<br />
Diese Merkmale scheinen angewandte<br />
Musiktheorie zu sein, sind jedvoch auch<br />
von großer Bedeutung für das Verständnis<br />
der Musik. Unter Berücksichtigung<br />
der Stellung der Komponisten zur Gitarre,<br />
entzogen sich moderne Komponisten<br />
Berlioz’ Standpunkt: „Ohne zu spielen, ich<br />
wiederhole, kann man keine mehrstimmigen<br />
Stücke für die Gitarre schreiben,<br />
die erfüllt sind von melodischen Linien,<br />
in denen alle Möglichkeiten des Instrumentes<br />
zutage treten können.“ 26<br />
Aufführungspraxis<br />
Coste kann als Komponist und Gitarrist<br />
definiert werden, der in „gemischten<br />
Konzerten“ auftrat. Tárrega war Gitarrist,<br />
Komponist und Arrangeur, der in<br />
„gemischten Rezitalen“ spielte. Andrés<br />
Segovia war ein darbietender Künstler,<br />
der Transkriptionen und Originalkompositionen<br />
für Gitarre von Nicht-Gitarristen<br />
aufführte, was die sich verändernde<br />
Beziehung zwischen Komposition und<br />
Aufführungspraxis ausdrückte. Er trat in<br />
„eklektischen Konzerten“ auf.<br />
Gattungen<br />
Der Komponist Coste verwendete 12<br />
Gattungen des klassischen Stils und<br />
führte 18 romantische Stile ein. Der<br />
Komponist Tárrega verwendete im nationalen<br />
Stil 8 klassische Gattungen sowie<br />
5 romantische und fügte seinem Repertoire<br />
lediglich 3 nationale Gattungen<br />
hinzu. Die Modernisten führten keine<br />
neuen zeitgenössischen Gattungen ein,<br />
sie entdeckten lediglich „alte“ Genres in<br />
ihren neo-formalen-Stilen wieder. Folglich<br />
kann die musikalische Bedeutung<br />
nicht in den Gattungen erkannt werden,<br />
sondern in der Weise, in welcher sie die<br />
Musik selbst behandeln.<br />
Stile<br />
Die auffallendste charakteristische Veränderung<br />
in Bezug auf den musikalischen<br />
Stil kann in der Harmonik ausgemacht<br />
werden. Der Wechsel in der<br />
Romantik besteht aus einer ausgearbeiteten<br />
tonalen Fortschreitung, Prolongation<br />
und Modulation. Die Veränderung<br />
im nationalen Stil ist bedingt durch eine<br />
moderate Verschiebung tonaler Akkorde<br />
mit folkloristisch modalen Einflüssen.<br />
Die Veränderung in der Moderne drückt<br />
sich in „akkordischer Melodie“, Kontrasten<br />
sowie in der Befreiung von tonalen<br />
Beschränkungen in der Dissonanz aus.<br />
Finale<br />
Die Essenz der Reflektionen zum Thema<br />
„Moderne Zeiten“ in der Gitarrenmusik<br />
hat sich nun durch die Methode<br />
der Analyse, der Forschung und der Interpretation<br />
offenbart. Vor allen anderen<br />
ist die Interpretation die bedeutendste.<br />
Dies wurde bereits 1936 von Wallace<br />
Stevens in seinem Gedicht The Man With<br />
the Blue Guitar zum Ausdruck gebracht: 27<br />
Pablo Picasso, The Old Guitarist (1903),<br />
https://en.wikipedia.org/wiki/The_Old_Guitarist<br />
They said, ‚You have a blue guitar,<br />
You do not play things as they are.‘<br />
man replied, ‚Things as they are<br />
changed upon the blue guitar.‘<br />
Wallace Stevens<br />
Übersetzung: Raphael Ophaus<br />
Bibliographie<br />
• Berlioz, Hector: Grand traité d‘instrumentation<br />
et d‘orchestration modernes, Paris, Lemoine,<br />
1843.<br />
• Grove: Sadie, Stanley, ed.: The New Grove<br />
Dictionary of Music and Musicians, London<br />
Macmillan, 1980.<br />
• Hockney, David & Wallace Stevens: The Blue<br />
Guitar, London, Peterburg Press, 1977.<br />
• Hofmeester, Theodorus M.: ‚Is there a school<br />
of Tárrega‘, in: The Guitar Review, Vol. Nr. 1,<br />
new York, The Society of the Classic Guitar,<br />
1946.<br />
• López Poveda, Alberto: Andrés Segovia,<br />
Vida y obra, Jaén, Universidad de Jaén,<br />
2009.<br />
• Machlis, Joseph: Introduction to Contemporary<br />
Music, London, Norton, 1979.<br />
• Moser, Wolf: Francisco Tárrega, Werden und<br />
Wirkung, Lyon, Saint-Georges, 1996.<br />
• Ophee, Matanya: Essays on Guitar History,<br />
Columbus, Orphée, 2016.<br />
• Pujol. Emilio: Tárrega, Ensayo biográfico, Lisboa,<br />
Ramos, 1960.<br />
• Vliet, Ari van: Napoléon Coste: Composer<br />
and Guitarist in the Musical Life of 19th-century<br />
Paris, Zwolle, Cumuli foundation, I Biography,<br />
II Thematic Catalogue, 2015.<br />
• Washabaugh, William: Flamenco, Oxford,<br />
Berg, 1996.<br />
26 Berlioz, 1843, S. 86 27 Hockney/Wallace, 1977, S. 6<br />
Ausgabe 5 • <strong>11</strong>/<strong>2018</strong><br />
23