EGTA-Journal 11-2018
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Carlo Domeniconi<br />
Es ist ja eigentlich schade,<br />
Berlioz bspw. hat ganz begrenzt<br />
für Gitarre und Gesang<br />
geschrieben, aber er hatte<br />
ja schon spannende Ideen. Wenn<br />
er die Gitarre, sein erstes Instrument,<br />
richtig entdeckt hätte,<br />
wäre sicherlich auch noch etwas<br />
Spannendes herausgekommen.<br />
Villa-Lobos konnte ja auch ganz<br />
gut Gitarre spielen und hat deswegen<br />
auch vieles am Instrument<br />
herausfinden können. Du hattest ja<br />
auch einmal erwähnt, dass das Klavier<br />
eigentlich als relativ monochromes Instrument<br />
ja doch seit circa 200 Jahren hindurch<br />
„bearbeitet“ worden ist von den<br />
großen Komponisten, um einen „pianistischen“<br />
Klang zu entwickeln. Von Haydn<br />
dann bis Ravel oder auch Rachmaninov,<br />
wenn man so will.<br />
Bartók und Ligeti haben Klavieretüden<br />
geschrieben. Es<br />
geht weiter und weiter.<br />
Henze sagte einmal, es wäre sehr<br />
schwierig, für Gitarre zu schreiben,<br />
weil man sie sehr gut kennen<br />
müsse und er ein vom Instrumentalisten<br />
lernender Komponist sei. Am<br />
besten würde er z. B. lernen, indem er<br />
etwas schreibt und das dann mit dem<br />
Interpreten, also Bream, ausarbeitet, so<br />
dass er dann schnell merkt, was auf dem<br />
Instrument geht und was nicht. Und es<br />
ist immer eine Mischung, weil er zudem<br />
sagte, dass man natürlich auch einen<br />
aufgeschlossenen Interpreten braucht,<br />
der nicht nur die üblichen Handwerksgriffe<br />
bedient. Das ist auch deine Forderung,<br />
die auf der einen Seite natürlich<br />
und anspruchslos und auf der anderen<br />
Seite sehr anspruchsvoll ist.<br />
Das Problem ist, dass man trotzdem,<br />
auch wenn man das Instrument gut<br />
kennt, vielleicht nicht den Kern des Instrumentes<br />
so trifft, dass man ihn mit<br />
einem originellen musikalischen Gedanken<br />
verbindet. Andererseits gibt es<br />
wahrscheinlich auch ab und zu mal einen<br />
Glückstreffer, wo ein Komponist, der<br />
das Instrument nicht gut kennt, sich ihm<br />
trotzdem erstaunlich annähert.<br />
Ja, z.B. De Fallas Homenaje. Ein geniales<br />
Stück. Besser könnte es auch ein Gitarrist<br />
nicht schreiben.<br />
Da klingt wirklich genau das, was klingen<br />
soll und man kann musikalisch 100-%ig<br />
das realisieren, was die Musik will. Diesen<br />
Klangreichtum mit dem Klavier zu erreichen,<br />
für welches es auch eine Originalversion<br />
gibt, oder sogar mit der Originalversion<br />
für Orchester, ist schwer.<br />
Wenn man es schafft, mit der Gitarre<br />
diese Farben zu erzeugen, ist das viel<br />
mehr wert, als wenn diese Farben tatsächlich<br />
von der Oboe, der Flöte oder<br />
dem Kontrabass gespielt werden. Das<br />
ist dasselbe wie bei Mussorgskis Bilder<br />
einer Ausstellung in der Orchestertranskription<br />
von Ravel. Die mag ja meisterhaft<br />
sein, aber das ganze Geheimnis der<br />
Farbkreation ist eine andere. Es ist wie<br />
der Unterschied, ein Buch zu lesen oder<br />
einen Film anzugucken.<br />
In einem Buch, da stellst du dir vor, was<br />
für ein Gesicht dieser Mensch in diesem<br />
Moment macht, welche Stimme er hat.<br />
Du musst die Energie aufwenden, diese<br />
Phantasiebilder zu kreieren und daher<br />
hat eben diese Figur bei dir ein bestimmtes<br />
Gesicht und eine bestimmte<br />
Stimme, bei mir hat sie eine andere. Und<br />
das ist so wichtig, das jeder seine eigene<br />
Phantasie entwickeln kann.<br />
Ganz genau. Es ist eine aktive<br />
Leistung.<br />
Fortsetzung des Interviews in der<br />
nächsten Ausgabe.<br />
58 <strong>EGTA</strong>-<strong>Journal</strong>