13.11.2018 Aufrufe

EGTA-Journal 11-2018

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Carlo Domeniconi<br />

habe ich mich dahin bewegt,<br />

habe den Kopf unglaublich<br />

an den Stein, an den harten Felsen<br />

geknallt und festgestellt: „Ich<br />

komme da nicht raus mit dem Kopf!“<br />

Ich habe es dann geschafft, mich so<br />

hinzulegen, dass ich mir die Maske<br />

abreißen, und meine Nase da heraus<br />

stecken und atmen konnte.<br />

Das bedeutete, dass ich jetzt wusste,<br />

dass ich immer wieder dorthin<br />

konnte, immer dort atmen konnte<br />

und versuchen konnte, wieder<br />

heraus zu kommen mit einem<br />

kühleren Kopf und dem<br />

Bewusstsein, ich hole meine<br />

Luft da draußen und habe<br />

auf jeden Fall 2 Minuten<br />

Zeit, zu gucken, wo ich mich<br />

festhalten, wo ich mich heraus<br />

ziehen kann. Und dann<br />

habe ich es auch geschafft da<br />

heraus zu kommen, gleich beim<br />

ersten Mal. Aber in eine Grotte gehst<br />

du nicht mehr, das kann ich garantieren,<br />

selbst wenn du siehst, du könntest<br />

da mit dem Lastwagen hinein fahren.<br />

Du schwimmst da nicht mehr rein. Solche<br />

Erlebnisse führten bei mir dazu, dass<br />

ich immer weniger Vertrauen zu meinen<br />

Kräften hatte.<br />

Du sagtest, das Tauchen sei eine<br />

Sucht für Dich. Das in der Grotte<br />

war allerdings ein Erlebnis,<br />

das Dich bewogen hat, nicht mehr in<br />

eine Grotte zu gehen. Aber es hat dich<br />

nicht dazu bewogen zu sagen, ich gehe<br />

gar nicht mehr tauchen. Wenn man gut<br />

tauchen kann, ist es wahrscheinlich eine<br />

Sache wie viele andere auch, aber es ist<br />

ja trotzdem eine existenziell herausfordernde<br />

Situation. Hat dich das irgendwie<br />

gereizt, dass jeder Tauchgang, jeder<br />

Atemzug der letzte sein kann. Der Adrenalinkick?<br />

Mir gefällt sie einfach sehr sehr gut, diese<br />

Unterwasserwelt, weil man manchmal<br />

den Eindruck hat, sie ist genuin, also<br />

einfach und rein. So, als ob das da unten<br />

noch nie jemand gesehen hätte.<br />

Es ist immer anders und was da unten alles<br />

passiert, ist schon spannend.<br />

Verstehe.<br />

Mir hat einfach auch der Fisch so<br />

gut geschmeckt und ich denke,<br />

es ist legitimer das so zu machen, als irgendein<br />

Fisch im Supermarkt zu kaufen.<br />

Ja, ich verstehe. Aber es ist natürlich<br />

alles in allem auch ein sehr schönes<br />

Bild, eine sehr schöne Symbolik<br />

für’s Komponieren wenn man so will. Du<br />

gehst irgendwo hin, wo vielleicht, auch<br />

wenn es nicht stimmt, noch keiner war<br />

und das, was du dann mit hochbringst,<br />

ist sozusagen das Verwertbare aus diesem<br />

Tauchgang.<br />

Ja, richtig! Es gab da eine kleine orthodoxe<br />

Kirche, in Gümüslük. Da fanden immer<br />

Konzerte statt und ich habe da sehr<br />

häufig mit meinem Freund Yaz Baltacigil<br />

gespielt. Er spielte Kontrabass. Wir haben<br />

dort ganz viele Konzerte gehabt und<br />

nachdem wir den ganzen Tag auf dem<br />

wilden Meer zusammen waren, haben<br />

wir am Abend das in Musik umwandelt.<br />

Das hat sehr viel Spaß gemacht. Mit der<br />

Zeit kamen noch andere Musiker, z. B. Ricardo<br />

Moyano,<br />

Unsere Musik war eine andere Musik,<br />

eine spontane Musik, auf die man grade<br />

Lust hatte. Grobe und ungelenke Hände<br />

waren dabei kein Hindernis, um Musik zu<br />

machen.<br />

Und das war dann nicht nur während<br />

der drei Jahre, in denen du<br />

in der Türkei gelebt hast, sondern<br />

immer wenn du da warst?<br />

Ja, 30 Jahre lang.<br />

Wie oft warst du in der Türkei,<br />

regelmäßig?<br />

Am Anfang sehr lang, immer<br />

3 bis 3 1/2 Monate jedes Jahr.<br />

In der vorlesungsfreien Zeit?<br />

Ja, die habe ich auch manchmal ein<br />

bisschen überzogen. Später dann, als<br />

mein Sohn in die Schule musste, wurde<br />

das reduziert auf 1 1/2 Wochen und auf<br />

6 Wochen. Dann sind wir zweimal hingefahren.<br />

Also ca. 3 Monate pro Jahr war<br />

ich da.<br />

Glaubst du, dass das vielleicht<br />

nicht nur zum Komponieren,<br />

sondern auch zum Improvisieren<br />

passt, tauchen?<br />

Ja, es ist ein ähnlicher Vorgang, du musst<br />

Erfahrung haben, aber du weißt nie, was<br />

kommt und musst damit umgehen können.<br />

Insofern ist tauchen ähnlich wie<br />

komponieren und improvisieren.<br />

Ausgabe 5 • <strong>11</strong>/<strong>2018</strong><br />

55

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!