EGTA-Journal 11-2018
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Carlo Domeniconi<br />
habe ich mich dahin bewegt,<br />
habe den Kopf unglaublich<br />
an den Stein, an den harten Felsen<br />
geknallt und festgestellt: „Ich<br />
komme da nicht raus mit dem Kopf!“<br />
Ich habe es dann geschafft, mich so<br />
hinzulegen, dass ich mir die Maske<br />
abreißen, und meine Nase da heraus<br />
stecken und atmen konnte.<br />
Das bedeutete, dass ich jetzt wusste,<br />
dass ich immer wieder dorthin<br />
konnte, immer dort atmen konnte<br />
und versuchen konnte, wieder<br />
heraus zu kommen mit einem<br />
kühleren Kopf und dem<br />
Bewusstsein, ich hole meine<br />
Luft da draußen und habe<br />
auf jeden Fall 2 Minuten<br />
Zeit, zu gucken, wo ich mich<br />
festhalten, wo ich mich heraus<br />
ziehen kann. Und dann<br />
habe ich es auch geschafft da<br />
heraus zu kommen, gleich beim<br />
ersten Mal. Aber in eine Grotte gehst<br />
du nicht mehr, das kann ich garantieren,<br />
selbst wenn du siehst, du könntest<br />
da mit dem Lastwagen hinein fahren.<br />
Du schwimmst da nicht mehr rein. Solche<br />
Erlebnisse führten bei mir dazu, dass<br />
ich immer weniger Vertrauen zu meinen<br />
Kräften hatte.<br />
Du sagtest, das Tauchen sei eine<br />
Sucht für Dich. Das in der Grotte<br />
war allerdings ein Erlebnis,<br />
das Dich bewogen hat, nicht mehr in<br />
eine Grotte zu gehen. Aber es hat dich<br />
nicht dazu bewogen zu sagen, ich gehe<br />
gar nicht mehr tauchen. Wenn man gut<br />
tauchen kann, ist es wahrscheinlich eine<br />
Sache wie viele andere auch, aber es ist<br />
ja trotzdem eine existenziell herausfordernde<br />
Situation. Hat dich das irgendwie<br />
gereizt, dass jeder Tauchgang, jeder<br />
Atemzug der letzte sein kann. Der Adrenalinkick?<br />
Mir gefällt sie einfach sehr sehr gut, diese<br />
Unterwasserwelt, weil man manchmal<br />
den Eindruck hat, sie ist genuin, also<br />
einfach und rein. So, als ob das da unten<br />
noch nie jemand gesehen hätte.<br />
Es ist immer anders und was da unten alles<br />
passiert, ist schon spannend.<br />
Verstehe.<br />
Mir hat einfach auch der Fisch so<br />
gut geschmeckt und ich denke,<br />
es ist legitimer das so zu machen, als irgendein<br />
Fisch im Supermarkt zu kaufen.<br />
Ja, ich verstehe. Aber es ist natürlich<br />
alles in allem auch ein sehr schönes<br />
Bild, eine sehr schöne Symbolik<br />
für’s Komponieren wenn man so will. Du<br />
gehst irgendwo hin, wo vielleicht, auch<br />
wenn es nicht stimmt, noch keiner war<br />
und das, was du dann mit hochbringst,<br />
ist sozusagen das Verwertbare aus diesem<br />
Tauchgang.<br />
Ja, richtig! Es gab da eine kleine orthodoxe<br />
Kirche, in Gümüslük. Da fanden immer<br />
Konzerte statt und ich habe da sehr<br />
häufig mit meinem Freund Yaz Baltacigil<br />
gespielt. Er spielte Kontrabass. Wir haben<br />
dort ganz viele Konzerte gehabt und<br />
nachdem wir den ganzen Tag auf dem<br />
wilden Meer zusammen waren, haben<br />
wir am Abend das in Musik umwandelt.<br />
Das hat sehr viel Spaß gemacht. Mit der<br />
Zeit kamen noch andere Musiker, z. B. Ricardo<br />
Moyano,<br />
Unsere Musik war eine andere Musik,<br />
eine spontane Musik, auf die man grade<br />
Lust hatte. Grobe und ungelenke Hände<br />
waren dabei kein Hindernis, um Musik zu<br />
machen.<br />
Und das war dann nicht nur während<br />
der drei Jahre, in denen du<br />
in der Türkei gelebt hast, sondern<br />
immer wenn du da warst?<br />
Ja, 30 Jahre lang.<br />
Wie oft warst du in der Türkei,<br />
regelmäßig?<br />
Am Anfang sehr lang, immer<br />
3 bis 3 1/2 Monate jedes Jahr.<br />
In der vorlesungsfreien Zeit?<br />
Ja, die habe ich auch manchmal ein<br />
bisschen überzogen. Später dann, als<br />
mein Sohn in die Schule musste, wurde<br />
das reduziert auf 1 1/2 Wochen und auf<br />
6 Wochen. Dann sind wir zweimal hingefahren.<br />
Also ca. 3 Monate pro Jahr war<br />
ich da.<br />
Glaubst du, dass das vielleicht<br />
nicht nur zum Komponieren,<br />
sondern auch zum Improvisieren<br />
passt, tauchen?<br />
Ja, es ist ein ähnlicher Vorgang, du musst<br />
Erfahrung haben, aber du weißt nie, was<br />
kommt und musst damit umgehen können.<br />
Insofern ist tauchen ähnlich wie<br />
komponieren und improvisieren.<br />
Ausgabe 5 • <strong>11</strong>/<strong>2018</strong><br />
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