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EGTA-Journal 11-2018

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Carlo Domeniconi<br />

HUnd sie war irgendeine Gitarre<br />

aus der Werkstatt des Großvaters?<br />

Keine besondere?<br />

Nein, aber das ist schwer zu sagen. Die<br />

Geschichte der Qualität einer Gitarre ist<br />

ein Rätsel.<br />

Das stimmt. Ich dachte nur, sie<br />

wäre eine besondere Gitarre,<br />

die dir vermacht wurde, vielleicht<br />

als Abschiedsgeschenk?<br />

Nein, ich habe sie nach ca. zwei Jahren<br />

Unterricht gekauft.<br />

Und auf der spielst du, bis auf<br />

kurze Unterbrechungen, seitdem?<br />

Ja, immer noch.<br />

Und das ist eine Fichte?<br />

Ja. Mozzani hat solche Sachen<br />

gemacht, wie dass er ca. 300<br />

Decken – wenn nicht schon fertig so<br />

doch bereits auf 1/2 cm Dicke –<br />

zugeschnitten hat. Die haben<br />

dann jahrelang in Wind<br />

und Regen gelegen.<br />

Also nicht, dass sie<br />

direkt mit Wasser<br />

in Kontakt<br />

gekommen<br />

sind, aber<br />

es regnete daneben. Davon sind viele<br />

gerissen oder kaputt gegangen, andere<br />

sind schief geworden und andere<br />

sind so geblieben. Er hat von diesen 300<br />

Stück etwa 10 % weiter bearbeitet und<br />

hat dann bestimmt, was für eine Gitarre<br />

aus dem Holz gebaut werden sollte, ein<br />

Schülerinstrument oder ein Konzertinstrument.<br />

Aber einen guten Handwerker<br />

kann man ihn nicht nennen, denn er<br />

hat keinen Finger gerührt, sondern nur<br />

kommandiert. Er hatte etwa 30 Arbeiter<br />

in seiner Werkstatt, die er mit sehr wenig<br />

Geld, ein paar Ohrfeigen und einem warmen<br />

Mittagessen versorgt hat.<br />

Er war wohl nicht zimperlich?<br />

Nein, war er nicht. Wenn man<br />

seine Biographie liest, dann versteht<br />

man das. Aber Gamberini, einer<br />

seiner Schüler, erzählte mir Folgendes:<br />

man ging zu ihm nach oben, wo es geheizt<br />

war – als einziger Raum – und da<br />

saß Mozzani und las Zeitung. Man zeigte<br />

ihm ein Griffbrett und fragte, ob das<br />

so ginge. Mozzani guckte es sich an und<br />

sagte: „Komm mal her!“, und „baff, baff“,<br />

zwei Ohrfeigen, rechts und links. „Ich<br />

muss dir doch wohl nicht sagen, dass du<br />

da draufgucken sollst, bevor du hierher<br />

kommst? Mach’ das nochmal!“ Dann ging<br />

derjenige runter, hat 15-20 Minuten gewartet<br />

und ging dann wieder nach oben<br />

mit dem gleichen Griffbrett. Dann hat<br />

Mozzani es angeguckt und gesagt: „Ja,<br />

siehst Du!, jetzt ist es in Ordnung.“<br />

Resultat: Zwei Ohrfeigen, aber dafür 5<br />

Minuten im Warmen.<br />

Mozzanis Lebenswerk ist jedoch enorm.<br />

Aus Armut hat er seine Familie mit 6<br />

oder 7 Jahren schon verlassen und arbeitete<br />

dann bei einem Müller. Dann<br />

arbeitete er bei einem Schuster. Aber<br />

immer war es sein Ideal, die Musik zu erlernen.<br />

Dann erfuhr er, dass der Müller<br />

ein Trompeter war und er bekniete ihn,<br />

ihm Noten beizubringen. Und der kleine<br />

Luigi hat es geschafft, nicht nur Noten,<br />

sondern auch noch Harmonielehre<br />

zu lernen. Und er hat es geschafft, erster<br />

Oboist des Opernorchesters des Teatro<br />

St. Carlo in Neapel zu werden, mit einer<br />

Amerikatournee.<br />

Ach ja?<br />

Ja. Er war ein richtig guter<br />

Oboist. Aber dann hat er sich<br />

später autodidaktisch der Gitarre gewidmet,<br />

die er bau- und spieltechnisch<br />

sehr erweitert hat. Die Gitarren der damaligen<br />

Zeit hatten das Griffbrett und<br />

den Korpus noch auf der gleichen Ebene,<br />

was er bemängelte und dann hat er<br />

seine Gitarren entsprechend anders gebaut.<br />

Er experimentierte auch mit den<br />

verrücktesten Formen, bspw. gab es<br />

eine gekreuzte Decke. Nicht der Boden,<br />

die Decke war gekreuzt. Der Steg befand<br />

sich auf dem einen Teil und das Griffbrett<br />

auf dem anderen Teil. Ich weiß nicht, was<br />

er noch alles gemacht hat. Viel Aufmerksamkeit<br />

hat er der sogenannten „Chitarra-Lyra“<br />

gewidmet, die erst sehr viel später<br />

als 10-saitige Gitarre berühmt wurde.<br />

Er hat mit seiner vielseitigen Persönlichkeit<br />

wohl auch in der Münchener<br />

Szene, welche damals<br />

sehr blühte und in der auch Llobet und<br />

Segovia auftraten, einen nachhaltigen<br />

Eindruck hinterlassen, als er dort auftrat.<br />

Ja.<br />

Deine Lehrerin war ja die Enkelin<br />

von Mozzani. Welcher Elternteil<br />

war von Mozzani?<br />

Sie lebte mit ihrer Mutter, welche die<br />

Tochter von Mozzani war, ihrem Mann<br />

52 <strong>EGTA</strong>-<strong>Journal</strong>

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