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EGTA-Journal 11-2018

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Carlo Domeniconi<br />

Diese Faszination mit dem Wasser,<br />

die du beschreibst, einmal<br />

mit dem Tauchen, aber auch<br />

mit dem Angeln, hat die in irgendeiner<br />

Weise eine Entsprechung in deiner Musik<br />

gefunden?<br />

Ja, notgedrungen, weil es mein<br />

Haupttemperament war. Ich denke, heute<br />

hat sich etwas in mir verändert. Der<br />

Mensch besteht ja aus einer Mischung<br />

von Temperamenten, die man kurz mit<br />

Wasser, Erde, Feuer und Luft vergleichen<br />

kann.<br />

Diese Elementenlehre hast du ja<br />

auch öfter als Gestaltungsprinzip<br />

deiner Kompositionen angewendet.<br />

Wenn ich mich an unsere Arbeit<br />

zurückerinnere, gab es luftige oder<br />

feurige oder unruhige Stellen, wässrige<br />

oder sehr irdische, sehr stabile Strukturen.<br />

Ja, aber das ist eigentlich immer so und<br />

ganz normal.<br />

Welchem Element oder welchem<br />

Temperament könnte<br />

man die Gitarre zuordnen?<br />

Die Gitarre kann man nicht einem einzigen<br />

Temperament oder Element zuordnen,<br />

denn die Musik erfordert alle<br />

Temperamente und die Gitarre muss<br />

das leisten können. Das luftige Element<br />

ist das schwerste bei der Gitarre. Sehr<br />

häufig klingt eine gewisse Mühe durch,<br />

wenn man etwas spielt, was nicht gerade<br />

A-Moll und D-Dur ist. Sehr oft ist<br />

kein Platz für das Leichte und das Genießen<br />

des Luftigen. Die Elemente müssen<br />

in der Musik immer präsent sein – ich<br />

habe darüber schon vieles geschrieben<br />

– trotzdem aber könnte man sagen,<br />

dass bei der Gitarre immer irgendetwas<br />

nachklingt. Dadurch entsteht eine latente<br />

Wässrigkeit. Wenn wir eine Tonleiter<br />

abwärts spielen, klingen immer irgendwelche<br />

Töne nach. Wir spielen eigentlich<br />

pausenlos fast 6-stimmig, weil diese<br />

Saiten alle ein bisschen mitklingen. Wir<br />

spielen nicht trocken. Insofern ist eine<br />

Art Wässrigkeit auf jeden Fall schon mal<br />

dem Instrument angeboren.<br />

Ja, verstehe.<br />

Ein Alberti-Bass auf der Gitarre<br />

klingt eben anders als auf dem Klavier.<br />

Jetzt folgt eine sehr umfassende<br />

und gleichzeitig plakative Frage,<br />

aber trotzdem vielleicht eine<br />

wichtige Frage. Was ist diese Seele, der<br />

Kern der Gitarre, des Instrumentes für<br />

dich? Weil du sehr oft von „der Gitarre“<br />

sprichst. So wie andere vielleicht auch<br />

von „der Musik“ sprechen, so sprichst du<br />

von „der Gitarre“, wie von einer Art Lebewesen<br />

oder…<br />

Ja, damit meine ich, dass die Gitarre ihre<br />

Vorlieben hat, wie die Gitarre klingen<br />

„mag“. Gut, die Gitarre ist, zum Glück, ein<br />

unfertiges und unpräzises Instrument.<br />

Um Veränderungen an ihr vorzunehmen,<br />

muss man doch wissen, wohin die<br />

Gitarre strebt, was ihr liegt.<br />

Was mir gar nicht gefällt ist, dass<br />

man sie in eine Richtung<br />

drängt, die sich immer<br />

mehr von ihrer Urform<br />

entfernt. Sie soll lauter, brillanter<br />

vor allem sein. Das alles auf<br />

Kosten der Farben. Ursprünglich<br />

hatten die Saiten einen Namen,<br />

der ihren Charakter definierte. Jeder<br />

wird den Begriff Chantarelle<br />

(die Gesangliche) kennen.<br />

Ich versuche, eine gitarrengerechte<br />

Musik zu schreiben und<br />

sehe, dass das Instrument es<br />

mir dankt.<br />

Das ist sehr interessant,<br />

wenn<br />

man davon<br />

ausgeht, dass die Gitarre<br />

nicht nur als Gesamtwerk<br />

von 6 Saiten, ihrer Form<br />

und ihrem Klangkörper wirkt,<br />

sondern dass jede Saite für sich<br />

auch ein Charakteristikum hat, was<br />

wie in einem demokratischen Spektrum<br />

einen Teil des Ganzen ausmacht.<br />

Und hat es dann nicht auch etwas Geheimnisvolles,<br />

das es zu ergründen gilt,<br />

was, wie du es sagtest, durch eine gewachsene<br />

menschliche Geschichte besteht?<br />

Es ist ja ein Menschen gemachtes<br />

und von Menschen benutztes Instrument,<br />

es wächst ja nicht an einem Baum.<br />

Aber auf der anderen Seite hat es auch<br />

eine phytagoräische Dimension.<br />

Ja, es ist mysteriös. Ich ertappe mich<br />

sehr häufig, dass ich eine Gitarre so da<br />

liegen sehe und wenn ich das Griffbrett<br />

betrachte, dann sehe ich lauter Lichter<br />

auf verschiedenen Bünden hin und her<br />

tanzen und denke mir, was alles für Tonkombinationen<br />

noch möglich wären.<br />

Noch vorgestern habe ich in einem<br />

Konzert die spanischen Tres Piezas von<br />

56 <strong>EGTA</strong>-<strong>Journal</strong>

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