EGTA-Journal 11-2018
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Carlo Domeniconi<br />
- aber ich habe mir gedacht: „Na ja gut,<br />
ich gehe sie mir einfach ein bisschen näher<br />
angucken.“ Ich bin dann etwas herunter<br />
getaucht. „Die werden sowieso gleich<br />
abhauen,“ dachte ich mir. Ich bin weiter<br />
herunter getaucht und bei 10 Metern<br />
dachte ich mir: „Noch ein bisschen näher<br />
kannst du.“ Dann bin ich nochmals 5<br />
Meter herunter gegangen und bin stehengeblieben,<br />
um zu gucken, ob es sich<br />
noch lohnt, weiter zu tauchen. Es kam<br />
der Gedanke bei mir auf: „Sag mal, du<br />
hast für so einen Tauchvorgang überhaupt<br />
keine Vorbereitungen getroffen. Meinst du,<br />
es lohnt sich, für zwei Fische dein Leben zu<br />
riskieren?“ Die Antwort lautete: „Ja!“ Ich<br />
bin weiter runter gegangen und plötzlich<br />
stand ich neben den Fischen und<br />
sie sind nicht weg geschwommen. Und<br />
da habe ich gedacht, jetzt schieße jetzt<br />
einfach, ohne viel zu denken, und habe<br />
„baff“ einen erwischt. Der Fisch fing an,<br />
um mich zu kreisen wie ein Karussell, der<br />
Pfeil ist ja an einer Schnur befestigt. Es<br />
war ein mächtiger Fisch.<br />
Was war das für ein Fisch?<br />
Ich weiß es nicht, wie der<br />
auf Deutsch heißt, es war<br />
ein länglicher, schöner, großer, silberner<br />
Fisch. Auf jeden Fall habe ich gedacht:<br />
„Jetzt hast du ja überhaupt keine Luft mehr,<br />
es platzen dir gleich die Lungen!“ Dann bin<br />
ich ganz langsam hochgepaddelt, diesen<br />
Fisch umarmend. Endlich war ich<br />
oben. Ich war wirklich am Ende, aber ich<br />
hatte meinen Fisch, ohne ihn durch eine<br />
ungewollte Sendung zu verjagen.<br />
Wo war das?<br />
Das war in der Ägäis. Bei Bodrum.<br />
Du hattest es noch einmal riskiert.<br />
Und das war dein letztes<br />
Tauchereignis?<br />
Ja. Ich war zwar gut – sagen wir mal besser<br />
als viele andere – aber längst kein<br />
Spitzentaucher. Die richtigen Taucher<br />
können nochmals das Doppelte. Es ist<br />
eine Sucht, dieses Tauchen, diese starken<br />
Erlebnisse ohne Luft, ohne zu atmen.<br />
Man sagt ja auch „atemlos“. Das heißt, du<br />
stoppst, vergisst das Atmen, weil du so<br />
aufgeregt bist, weil du etwas so Spannendes<br />
siehst. Du vergisst das Atmen. Du<br />
kannst nicht ständig daran denken, dass<br />
du nicht atmen kannst, sonst verlierst du<br />
zu viel Energie. Du musst einfach in eine<br />
bestimmte Kammer gehen, darin hast<br />
du soundsoviel Vorrat an Atem und Zeit<br />
und diese Zeit muss frei sein.<br />
Du hast noch von anderen Erlebnissen<br />
gesprochen, weswegen<br />
du nicht mehr so viel getaucht<br />
bist wie vorher, von Grotten. Was war<br />
das?<br />
Ich bin immer sehr viel getaucht, ob<br />
es stürmte oder nicht, ob es Nacht war<br />
oder nicht, ob es wellig war oder nicht,<br />
an den Küsten, an den steilen Küsten, an<br />
den gefährlichen Küsten usw. Egal was,<br />
ich hab nie Probleme gehabt, nie Angst<br />
gehabt. Das Wasser war einhundert prozentig<br />
mein Element. Aber dann, wenn<br />
dir Dinge passieren, bei denen du feststellen<br />
musst: „Das war knapp jetzt, das<br />
war wirklich knapp,“ oder besser gesagt,<br />
du weißt gar nicht, wie du dich gerettet<br />
hast: dann muss eine Wende kommen.<br />
Ich muss in diesem Zusammenhang<br />
noch Folgendes erzählen: es war an einem<br />
Tag, an dem es ziemlich wellig und<br />
windig war. Wenn es zu wellig ist, dann<br />
ist es ziemlich stressig, zu tauchen, weil<br />
es erstens kaum Fische gibt und man<br />
zweitens ständig aufpassen muss, dass<br />
man nicht gegen die Felsen geschleudert<br />
wird. Das war mir schon ein paar<br />
Mal passiert, wobei ich von einer Welle<br />
über eine ganze Reihe von Felsen gefegt<br />
worden bin. Auf jeden Fall war ich<br />
mit meiner damaligen Frau an die Küste<br />
gegangen. Sie legte sich auf den Felsen<br />
und sonnte sich und ich tauchte die Küste<br />
entlang. Es war gar nicht tief, circa 3<br />
Meter, da sah ich ein Loch, in das ein sehr<br />
schöner Fisch hinein schwamm. Und da<br />
bin ich auch hinein geschwommen, um<br />
zu schauen, wo er steckt. Ich kam dann<br />
aber nicht mehr heraus, war durch den<br />
starken Wellengang mit dem Körper in<br />
ein Loch unter die Küste geraten. Ich<br />
kam wirklich nicht mehr heraus, es war<br />
nichts zu machen. Dann wurde die Luft<br />
knapp und ich habe gesehen, dass meine<br />
einzige Chance darin bestand, nach<br />
vorn zu schwimmen, wobei ich nicht<br />
wusste, ob es dort einen anderen Ausgang<br />
gab.<br />
Man darf sich nicht vorstellen, dass es<br />
20 Meter waren, nein, das war alles auf<br />
engem Raum, wo das Wasser nur so<br />
ran knallte, mit voller Kraft und ich<br />
war da drin. Pech gehabt!<br />
Und dann bin ich also nach<br />
vorne geschwommen<br />
und hatte Glück, zu sehen,<br />
dass sich ca. einem<br />
halben Meter<br />
über mir ein Dreieck<br />
Licht zeigte.<br />
Also schwamm<br />
ich dem entgegen.<br />
Ich hatte vergessen,<br />
dass ich<br />
überhaupt keine<br />
Luft mehr hatte.<br />
Auf jeden Fall<br />
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