Develop³ Systems Engineering 01.2016
Themenschwerpunkte: Methoden, Tools sowie Anwendungen; Köpfe der PLM-Dienstleister zum Systems Engineering: Kurt Bengel, Sprecher des Vorstandes, Cenit; Helmut Haas, Geschäftsführer, Inneo Solutions; Rolf Wiedmann, Director Sales DACH, TechniaTranscat
Themenschwerpunkte: Methoden, Tools sowie Anwendungen; Köpfe der PLM-Dienstleister zum Systems Engineering: Kurt Bengel, Sprecher des Vorstandes, Cenit; Helmut Haas, Geschäftsführer, Inneo Solutions; Rolf Wiedmann, Director Sales DACH, TechniaTranscat
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ANFORDERUNGSMANAGEMENT<br />
TOOLS<br />
Bild: HIS<br />
Abbildung 2: HIS-Prozess auf Basis von ReqIF i. A. an Hersteller Initiative<br />
Software (HIS)<br />
Format – setzte sich im Frühjahr 2011 als internationaler Standard<br />
der Object Management Group (OMG) durch. Und während für Dezember<br />
2015 bereits die ReqIF Version 1.2 angekündigt ist, wurde<br />
die Weiterentwicklung von RIF eingestellt.<br />
Aber wie so oft dauerte es längere Zeit, bis sich erste Unternehmen<br />
an den produktiven Einsatz wagten. Der laufende und erprobte Prozess<br />
reizt zum Verharren in gewohnten Bahnen. Leichter als die großen<br />
Unternehmen der OEMs und der Zulieferbranche taten sich<br />
kleinere Unternehmen und die Forschung. So ist ReqIF schon seit<br />
Jahren Standard beim Entwickeln intelligenter, technischer Systeme<br />
beispielsweise im industriellen Spitzencluster it‘s OWL in Ostwestfalen-Lippe.<br />
Dies ist der einzige von der Bundesregierung anerkannte<br />
Spitzencluster, der sich in seinem Kern dem industriellen <strong>Systems</strong><br />
<strong>Engineering</strong> verschrieben hat. Auch Institute wie das VPE für<br />
virtuelle Produktentwicklung unter Leitung von Prof. Martin Eigner<br />
setzen den Standard schon erfolgreich ein.<br />
Insbesondere Großkonzerne haben in der Regel mit hohen Abstimmungsaufwänden<br />
im Rahmen des Requirements <strong>Engineering</strong> (RE)<br />
zu kämpfen. Die Abstimmung und der Austausch von Produktanforderungen<br />
in globalen Wertschöpfungsnetzwerken mit Entwicklungspartnern<br />
und internationalen Standorten über heterogene RM-<br />
Systemgrenzen hinweg bedingen oft manuelle Arbeitsschritte und<br />
nehmen kostbare Entwicklungszeit in Anspruch. Das neutrale und<br />
international standardisierte Austauschformat ReqIF bietet sich hier<br />
als Schlüssel an, um globale Lokalisierungsstrategien, ein internationales<br />
R&D und eine flexible Integration von Entwicklungspartnern<br />
zu realisieren.<br />
Daimler geht mit Continental und AVL voraus<br />
Dr. Siegmar Haasis, CIO Research and Development Mercedes-<br />
Benz Cars der Daimler AG, gab mit seiner Keynote auf dem ProStep<br />
iViP Symposium 2015 den Anstoß, ReqIF in großem Umfang zu nutzen<br />
und die Austauschprozesse damit zu standardisieren. Im Mai<br />
kündigte er Pilotprojekte mit Zulieferern an. Bereits Ende November<br />
lagen Ergebnisse von zwei Tests vor. Sie wurden mit Continental<br />
und AVL in Angriff genommen. Dafür wurden zwei Szenarien basierend<br />
auf Testdaten sowie auf Echtdaten eines abgeschlossenen<br />
Bremssteuergerät-Projekts verwendet. Getestet wurde, inwieweit<br />
die Tool-Implementierung des Standards fortgeschritten ist und in<br />
welcher Weise existierende Lösungen die Spezifikation des Standards<br />
widerspiegeln. Herauskommen sollte, wie gut und vollständig<br />
die einzelnen Elemente und Datentypen der Norm beim Im-und Export<br />
der verschiedenen Werkzeuge dargestellt und übertragen werden<br />
können. Darüber hinaus wurde analysiert, ob der Standard seinem<br />
Anspruch gerecht wird und die Möglichkeit eines normierten,<br />
weitgehend automatischen Datenaustauschprozesses bietet.<br />
Die Pilotprojekte beinhalteten zwei Austauschvorgänge (sogenannte<br />
Roundtrips) zwischen Daimler und den Zulieferern Continental<br />
und AVL. Ein Roundtrip umfasste dabei folgende Schritte:<br />
• Export der Testdaten einschließlich Statusänderungen und Kommentaren<br />
in eine ReqIF-Austauschdatei durch Daimler<br />
• Import der Daten aus ReqIF zur Bearbeitung der Anforderungen<br />
auf Lieferantenseite (Continental, AVL)<br />
• Export einer bearbeiteten ReqIF-Austauschdatei durch den<br />
Lieferanten<br />
• Re-Import der veränderten Daten bei Daimler<br />
Die im Rahmen der Piloten eingesetzten Werkzeuge sind das bei<br />
Daimler verwendete RM-Tool Doors von IBM und der vom selben<br />
Anbieter stammende Konverter Doors eXchange. Bei Continental<br />
kommt die RM-Lösung Integrity der Firma PTC zum Einsatz, als<br />
Konverter wird der PTC Requirements Connector verwendet. Auch<br />
AVL nutzt PTC Integrity sowie den PTC Requirements Connector,<br />
allerdings in einer anderen Version.<br />
Das erste Ergebnis stand schnell fest: Die ReqIF-Spezifikation selbst<br />
bedarf keiner Änderung. Das Format gestattet den Beteiligten, Anforderungsdaten<br />
und die zugehörigen Attribute, die beispielsweise<br />
der Beschreibung des Bearbeitungsstatus dienen, mit unterschiedlichen<br />
Tools verlustfrei auszutauschen.<br />
Einschränkungen wurden allerdings bei den einzelnen Implementierungen<br />
identifiziert. Nicht alles, was das ReqIF-Format ermöglicht<br />
und eindeutig definiert, kann durch die getesteten Tools verarbeitet<br />
bzw. dargestellt werden. Ursache sind unterschiedliche Tool-Funktionalitäten,<br />
denen kein eindeutiges Mapping zugrunde liegt. Standardisierte<br />
Datenaustauschformate – so auch ReqIF – bilden in jedem<br />
Fall eine Teilmenge von Tool-Funktionalitäten ab und bieten somit<br />
den Vorzug eines kleinsten gemeinsamen Nenners. So gab es etwa<br />
für Überschriften oder Farbdarstellungen nicht immer dieselbe Codierung.<br />
In Einzelfällen wurden OLE-Objekte wie Bilder behandelt,<br />
manche Attribute im ersten Anlauf falsch zugeordnet. Dies sind jedoch<br />
Kleinigkeiten im Vergleich zu den Herausforderungen, die ein<br />
Austausch von Anforderungen ohne Standardformat bereitet.<br />
Letztlich konnten die Roundtrips zwischen Daimler, AVL und Continental<br />
zufriedenstellend abgeschlossen werden. Auch der Test auf<br />
Basis von Echtdaten eines Continental-Bremssteuergeräts verlief<br />
erfolgreich. Requirements-<strong>Engineering</strong>-Prozessketten, die zuvor auf<br />
dem nativen Datenformat eXchange aufsetzten, konnten also erfolgreich<br />
und ohne wesentliche Einschränkungen mit ReqIF realisiert<br />
werden. Die Pilotprojekte zeigen damit einen klaren Weg hin zu<br />
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